Kicker 070-2015

kicker, 24. August 2015 95
FRAUEN-BUNDESLIGA
Herr Wörle, lange Zeit haben Sie sich in Bescheidenheit
und Zurückhaltung geübt – und sind ohne Niederlage
Deutscher Meister geworden. Gehen Sie jetzt auch als
Favorit in die neue Saison?
Nein. Wir gehen nicht als Meisterschaftsfavorit
in die Saison. Wir haben aktuell einige personelle
Probleme, viele angeschlagene Spielerinnen
und auch Spielerinnen, die länger ausfallen –
wie beispielsweise Sarah Romert, Katharina
Baunach und Lena Lotzen, die vor Kurzem
am Knie operiert werden musste. Außerdem
haben wir mehrere Nationalspielerinnen aus
unterschiedlichen Nationen im Kader, aber die
sind nach der Weltmeisterschaft in Kanada in
drei verschiedenen Gruppen zu drei verschiedenen
Zeitpunkten wieder ins Mannschaftstraining
eingestiegen. Und da ist es
eben schwer, alle auf ein
Level zu bekommen, ganz besonders
in Sachen Fitness. Aber
das gehört wohl dazu, damit müssen
wir klarkommen.
Wer ist denn Ihrer Meinung nach der Meisterschaftsfavorit?
Das ist für mich eindeutig der VfL Wolfsburg.
Die Wolfsburgerinnen sind die klare Nummer
eins - da gibt es keine Zweifel.
Warum?
Wolfsburg hat den stärksten Kader der Top-
Teams und hat finanziell deutlich mehr Möglichkeiten
als andere. Außerdem hat der VfL
einen strukturellen Vorsprung. Ich habe ja
schon im Januar gesagt, dass Wolfsburg nicht
einzuholen ist. Dabei bleibe ich auch.
Und wo wollen Sie mit Ihrer Mannschaft in der neuen
Saison landen?
Wir wollen uns in den Top 4, also neben dem
1. FFC Frankfurt, VfL Wolfsburg und Turbine
Potsdam, etablieren. Unser Ziel ist es, inhaltlich
weiter voranzukommen und uns so gut wie
möglich zu präsentieren.
Bescheidene Ziele für einen amtierenden Deutschen
Meister.
Unsere Probleme habe ich ja eben schon angesprochen.
Es ist zweifelsohne grandios, was wir
in der vergangenen Saison geschafft haben. Es
war eine große Überraschung, dass wir Meister
geworden sind. Wir haben die Liga nicht dominiert,
sind nicht durchgeflogen, sondern haben
über unseren Grenzen agiert. Wir haben sieben
Spiele sehr knapp mit nur einem Tor Unterschied
für uns entschieden. Der Teamgedanke
steht bei uns über allem, wir kommen über
das Kollektiv und kompensieren so die fehlende
individuelle Topqualität
gegenüber der Konkurrenz. Nun
haben wir uns nochmals gut und
sinnvoll verstärkt, aber an unserer
kollektiven Ausrichtung
wird sich und darf sich nichts
ändern.
Stichwort Verstärkungen: Mit der deutschen Nationalspielerin
Sara Däbritz und der spanischen Weltklassespielerin
Vero Boquete haben Sie die Qualität Ihres
Kaders noch mal deutlich erhöht.
Ich finde, dass unsere Neuzugänge, auch Nicole
Rolser und Lisa Evans, ideal zu uns passen.
Sara Däbritz hat zuletzt zwar keine allzu gute
Saison gespielt, hat dafür aber bei der Weltmeisterschaft
in Ansätzen gezeigt, welch großes
Potential in ihr steckt. Momentan ist sie jedoch
aufgrund von Krankheit und Verletzung weder
„Der Teamgedanke steht
bei uns über allem.“
einsatzfähig noch fit. Vero Boquete ist sehr erfahren
und hat eine sehr hohe Qualität, ist aber
aktuell ebenfalls verletzt. Sie hat deshalb noch
kein einziges Testspiel absolvieren können und
wird uns dementsprechend sehr wahrscheinlich
in den ersten Spielen noch nicht zur Verfügung
stehen.
