Kicker 070-2015
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kicker, 24. August <strong>2015</strong> MEINUNGEN 53<br />
kicker-Kolumnisten-Kreis<br />
ULI<br />
STEIN<br />
Ex-Nationaltorhüter<br />
WM-Teilnehmer 1986<br />
Dieser HSV ist auch<br />
Labbadias Chance<br />
Wann konnte ich mich zuletzt einmal über<br />
einen Auftritt meines Ex-Klubs Hamburger<br />
SV wirklich freuen? Ehrlich gesagt, die Erinnerung<br />
fällt mir schwer. Am Samstag nun war es<br />
wieder einmal so, auch wenn natürlich gegen<br />
Stuttgart nicht gleich alles tipptopp war. Aber<br />
so, wie die HSV-Verantwortlichen darauf verweisen,<br />
dass sich der Aufschwung nur in kleinen<br />
Schritten vollziehen kann, möchte auch<br />
ich hier auf Feinheiten verweisen, die aber<br />
elementar sind. Gegen einen nicht schlechten<br />
Gegner, wie es Stuttgart war, habe ich endlich<br />
wieder ein Team auf dem Platz gesehen, das<br />
gewillt war, sich zu wehren und bedingungslos<br />
um die Punkte zu fighten. Das finde ich sehr<br />
positiv. In Ansätzen war diese Mentalität auch<br />
am 1. Spieltag in München zu sehen, ehe es mit<br />
den Gegentoren dann den Bach herunterging,<br />
was gegen den FC Bayern aber passieren kann.<br />
Bruno Labbadia ist es zu verdanken, dass der<br />
HSV überhaupt noch in der 1. Liga spielen<br />
darf. Das ist zu 90 Prozent sein Verdienst.<br />
Trotz der zwischenzeitlichen Rückschläge hat<br />
er offenbar die Begeisterung, die rund um die<br />
Relegation entstanden war, mit in die neue Saison<br />
herübergetragen. Ich hoffe, dass er diese<br />
Emotionen weiterhin aufrechterhalten kann.<br />
Sie sind gerade jetzt ein wichtiger Faktor, mit<br />
dem sich die noch vorhandene Instabilität im<br />
Mannschaftsgefüge kompensieren lässt. Die<br />
Voraussetzungen, in Hamburg etwas fundiert<br />
neu aufzubauen, sind für mich vorhanden.<br />
Und es wäre schön, wenn es Bruno Labbadia<br />
parallel dazu gelingt, seinen hier und da immer<br />
wieder aufkommenden Ruf als Kurzzeit-Motivator<br />
endgültig abzuschütteln und in den Kreis<br />
der wirklich etablierten Trainer aufzusteigen.<br />
Der HSV in dieser aktuellen Situation ist und<br />
bleibt auch Labbadias große Chance.<br />
Im HSV-Vorstand werden sie nach dem ersten<br />
Sieg auch kräftig durchgepustet haben. Nicht<br />
erfreulich, ja erschreckend ist, was in den vergangenen<br />
Wochen öffentlich zum Thema wurde<br />
– im ungünstigsten Moment freilich auch,<br />
aber so ist es ja oft im Leben. Ich will es mal so<br />
sagen: So weit unten angekommen, kann es für<br />
die Klubführung und ihr Image jetzt eigentlich<br />
nur noch aufwärtsgehen. Ich hoffe, ich werde<br />
nicht eines Schlechteren belehrt …<br />
Der kicker-Kolumnistenkreis: Sergej Barbarez,<br />
Giuseppe Bergomi, Thomas Berthold, Fredi Bobic, Marco<br />
Bode, Didier Deschamps, Eduard Geyer, Thomas Helmer,<br />
Bernd Heynemann, Jürgen Kohler, Morten Olsen, Uli Stein,<br />
Joachim Streich, Olaf Thon, Rudi Völler, Marc Wilmots<br />
kicker-Herausgeber Rainer Holzschuh dreht den<br />
SCHEINWERFER<br />
Wo liegen die finanziellen Grenzen?<br />
Das Tauziehen um den Verbleib oder Verkauf von<br />
Kevin De Bruyne hat nicht nur viele Fans irritiert,<br />
sondern auch beim VfL Wolfsburg zumindest<br />
für eine Formdelle gesorgt. Festzumachen<br />
an ihm selber, Fußball ist halt auch Kopfsache.<br />
Wenn sich Transfergerüchte des besten Mannes<br />
im Team, noch dazu aktuell „Fußballer des Jahres“,<br />
über Wochen hinziehen, dann können sich<br />
weder Vereinsführung noch Trainer oder Spieler<br />
von Diskussionen an der gemeinsamen Zielrichtung<br />
freisprechen. Ob 70 oder 80 Millionen Euro<br />
die Schmerzgrenze für den Verkauf eines Stars<br />
wie De Bruyne bedeuten, bleibt dahingestellt.<br />
Ebenso wie niemand vorhersagen kann, wie<br />
sich das Zukunftsbild des VfL mit oder ohne ihn<br />
verändert: Ist diese Irrsinnssumme so einsetzbar,<br />
dass die Wolfsburger vielleicht noch stärker werden?<br />
Werden neue Stars auf die Schnelle ohne<br />
Substanzverlust integriert? Der Fall Schürrle hat<br />
eben erst gezeigt, dass selbst ein Weltmeister<br />
nicht sofort glänzen kann.<br />
Die englische Kaufwut, bedingt durch die unfassbare<br />
Erweiterung der Pay-TV-Zahlungen neben<br />
des ohnehin ständig steigenden Investments<br />
privater Geldgeber, lässt den Markt explodieren.<br />
Ob dies dem Fußball mehr nutzt als schadet,<br />
wird die Zeit zeigen. Die spanischen Großvereine<br />
Real und Barca werden rein aus Imagegründen<br />
über kurz oder lang die Summen nochmals<br />
hochschrauben, in Italien steigen Superreiche<br />
aus Fernost mit horrenden Summen ein<br />
und garantieren damit bei Inter wie Milan eine<br />
Renaissance der personellen Einkaufsflut. Wer<br />
von den europaweit „normal“ geführten Klubs<br />
mithalten will, muss entweder über Gebühr verkaufen<br />
und/oder fachlich besonders clever handeln.<br />
Solch finanzieller Boom wirft prompt die<br />
Frage auf, zu welchen Grenzen diese Preistreiberei<br />
führen wird. 1976 überwies der 1. FC Köln<br />
als erster Bundesligist eine Million für Roger<br />
van Gool nach Brügge – D-Mark wohlgemerkt.<br />
Drei Jahre vorher hatte Barcelona umgerechnet<br />
1,9 Millionen Euro gezahlt, 1982 kostete Maradona<br />
den FC Barcelona bereits 8 Millionen.<br />
2009 streifte Real Madrid für Cristiano Ronaldo<br />
die 100 Millionen-Marke, 2013 für Gareth Bale<br />
sollen es ein paar Millionen mehr gewesen sein.<br />
Ebenso für Neymar bei seinem Wechsel nach<br />
Barcelona. Die festgeschriebene Ablösesumme<br />
für Messi liegt bei 250 Millionen, für CR7 bei<br />
einer utopischen Milliarde! Utopisch? Was ist im<br />
Fußball noch auszuschließen? Es ist unfassbar.<br />
Aber vielleicht doch irgendwann Realität? Es<br />
sei denn, ein Crash stoppt diesen Wahnsinn auf<br />
unvorhergesehene Weise!