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Johannisburger Heimatbrief 2009 - Familienforschung Sczuka

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Fleischfasern (Pferd) schwammen.<br />

Man wurde gerade satt ohne Appetit.<br />

Beliebtes Thema in den Pausen war<br />

natürlich gutes Essen, feinste Küche,<br />

köstliche Menüs wurden zusammengestellt.<br />

Saftige Braten vom Rind und<br />

Schwein, Fisch- und Geflügelspeisen.<br />

Die süßesten Torten wurden zusammengestellt,<br />

appetitliche Schinkenbrote.<br />

Uns lief das Wasser im Munde zusammen.<br />

Langeweile kam nicht auf.<br />

Leben ohne Uhr<br />

Mit einigen Mitarbeitern hatte ich<br />

zum Überleben ein kleines Feldstück<br />

mit Gemüse angebaut. Bei der Arbeit<br />

verlor ich meine einzige Armbanduhr,<br />

die ich noch von zu Hause (Rogallen)<br />

gerettet hatte.<br />

Ich war sehr unglücklich. Immer wieder<br />

ging ich an das Gemüsebeet,<br />

hackte und harkte und suchte – ohne<br />

Erfolg. So musste ich mich denn auf<br />

meine innere Uhr verlassen.<br />

Im Frühjahr und Sommer lief es eigentlich<br />

ohne Verspätungen. Meistens<br />

kam ich zu früh zum Dienst. Im<br />

Herbst und Winter, bei langen Nächten<br />

und kurzen Tagen wurde es<br />

schwierig. Es passierte, dass ich aufwachte,<br />

mich anzog und zum Dienst<br />

ging. Die Straßen waren leer, und es<br />

herrschte ein beängstigende Stille.<br />

Ich ging bis zum Rathaus. Die Uhr<br />

zeigt kurz nach Mitternacht.<br />

Ich erzählte mein Problem den Brandenburgern.<br />

Mutter Wolter half bereitwillig<br />

mit einer Nachttischuhr (sogar<br />

mit Wecker). Nun konnte ich ruhig<br />

schlafen.<br />

Hungerjahre<br />

1947/48 war der Winter besonders<br />

kalt und lang. Es hieß, die Polizei öffnete<br />

die Wohnungen, in denen alte<br />

Menschen oft halb erfroren und verhungert<br />

dahinvegetierten. Sie wurden<br />

dann von der Volksküche mit Rüben-<br />

90<br />

Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V.<br />

<strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> <strong>2009</strong><br />

eintopf versorgt. Soweit sie bei Kräften<br />

waren, wurden sie hingebracht.<br />

Die Jüngeren liefen in der Erntezeit<br />

auf die Felder und stoppelten Getreideähren<br />

und natürlich Kartoffeln und<br />

Rüben. Die Familien mit wachsenden<br />

Kindern hatten es schwer, deren<br />

Hunger zu sättigen.<br />

Als die Hungerjahre vorüber waren,<br />

atmete alles auf. Eine Mutter von drei<br />

gesunden, sportlichen Jungen sagte:<br />

„Länger hätte ich das Stoppeln nicht<br />

mehr durchgehalten, wie gut, dass es<br />

Lebensmittel zu kaufen gibt.“<br />

Gänseklau 1947<br />

Damals war ich in Halle an der Saale<br />

zur Weiterbildung und wohnte in einem<br />

möblierten Zimmer im Erdgeschoss<br />

bei einer Kriegerwitwe mit einem<br />

etwa achtjährigen Jungen.<br />

Es war Winter. Am Balkon im 4. oder<br />

5. Stock hing eine Bratengans. Meine<br />

Vermieterin schimpfte: „Wie kann<br />

man bloß in dieser Hungersnot den<br />

Menschen, die ums Überleben kämpfen<br />

müssen, so etwas antun? Unter<br />

uns gesagt, ich hoffe, dass diese<br />

Gans bald verschwindet und wir sie<br />

nicht immer ansehen müssen!“<br />

Am nächsten Morgen hörten wir Gezeter<br />

im Treppenhaus: „Die Gans ist<br />

weg, die Gans ist weg!“<br />

Die Menschen, die ihre Nasen aus<br />

den Türen gesteckt hatten, zogen<br />

sich wieder still zurück.<br />

Meine Wirtin lachte. Wie es der Dieb<br />

geschafft hatte, auf den Balkon zu<br />

klettern, bleibt sein Geheimnis. Im<br />

Haus machte man schadenfrohe Bemerkungen.<br />

Jedenfalls war die allgemeine<br />

Sympathie auf der Seite des<br />

Diebes. Man wünschte ihm und seinen<br />

Helfern einen guten Appetit.<br />

Ende des Berichtes.<br />

www.Kreis-Johannisburg.de

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