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Johannisburger Heimatbrief 2009 - Familienforschung Sczuka

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Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V.<br />

Wohnraum. Es waren dort schon einige<br />

Familien vor uns untergebracht.<br />

Elfriede erhielt ein schön ausgestattetes<br />

Schlafzimmer, Hedwig bekam<br />

zwei Kammern. Eine zum Schlafen<br />

für die Kinder und eine zum Wohnen<br />

mit Sofa. Dort stand ein Ofenherd.<br />

Man konnte auf der Feuerstelle Eintopf<br />

kochen. Das war viel wert. In<br />

der Gutküche mussten sich die<br />

Flüchtlinge die Kochzeiten einteilen.<br />

Nach uns kamen noch mehr Flüchtlinge.<br />

Es wurde eng, hungern aber<br />

brauchten wir nicht. Es gab Lebensmittelkarten<br />

und Grütze und frische<br />

Milch für die Kinder vom Gutshof.<br />

Der Gutsverwalter und die Arbeiter<br />

vom Hof, im Stall und im Speicher<br />

waren human gegen die Flüchtlinge,<br />

auch in der Versorgung. Nur das<br />

Wort „Flüchtlinge“ hatte nicht gerade<br />

einen guten Klang.<br />

Ja, die liebe Hedwig hat sich in ihrem<br />

Zustand sehr tapfer gehalten. Am 17.<br />

April 1945 ist Jürgen in einem Lübecker<br />

Krankenhaus geboren worden.<br />

Der Krieg war noch nicht zu Ende.<br />

Eines Tages, ich war gerade im Dorf<br />

unterwegs, hieß es, das Gutshaus<br />

sollte von den Engländern besetzt<br />

werden. In wenigen Stunden mussten<br />

wir das Haus räumen, aber wohin?<br />

Im Kuhstall wurde ein Strohlager<br />

gemacht, und wir zogen in den Stall.<br />

Das Vieh war schon auf der Weide.<br />

Elfriede und die Kinder wurden von<br />

der guten Anni Timmermann aufgenommen.<br />

Aus Cramers Lauenburger Gästebuch<br />

20.2.1945: Der böse Krieg führte<br />

auch mich hierher mit meinen beiden<br />

Kindern. Durch Frau Lotte Cramer<br />

habe ich hier eine Zufluchtstätte gefunden.<br />

Für die viele Mühe und die<br />

freundliche Hilfe sage ich meinen<br />

herzlichen Dank.<br />

Hedwig durfte mit ihrem Baby<br />

freundlicherweise im Melkerwohn-<br />

<strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> <strong>2009</strong><br />

www.Kreis-Johannisburg.de<br />

haus auf dem Sofa schlafen. Dort<br />

krabbelten schon 4 bis 5 eigene Kinder<br />

herum. Es war Frühling und gutes<br />

Wetter. Wir bekamen in der Schmiede<br />

eine Feuerstelle zum Kochen. Wir<br />

Stallbewohner, darunter Frau Andrich<br />

mit Kindern, ich mit Brigitte und Gisela,<br />

wir haben uns dort notdürftig<br />

versorgt. Unglücklich waren wir darum<br />

nicht. Wir waren ja in Sicherheit.<br />

Gesorgt aber haben wir uns um alle<br />

Angehörigen, die im Felde oder in<br />

Krieggefangenschaft waren, und hatten<br />

Angst vor Todesnachrichten. Von<br />

unserer Mutter hatten wir keine<br />

Nachricht. Ich hatte wegen Mutter<br />

kein gutes Gewissen. Aber wer weiß,<br />

wie es mir ergangen wäre, wenn ich<br />

bei ihr geblieben wäre?<br />

Die Kriegsgefangenen der Familie gaben<br />

ihre Lebenszeichen an Ludwig<br />

Cramers Elternhaus an Hermine<br />

Cramer. Sie und Elfriede warteten<br />

vergeblich auf ein Lebenszeichen von<br />

Sohn und Mann Ludwig. Auch die<br />

ganze Jeroschfamilie war sehr traurig.<br />

Die englische Besatzung rückte ab.<br />

Wir zogen wieder ins Haus. Bald darauf<br />

kamen polnische Offiziere aus<br />

England ins Gutshaus. Sie wurden<br />

von der Gutsküche versorgt. Sie waren<br />

den Flüchtlingen nicht feindlich<br />

gesonnen. Mit großer Sorge verfolgten<br />

sie die politische Entwicklung in<br />

ihrer Heimat. Viele von ihnen sind in<br />

Deutschland geblieben. Andere zog<br />

es zu den Angehörigen. Mit gemischten<br />

Gefühlen und großen Ängsten<br />

verabschiedete sich ein ehemaliger<br />

polnischer Gutsbesitzer nach der Entlassung,<br />

um in seine Heimat zurückzukehren.<br />

Sie wussten, dass ihr Land<br />

kommunistisch wurde, und ahnten<br />

nichts Gutes für ihre Angehörigen.<br />

Mutter auf der Flucht<br />

Henriette Jerosch war damals 56 Jahre<br />

alt. Im Januar 1945 waren die

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