Gerade der Zugang von Boquete, die vorher beim Champions-League-Sieger
1. FFC Frankfurt spielte, wurde
allgemein als Zeichen dafür gewertet, dass die Bayern
jetzt voll angreifen wollen.
Zunächst einmal: Vero Boquete hat bei uns im
Vergleich zu ihren letzten Klubs deutliche finanzielle
Einbußen in Kauf genommen und akzeptiert,
ansonsten hätten wir den Wechsel niemals
stemmen können. Sie kommt zu uns, weil sie
Bock darauf hat, unsere Mannschaft nach vorne
zu bringen und das unfertige Produkt Frauenfußball
beim FC Bayern weiter anzuschieben.
Sie reizt diese sportliche Perspektive ungemein,
ist hochmotiviert, beim FC Bayern München
anzugreifen. Vero hat eine starke Mentalität.
Ist denn seit dem Gewinn der Meisterschaft die Wertschätzung
für Ihre Mannschaft im Klub spürbar gestiegen?
Die Wertschätzung und Anerkennung innerhalb
des Vereins war bereits davor vorhanden, hat
aber, denke ich, nun nochmals zugenommen.
Und dass wir unsere Meisterschaft zusammen
mit den Männern auf dem Rathausbalkon feiern
durften, war schon eine tolle Sache!
Sie werden in der neuen Saison zum
ersten Mal in der Champions League
spielen. Wird das eine große Umstellung?
Ja, die englischen Wochen, die
uns bevorstehen, werden schon
eine Umstellung. Aber wir wollen bereit sein für
diese internationalen Spiele und freuen uns auf
die neuen Herausforderungen in der Champions
League.
Stichwort Nationalmannschaft: Während und auch
nach der Weltmeisterschaft in Kanada gab es Kritik
von Bundesligatrainern an der deutschen Mannschaft
und Bundestrainerin Silvia Neid. Von Ihnen war nichts
zu hören. Warum nicht?
Ich habe es nicht als meine Aufgabe angesehen,
mich zu diesem Thema zu äußern.
INTERVIEW: GUNNAR MEGGERS
Alle Deutschen Meister: Bayern nach fast 40 Jahren wieder an der Spitze
Stolz: Das Meister-Team um Bayern-Boss Karl-Heinz
Rummenigge auf dem Münchner Rathausbalkon
2015 FC Bayern München
2014 VfL Wolfsburg
2013 VfL Wolfsburg
2012 1. FFC Turbine Potsdam
2011 1. FFC Turbine Potsdam
2010 1. FFC Turbine Potsdam
2009 1. FC Turbine Potsdam
2008 1. FFC Frankfurt
2007 1. FFC Frankfurt
2006 1. FFC Turbine Potsdam
2005 1. FFC Frankfurt
2004 1. FFC Turbine Potsdam
2003 1. FFC Frankfurt
2002 1. FFC Frankfurt
2001 1. FFC Frankfurt
2000 FCR Duisburg
1999 1. FFC Frankfurt
1998 FSV Frankfurt
1997 Grün-Weiß Brauweiler
1996 TSV Siegen
1995 FSV Frankfurt
1994 TSV Siegen
1993 TuS Niederkirchen
1992 TSV Siegen
1991 TSV Siegen
1990 TSV Siegen
1989 SSG Bergisch Gladbach
1988 SSG Bergisch Gladbach
1987 TSV Siegen
1986 FSV Frankfurt
1985 KBC Duisburg
1984 SSG Bergisch Gladbach
1983 SSG Bergisch Gladbach
1982 SSG Bergisch Gladbach
1981 SSG Bergisch Gladbach
1980 SSG Bergisch Gladbach
1979 SSG Bergisch Gladbach
1978 SC Bad Neuenahr
1977 SSG Bergisch Gladbach
1976 FC Bayern München
1975 Bonner SC
1974 TuS Wörrstadt