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106 MIXED ZONE NACHSPIELZEIT Olympia-Verlag GmbH Badstraße 4–6, 90402 Nürnberg info@olympia-verlag.de Direktwahl für Redaktion: +49 911 216 22 42 FAX: +49 911 216 22 52 Abonnement: +49 911 216 22 22 FAX: +49 911 216 22 30 Anzeigen: +49 911 216 22 13 FAX: +49 911 216 27 39 Gegründet 1920 durch Walther Bensemann (†) Herausgeber: Rainer Holzschuh Chefredaktion: Jörg Jakob (Leitung Gesamt) Rainer Franzke (Geschäftsführend) Jean-Julien Beer (Leitung Print) Alexander Wagner (Leitung Digital) Zuständig für Kooperationen: Klaus Smentek Art Direction: Dieter Steinhauer, Sabine Klier (Stv.) 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Postmaster: Send address changes to: kicker (Mon + Thu), GLP, PO Box 9868, Englewood NJ 07631. Printed in Germany. „ Wir waren blutige Anfänger“ KARL-HEINZ RIEDLE (49) nutzt das „Sprungbrett“ Blau-Weiß 90 Berlin zu einer steilen Karriere. Wie er die Tore an jenem 23. August 1986 für Blau-Weiß 90 Berlin erzielt hat, weiß Karl- Heinz Riedle gar nicht mehr genau. „Ich glaube eins mit dem Fuß und eins mit dem Kopf.“ Doch an seine Gemütsverfassung an diesem Tag kann sich der mittlerweile 49-Jährige noch gut erinnern. Der Neuzugang vom damals in der Oberliga fristenden FC Augsburg stand in den ersten beiden Bundesligapartien des Aufsteigers in der Startelf, erzielte den Ehrentreffer beim 1:4 gegen den 1. FC Kaiserslautern und bei Bayer Uerdingen (1:2). „Und dann hat mich Trainer Bernd Hoss gegen Gladbach auf der Bank schmoren lassen“, erinnert sich Riedle, „ich war stinksauer“. Doch die Dramaturgie soll dem damals 20-Jährigen zur Hilfe kommen. Hans- Georg Dreßen und der heutige Trainer von Hannover 96, Michael Frontzeck, haben Gladbach bei einem Gegentreffer von Egon Flad bis zur Pause mit 2:1 in Führung geschossen. Blau-Weiß sieht der dritten Niederlage nacheinander und damit dem kompletten Fehlstart entgegen. Riedle sitzt angefressen und voller Ungeduld auf der Bank, „und irgendwann haben die Zuschauer meinen Namen geschrien“. In der 73. Minute erhört Hoss die Rufe der Fans und wechselt seinen Youngster für Mittelfeldspieler Horst Feilzer ein. Der Rest ist der Traum eines jeden Jokers. 81. Minute: Der ebenfalls eingewechselte Alan Clarke bringt einen Freistoß aufs Gladbacher Tor, Keeper Erik Thorstvedt lässt abprallen – und Riedle staubt zum 2:2 ab. Nachspielzeit: Diesmal serviert Clarke eine Ecke und Riedle tut, was ihn später berühmt machen und ihm den Beinamen „Air“ Stramme Oberschenkel: Riedle im Trikot von Blau-Weiß 90 einbringen wird: Er köpft zum 3:2 ein. Der Neuling feiert den ersten Bundesliga-Sieg seiner Klubhistorie, und Riedle weiß noch heute um die Bedeutung dieses Ereignisses: „Das war eine Sensation, dass wir das Spiel gedreht haben. Für Blau-Weiß war das ein Riesending, im Olympiastadion ein Bundesligaspiel gegen Gladbach zu bestreiten.“ Dem „Riesending“ folgen nicht mehr viele Erfolgserlebnisse. Genau zwei Siege landet Blau-Weiß 90 noch: am 26. Spieltag bei Eintracht Frankfurt (3:1, mit zwei Riedle- Toren) und am 32. Spieltag zu Hause gegen Waldhof Mannheim (4:1, ohne Riedle-Tor). Mit 18:50 Punkten (nach der heutigen Dreipunkte-Regel 21) ist das Abenteuer Bundesliga für die Berliner als Tabellenletzter wieder beendet. Das Oberhaus erweist sich für den Klub, der 1992 Konkurs anmelden muss und dessen Nachfolgeverein SV Blau Weiss (seit Kurzem wieder Sp.Vg. Blau-Weiß 90) heute in der siebtklassigen Landesliga spielt, als eine Nummer zu groß. „Vom Niveau her waren wir eine Zweitligamannschaft“, sagt Riedle im Rückblick. Bis auf den damals schon 32 Jahre alten belgischen Ex- Internationalen René Vandereycken und Horst Feilzer (zuvor Bayer Uerdingen) steht im Blau-Weiß-Team kein weiterer Akteur mit Erstligaerfahrung. Zudem fehlt der finanzielle
