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Viertes Bayerisches Forum Suchtprävention - Landeszentrale für ...

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1. Je reicher, desto dünner – Gesellschaftliche Faktoren und Schönheitsideal<br />

Ess-Störungen sind ein Phänomen der reichen Industriegesellschaften, der Überflussgesellschaften.<br />

Doch wodurch zeichnet sich diese Gesellschaft aus?<br />

Eine durchschnittliche Miss Germany – so ist immer wieder ausführlich in den Zeitungen<br />

zu lesen – bringt bei einer Größe von 1,75 m ein Gewicht von 50 kg auf<br />

die Waage. Dies entspricht einem Body-Mass-Index (BMI) 2 von 16,3. Unter anderen<br />

Umständen würde einer solchen jungen Frau dringend zu einem Arztbesuch<br />

wegen deutlichen Untergewichtes geraten. Hier zeigt sich ein Paradoxon, mit dem<br />

wir es in diesem Feld zu tun haben: Die kulturelle Idealvorstellung einer gesunden<br />

(und schönen) jungen Frau liegt dem psychopathologischen Erscheinungsbild von<br />

Ess-Störungen gefährlich nahe.<br />

Das Streben nach Schönheit gab und gibt es in jeder Gesellschaft. Schönheitsideale<br />

wandeln sich im Laufe der Zeit und sind natürlich kulturspezifisch. Sie dienen<br />

auch dazu, Geschlechtlichkeit zu symbolisieren. Ein Zusammenhang zur gesellschaftlichen<br />

Stellung der Frau ist allerdings zu allen Zeiten deutlich feststellbar.<br />

Unser Schönheitsideal konterkariert die so genannten neuen weiblichen<br />

Freiheiten, die die Modernisierung mit ihren individualisierten und pluralisierten<br />

Lebenslagen hervorgebracht hat, durch das Diktat einer mädchenhaften, d.h.<br />

nicht erwachsenen Figur. Mädchen müssten ihre normale körperliche Entwicklung<br />

während der Pubertät eigentlich stoppen, um diesem Ideal gerecht zu werden bzw.<br />

bei diesem Ideal zu bleiben.<br />

Es lässt darauf schließen, dass sich zwar die Erscheinungsweisen, nicht aber die<br />

dahinter liegenden Strukturen verändert haben. Sind Korsett und Reifrock als externe<br />

Hilfsmittel zur „ästhetischen Aufbereitung“ nicht einfach ersetzt worden<br />

durch interne Zwänge wie Diäthalten und Fitness? (vgl. Stahr u.a. 1995,17) Die<br />

„Dünne im Kopf“, die Mädchen und Frauen auf diese Weise mit sich tragen, richtet<br />

viel Unheil an, denn sie produziert Misserfolgs- und Minderwertigkeitsgefühle, lähmt<br />

die Aktivität – und ist immer hungrig. Die Folge ist oft der Kampf gegen sich und den<br />

Körper durch Abmagerungskuren.<br />

2. Die Lebensphase Pubertät zwingt durch die körperliche Entwicklung zur<br />

Auseinandersetzung mit Weiblichkeitsidealen<br />

Die Pubertät bedeutet eine neue, zweite Beheimatung im biologischen wie im sozialen<br />

Geschlecht. Der Körper verlangt geradezu die Auseinandersetzung mit<br />

Weiblichkeit und den damit verbundenen Bildern sowie Ansprüchen und individueller<br />

Ausgestaltung.<br />

Die Pubertät ist <strong>für</strong> Mädchen rein körperlich durch einen eklatanten Zuwachs an<br />

Körperfettanteilen gekennzeichnet (beispielsweise setzt die Menstruation erst bei<br />

einem Fettanteil von ca. 24% des Körpergewichts ein), während Jungen eher<br />

Muskelgewebe aufbauen. Das heißt, dass die körperliche Entwicklung in der Pubertät<br />

Mädchen eher vom kulturell geformten Schönheitsideal entfernt, während<br />

Jungen eher dazu hingeführt werden. Das bedeutet <strong>für</strong> Mädchen sehr oft ein Gefühl<br />

von Versagen des eigenen Körpers. Es beginnt der Krieg gegen weibliche<br />

Rundungen, der nur verloren werden kann. Dementsprechend sind die wenigsten<br />

Mädchen mit ihrem Körper zufrieden. Sie empfinden Leid und Verzweiflung, weil<br />

sie sich zu dick fühlen. Sie halten das Leben erst dann <strong>für</strong> lebenswert und sich<br />

selbst <strong>für</strong> liebenswert, wenn sie sich den richtigen Körperumfang erhungert oder<br />

erarbeitet haben. Als zentrales Lebensgefühl ergibt sich <strong>für</strong> viele daraus: „So, wie<br />

ich bin, stimme ich nicht.“<br />

2 Zu Definition und Berechnung des Body Mass Index vgl. S. 83<br />

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