Johannisburger Heimatbrief 2009 - Familienforschung Sczuka
Johannisburger Heimatbrief 2009 - Familienforschung Sczuka
Johannisburger Heimatbrief 2009 - Familienforschung Sczuka
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Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V.<br />
in der Küche fanden wir einen Topf<br />
und bald gab es etwas Warmes zu<br />
trinken. Um Mitternacht kamen Quartiermacher,<br />
die vor Weihnachten bei<br />
uns im Quartier gewesen waren. Sie<br />
sagten, der Russe komme immer näher,<br />
sie seinen auf dem Rückzug. Philipp<br />
hat die Pferde versorgt, wir hatten<br />
ein paar ruhige Nachtstunden.<br />
Am Morgen ging es dann weiter in<br />
Richtung Sensburg. Wir fuhren den<br />
ganzen Tag. Als es dunkel wurde, erreichten<br />
wir einen Ort 12 Kilometer<br />
vor Sensburg. Hier wollten wir die<br />
Nacht über bleiben. Außer Militär waren<br />
keine Bewohner mehr da. Mich<br />
beunruhigte der Gedanke, dass vielleicht<br />
morgen Tante Anna und Onkel<br />
Fritz schon fort sein könnten. Ich beschloss,<br />
die Nacht durch nach Sensburg<br />
zu Fuß zu gehen. Opa Matthias<br />
und Philipp sollten am nächsten Morgen<br />
nachkommen. Es wurde ein beschwerlicher<br />
Marsch. Die Straße war<br />
voller Militär. Ich musste im Straßengraben<br />
gehen. Die Schneedecke war<br />
gefroren, brach aber immer wieder<br />
ein und ich steckte bis an die Knie im<br />
Schnee. Mir war zum Heulen! – Da<br />
kam ein Schlitten mit Offizieren, der<br />
hielt an und man fragte mich, wohin<br />
ich wollte. Sie fuhren nach Sensburg<br />
und nahmen mich mit. Gott sei Dank!<br />
– Jakubassas hatten schon alles für<br />
die Flucht gepackt und warteten nur<br />
noch auf uns. Opa wollten sie mitnehmen.<br />
Ich erfuhr, dass unsere<br />
Mutter da gewesen war. Sie war mit<br />
dem Auto bis kurz vor Johannisburg<br />
gekommen, da wollte der Motor nicht<br />
mehr. Für 20 Grad Frost waren die<br />
Autos damals nicht gerüstet. Es gab<br />
noch kein Frostschutzmittel fürs<br />
Kühlwasser. Vom Militär wurde das<br />
Auto nach Johannisburg abgeschleppt.<br />
Man brachte sie zum Bahnhof,<br />
wo ein Zug für Mütter und Kinder<br />
bereitstand.<br />
<strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> <strong>2009</strong><br />
www.Kreis-Johannisburg.de<br />
Eine Flasche Schnaps – und der<br />
Zug fährt los<br />
Der Zugführer aber weigerte sich zu<br />
fahren. Mutter ließ die Kinder im Zug,<br />
lief zu den Unterständen vom Volkssturm<br />
zu ihrem Mann. Vater ist sofort<br />
mit ihr zum Bahnhof gegangen. Er<br />
nahm eine Flasche Schnaps mit, sagte<br />
dem Zugführer, er sollte sich Mut<br />
antrinken und den Zug aus der Zone<br />
rausfahren. Der tat das dann auch.<br />
Sie kamen bis Sensburg. Dann ging’s<br />
wieder nicht weiter. So ließ Mutter<br />
nochmals die Kinder im Zug und lief<br />
zu Jakubassas, um zu sagen, wenn<br />
Opa und Ruth kämen, solle Ruth<br />
bleiben und auf den Vater warten, er<br />
werde kommen und sie holen. Der<br />
Zug mit den Müttern und Kindern ist<br />
noch aus Sensburg herausgefahren.<br />
Ich übernachtete bei Jakubassas,<br />
ging aber ganz früh an die Straße, wo<br />
die Kibisser kommen mussten. Nach<br />
kurzer Zeit kamen sie an. Ich führte<br />
unsere Leute durch die Stadt zu Jakubassas,<br />
die schon auf den Opa<br />
warteten, um ihn mitzunehmen. Wagen<br />
und Pferde standen im Hof, von<br />
Philipp versorgt. So war ich allein mit<br />
dem kleinen Russen und wartete auf<br />
Vater. Am Nachmittag ging ich noch<br />
nach Mertinsdorf zu Milewskis. Tante<br />
Mariechen, ihre Tochter Anna mit den<br />
beiden Mädchen Helga und Sabine<br />
und der Onkel mit den beiden Gesellen<br />
haben sich entschlossen zu bleiben.<br />
Flammen über Sensburg. - Flucht<br />
mit Vater auf dem Motorrad<br />
Ich ging, bevor es dunkel wurde, zurück<br />
nach Sensburg zu Philipp und<br />
den Pferden. Am nächsten Tag kam<br />
Vater. Er nahm die Wagen mit den<br />
Pferden, den Philipp und mich mit in<br />
das Quartier zum Volkssturm. In einer<br />
Wohnsiedlung am Stadtrand woll-<br />
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