kicker, 24. August 2015 107 Unterbau. Ein Sanitär-Großhändler, der Nürnberger Hans Maringer, ist der Haupt-Geldgeber. „Im Endeffekt war nicht viel mehr drin“, stellt Riedle fest, „wir waren quasi blutige Anfänger. Aber wir hatten eine lustige Truppe.“ Für Riedle selbst ist sein erstes Profijahr sehr lohnend. Nicht nur, weil er – aus Weiler im Allgäu stammend – das damals noch geteilte Berlin „als ein echtes Erlebnis“ empfindet. Obwohl das Talent mit Trainer Hoss gelegentlich über Kreuz liegt, weil der Riedle langsam aufbauen will, bestreitet er alle 34 Begegnungen, erzielt zehn Tore und gerät in den Fokus von Werder Bremen. „Blau-Weiß war ein Super- Sprungbrett für mich“, sagt Riedle. Allerdings rechnet er nicht ansatzweise damit, eine große Karriere zu machen. „Ich hatte keine Erwartungen“, betont Riedle, „für mich war es ein Riesenereignis, dass ich Bundesliga spielen durfte. Ein Kindheits-Traum.“ Nach dem Abstieg von Blau-Weiß 90 geht Riedle nach Bremen, erzielt in seiner ersten Saison 18 Tore und reift zum Klassemann. „Bei Werder habe ich die meisten Schritte gemacht“, bekennt er, „Otto Rehhagel hat mit mir ständig an meiner Kopfballstärke, meiner Technik und meiner Ausdauer gefeilt.“ So wurde Riedle ein internationaler Topstürmer. Drei deutsche Meisterschaften (1988 mit Bremen und 1995 sowie 1996 mit Borussia Dortmund), der Vor 29 Jahren Die Hand am großen Henkelpott: Riedle und die anderen BVB-Helden im Mai 1997 WM-Titel 1990 und der Gewinn der Champions League 1997 mit dem BVB werden mit seinem Namen verbunden. Vor allem das Champions-League-Finale 1997, als Riedle maßgeblich daran beteiligt ist, dass Dortmund den haushohen Favoriten Juventus Turin 3:1 bezwingt: mit zwei Toren, eins mit dem Fuß und eins mit dem Kopf. Wie am 23. August 1986 im Trikot von Blau- Weiß 90 Berlin gegen Gladbach. ANDREAS HUNZINGER Die Macher lesen das %-Sonderheft Bundesliga 2015/16 Hans-Joachim Watzke: „Der Klassiker des kicker – schon seit Jahrzehnten für mich eine spannende Sommerlektüre.“ Das neue kicker-Sonderheft Im Handel – oder gleich bestellen: Telefon 0911-216-2222 Fotos: imago/Oliver Behrendt, imago/Hartung abpfiff. WERNER SCHNEYDER erhielt 2010 in Salzburg den „Ehrenstier“ für sein Lebenswerk. Der Schriftsteller und Kabarettist aus Österreich moderierte viele Jahre lang im ZDF das Aktuelle Sportstudio und lebt mittlerweile in Wien und Kärnten. Wenn der FC Bayern seine „starting eleven“ gegen eine zweite „Elf“ stellte (im historischen Fußball nannte man das „die Reserve“), ist keineswegs sicher, welches der Teams gewinnt. Und jede dieser beiden Mannschaften hätte auf der Bank noch sehr gute Austauschspieler sitzen. Diese zweite Garnitur, die eben keine zweite ist, genießt aber ein schönes Leben. Sie muss nur während der Woche mittrainieren und hat zum Wochenende frei beziehungsweise exklusive Gratissitzplätze in den Stadien. Und das bei vollen und, wie man weiß, opulenten Bezügen. Dennoch gilt die Situation als unbefriedigend, sowohl für die Spieler als auch für das Publikum. Denn die Spieler, die nicht drankommen, wollen ja gesehen werden – „rampengeil“ nennen Bühnenleute diese Charaktereigenschaft. Das Publikum wiederum bedauert, um den Anblick der Nichtauserwählten betrogen zu werden. Wie wäre da denn Abhilfe zu schaffen? Es lohnt sich, über den Rasenrand zu blicken und andere Sportarten zu betrachten, etwa den Autorennsport und dessen Formel 1. Da fahren die finanziell bestgestellten Teams jeweils mit zwei Wagen und zeigen mit beiden den armseligen Hinterherfahrenden das nackte Heck. Die Rennen erhalten eine zusätzliche Spannung durch die Fragen: Gibt es eine Stallorder? Sichert der zweite Pilot dem ersten den Titel? Oder triumphiert dessen Ehrgeiz über das Markeninteresse? So also, meine ich, wäre auch für „die beste Liga der Welt“ zu erwägen, den FC Bayern mit zwei Mannschaften teilnehmen zu lassen. Die hätten einen gemeinsamen berühmten Cheftrainer, der die jeweils besser platzierte Mannschaft an der Linie betreut und die andere seinem Assistenten überlässt. Würden weitere Finanzgiganten so eine Verdoppelung ebenfalls andenken, könnten die Bayern ja auch ihre Dritte … Genug des Unernstes, der aber, wie Sie hoffentlich bemerkt haben, einen ersten Kern hat. Es tut keinem Die Formel 1 als Vorbild Bayern spielt mit zwei Teams Sport gut, wenn Könner zusehen müssen, die bei der nicht so kaufkräftigen Konkurrenz unangefochtene Stars wären. Wie wäre das zu lösen? Ganz einfach. Durch ein Limit. Der Verband verpflichtet die Klubs vor Beginn der Saison – sagen wir – achtzehn Feldspieler und drei Torleute anzumelden. Die sind spielberechtigt. Im Falle einer Dauerverletzung kann ein Spieler abgemeldet und durch eine Neuverpflichtung ersetzt werden. So würde die Fußballmarktwirtschaft sozialer. So müsste zum Beispiel nicht der Mann, der Deutschland durch einen kleinen Geniestreich zum Weltmeister schoss, hoffen, dass er sich bei seinem Klub „durchsetzt“. Das ist nämlich irgendwie blödsinnig.
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