Kicker 070-2015
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102 LANGSTRECKEN-WM<br />
Revanche<br />
am Ring<br />
Ascari und Farina, Moss und<br />
Ickx, Bellof und Stuck – umjubelte<br />
Siege haben sie alle auf<br />
dem Nürburgring herausgefahren.<br />
Bis heute sind sie die Helden<br />
der 1000-Kilometer-Rennen, die<br />
in der Eifel ab 1953 bis hinein in<br />
die 80er Jahre ausgetragen wurden,<br />
selbstverständlich auf der Nordschleife<br />
und vor oftmals mehr als<br />
250 000 Fans.<br />
Ihre Nachfolger heißen André<br />
Lotterer oder Timo Bernhard. Sie<br />
sind aktuell Deutschlands herausragende<br />
Langstrecken-Spezialisten<br />
mit exzellenten Ergebnissen in<br />
Le Mans. Auch sie treten am Nürburgring<br />
gegeneinander an, wenn<br />
am Sonntag die Langstrecken-WM<br />
erstmals seit ihrer Einführung 2012<br />
auf dem Ring gastiert. Wie ihre berühmten<br />
Vorgänger aus der einstigen<br />
Sportwagen-Weltmeisterschaft<br />
sitzen sie in Rennprototypen, die<br />
das Feinste vom Feinen darstellen,<br />
was Autokonstrukteure damals wie<br />
heute auf die Rennstrecke bringen<br />
konnten beziehungsweise können.<br />
Doch bei der Revanche für das<br />
ungemein spannende Le-Mans-<br />
Rennen Mitte Juni muss ihnen als<br />
Elf Wochen nach dem Rennen in Le Mans geht<br />
die Langstrecken-WM weiter. Das Duell zwischen<br />
AUDI und PORSCHE wird zum Highlight <strong>2015</strong> auf<br />
dem Nürburgring, wo die Serie erstmals gastiert.<br />
Spielwiese der Grand-Prix-Kurs mit<br />
seinen etwas mehr als fünf Kilometern<br />
Streckenlänge genügen. Draußen<br />
in den sich über rund 21 Kilometer<br />
hinschlängelnden Kurven der<br />
Grünen Hölle finden die bis zu<br />
1000 PS starken Geschosse von Porsche,<br />
Audi und Toyota schon lange<br />
nicht mehr das vor, was sie zu ihrer<br />
eigenen und zur Mindestsicherheit<br />
der Zuschauer benötigen.<br />
Eng wird es deshalb werden am<br />
Ring, wenn die 34 gemeldeten Rennautos<br />
(14 mehr als in der Formel 1!)<br />
gleich vier Rennen in einem austragen<br />
werden, weil die Leistungsunterschiede<br />
in den einzelnen<br />
Kategorien zu offensichtlich sind.<br />
Dann werden die GT-Wagen von<br />
Porsche mit eigentlich mächtigen<br />
460 PS plötzlich wie Hindernisse<br />
wirken, wenn sie von den brachialen<br />
Rennwagen der Le-Mans-<br />
Prototypen-Klasse 1 (LMP1) beim<br />
Überholen und Herausbeschleunigen<br />
aus den Kurven schlicht stehen<br />
gelassen werden.<br />
Genau das aber ist das Salz in der<br />
Suppe dieser Weltmeisterschaft –<br />
und keiner sollte glauben, mit<br />
500 PS Überschuss<br />
sei das ein leichter<br />
Job. Der dreimalige<br />
Le-Mans-<br />
Gewinner André<br />
Lotterer (33) etwa<br />
rechnet mit „zwischen<br />
vier bis zehn Überholmanövern“<br />
pro Runde im Schnitt. Kaum<br />
mal ein freier Kilometer am Stück –<br />
das verlangt nach enormer Konzentration.<br />
Die große Kunst ist es, den<br />
vorausfahrenden Kollegen aus den<br />
unteren Klassen am genau richtigen<br />
Ort zu überholen und so wenig Zeit<br />
wie nur möglich dabei zu verlieren.<br />
„Der Spirit von Le Mans<br />
kommt nach Deutschland.“<br />
TIMO BERNHARD, Le-Mans-Sieger<br />
Denn der Überholende ist es, der<br />
sich eine neue Linie suchen muss.<br />
Der Überholte hingegen – so die<br />
Regel unter den Fahrern – soll seine<br />
Linie nicht verlassen. Nur so bleibt<br />
er berechenbar.<br />
Für Timo Bernhard (34), ein<br />
Porsche-Eigengewächs, das als<br />
Leihgabe an Audi 2010 ebenfalls in<br />
den Kreis der Le-Mans-Sieger aufstieg,<br />
steht fest: „Der Spirit von Le<br />
Mans kommt nach Deutschland.“<br />
Und das zu einem günstigen Zeitpunkt.<br />
Denn die Fans hierzulande<br />
mussten <strong>2015</strong> auf einen Formel-1-<br />
Grand-Prix, der<br />
im Juli auf dem<br />
Nürburgring hätte<br />
stattfinden sollen,<br />
verzichten. Die<br />
finanziellen Engpässe<br />
dort nach<br />
jahrelanger Misswirtschaft und die<br />
hohen Forderungen von Formel-1-<br />
Promoter Bernie Ecclestone ließen<br />
das Rennen platzen. Für ein Zehntel<br />
(30 Euro) des in der Formel 1 üblichen<br />
Ticketpreises gibt es in der<br />
Langstrecken-WM an gleicher Stelle<br />
das ungefähr Vierfache an Renndauer<br />
und ein Vielfaches an Action.