Johannisburger Heimatbrief 2009 - Familienforschung Sczuka
Johannisburger Heimatbrief 2009 - Familienforschung Sczuka
Johannisburger Heimatbrief 2009 - Familienforschung Sczuka
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Per Bahn ging es weiter in Richtung<br />
Brandenburg /Havel zum Sohn Otto<br />
mit Familie. Dort erreichte sie ein<br />
Trauerhaus. Ursels einziger Bruder<br />
war noch in den letzten Kriegstagen<br />
bei den Kämpfen um Berlin gefallen,<br />
der Vater wurde abgeholt und ist nie<br />
wiedergekehrt. Lebensmittelkarten<br />
gab es so gerade zum Überleben,<br />
aber nicht für Mutter. Sie musste von<br />
der Familie miternährt werden. Ursel<br />
hat das Essen ganz gerecht für alle<br />
eingeteilt, und Bruder Otto ging über<br />
Land, um ein paar Kartoffeln zu erbetteln.<br />
Meistens kam er geschwächt<br />
und mit leeren Händen zurück.<br />
Aber dann erschien ein Lichtblick:<br />
Aus Arfrade kam die Nachricht von<br />
der Cramer / Kühn – Familie. Dort<br />
gab es Essen satt, sogar Kuchen zum<br />
Kindergeburtstag.<br />
Das Schönste war die Vorfreude auf<br />
das Wiedersehen mit den Kindern<br />
und Enkeln. Das gab ihr die Kraft, die<br />
Strapazen auf sich zu nehmen. Der<br />
Zugverkehr zwischen der Sowjetzone<br />
und dem Westen war mit einigen<br />
Grenzhindernissen noch möglich.<br />
Sie erreichte Lübeck-Stockelsdorf. Zu<br />
Fuß ging es weiter in Richtung Arfrade.<br />
Einen Kutscher fragte sie nach<br />
dem Weg. Sie hatte Glück, es war<br />
Bauer Kamerich aus Arfrade, der sie<br />
bis zum Arfrader Hof brachte, denn<br />
er war ja Nachbar. Die Freude war<br />
groß, obwohl es eng wurde. Aber<br />
man war damals bescheiden.<br />
So nach und nach kamen die Kriegsgefangenen<br />
aus Ost und West: Fritz<br />
Jerosch, Kurt Kordaß. Wilhelm Kühn<br />
aus dem Osten, Ulrich Jakubassa aus<br />
dem Westen (England).<br />
Der Wohn- und Lebensraum wurde<br />
immer enger. Sogar im Bad wurden<br />
zwei Betten übereinandergestellt.<br />
Die Heimkehrer suchten alle einen<br />
beruflichen Neubeginn. Es war eine<br />
schwierige Zeit, aber ohne Ängste in<br />
der Freiheit. Wie gut, dass diese Ge-<br />
84<br />
Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V.<br />
<strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> <strong>2009</strong><br />
www.Kreis-Johannisburg.de<br />
neration das nicht erlebt hat und es<br />
nicht nachvollziehen kann.<br />
Die etwa 50-jährigen haben gewiss<br />
Kindheitserinnerungen an das bescheidene<br />
Leben: Auf den Feldern<br />
Rüben hacken, Erbsen und Bohnen<br />
pflücken, Kartoffeln stoppeln, Ähren<br />
lesen usw.<br />
Noch ein Schlusswort zu unserer Mutter<br />
und Oma: Im ersten Weltkrieg<br />
war sie schon einmal auf der Flucht<br />
gewesen, aber sie konnte in die Heimat<br />
zurückkehren. Im 2. Weltkrieg,<br />
etwa 30 Jahre später, wieder Flucht<br />
und Vertreibung – keine Rückkehr in<br />
die Heimat.<br />
Das ist nur ein Beispiel für das<br />
Schicksal von Millionen Menschen aus<br />
den Ostgebieten, aus Ostpreußen,<br />
Pommern, Schlesien.<br />
Kriegsopfer<br />
2. Weltkrieg: 1. September Kriegserklärung<br />
an Polen. Polenfeldzug. Hitlers<br />
Ruf: „Es wird zurückgeschossen“<br />
musste gehorcht und befolgt werden.<br />
Einberufungen an die Front flatterten<br />
in die Familien. Schütze Otto Jerosch<br />
(unser Bruder) kam gleich an die<br />
Front. Nach ein paar Wochen erhielt<br />
unsere Mutter die Nachricht, dass<br />
Sohn Otto am rechten Arm verwundet<br />
sei und in Königsberg im Lazarett<br />
behandelt werde: Durchschuss am<br />
rechten Arm. Der Kriegseinsatz war<br />
für ihn beendet. So manch ein Frontsoldat<br />
hat sich diesen „Heimatschuss“<br />
gewünscht. Das war im Krieg ein<br />
Glücksfall. Leider trafen dann aber<br />
Nachrichten vom „Heldentod“ in der<br />
Verwandtschaft ein:<br />
+ Vetter Erwin Jakubassa vom Feindflug<br />
nicht zurückgekehrt.<br />
+ Vetter Max Jerosch, einziger Sohn,<br />
gefallen an der Ostfront.<br />
+ Vetter Otto Krupinski, gefallen in<br />
Norwegen.