antriebstechnik 10/2016
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MOTEK <strong>2016</strong> I SPECIAL<br />
Innovation geht Hand in Hand<br />
Kleinstantriebe treiben die Prothetik voran<br />
Tiziano Bordonzotti und Ellen-Christine Reiff<br />
Schnürsenkel binden, Bettwäsche zusammenlegen, eine Chipstüte aufreißen – die<br />
Liste der Tätigkeiten, die einhändig nicht oder nur schwer zu bewältigen sind, ist<br />
unerfreulich lang. Menschen, die durch eine Amputation oder einen Unfall eine<br />
Hand verloren haben, werden täglich mit solchen Hürden konfrontiert. Um ihren<br />
Alltag zu erleichtern, sorgen leistungsstarke Kleinstmotoren in Prothesen dafür, dass<br />
die neuesten Modelle schnell oder fest zupacken können, wobei die Greifkraft beim<br />
Halten konstant bleibt.<br />
Funktionelle Prothesen kennen die meisten<br />
von uns nur aus Science-Fiction-Filmen,<br />
in denen die künstlichen Extremitäten<br />
übermenschliche Kräfte verleihen. Im<br />
echten Leben dagegen machen bionische<br />
Handprothesen ihre Träger zwar nicht zu<br />
Superhelden, sie können ihnen aber viele<br />
Tätigkeiten ermöglichen, die für andere<br />
Menschen selbstverständlich sind. Das<br />
britische Unternehmen Steeper hat dafür<br />
die kleine myoelektronische Handprothese<br />
Bebionic entwickelt. Die künstliche Hand<br />
wiegt zwischen 400 und 600 g und ist damit<br />
etwa so schwer wie eine natürliche Hand.<br />
Gesteuert wird sie durch elektrische Signale.<br />
Diese werden durch Muskelkontraktionen<br />
erzeugt und lassen sich mit Elektroden auf<br />
der Haut messen, ähnlich wie bei einem<br />
EKG in der Herzdiagnostik.<br />
Elektrische Signale<br />
für intuitive Bewegungen<br />
Zwei Elektroden, die im Prothesenschaft<br />
integriert sind, erkennen die myoelektronischen<br />
Signale und leiten diese an die Steuerungselektronik<br />
weiter, die diese Signale verstärkt<br />
und zur Aktivierung von fünf<br />
kleinen Elektromotoren nutzt, die daraufhin<br />
die Finger und Daumen bewegen – die Hand<br />
öffnet oder schließt sich. Dabei entscheidet<br />
die Stärke der Muskelkontraktion über die<br />
Geschwindigkeit und die Greifkraft: Ein<br />
schwaches Signal erzeugt eine langsame Bewegung,<br />
ein starkes Signal eine schnelle.<br />
Die Muskeln, deren Signale zum Öffnen<br />
und Schließen der Handprothese genutzt<br />
werden, sind normalerweise für die Bewegung<br />
des Handgelenks zuständig. Der Träger<br />
der Handprothese muss also lernen, dass<br />
sie nun eine andere Funktion haben. „Das<br />
menschliche Gehirn ist unglaublich anpassungsfähig.<br />
Schon nach kurzer Zeit führen<br />
die Menschen die Bewegung ebenso intuitiv<br />
durch, wie Autofahrer beim Haltewunsch<br />
auf die Bremse treten“, weiß Ted Varley,<br />
technischer Direktor bei Steeper.<br />
Mehr Motoren<br />
für mehr Kontrolle<br />
Die erste myoelektronische Hand kam<br />
bereits Anfang der 1980er-Jahre auf den<br />
Tiziano Bordonzotti, Area Sales Manager<br />
bei Faulhaber Minimotor<br />
Ellen-Christine Reiff, Redaktionsbüro Stutensee<br />
86 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>10</strong>/<strong>2016</strong>