Erzähl mal! Der stille Zeuge - Literaturmachen
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52 <strong>Der</strong> <strong>stille</strong> <strong>Zeuge</strong><br />
„Was denn zum Beispiel? Ich sehe nichts, wo eine Veränderung nötig ist,“<br />
meinte Mr. Brown.<br />
„Zum Beispiel Annika und Max, sie schlugen sich brutal, und keiner der<br />
vielen Betreuer, die vorbei liefen und alles beobachtet hatten, unternahmen<br />
etwas dagegen. Das ist sehr schlecht…“<br />
„So, jetzt halten Sie <strong>mal</strong> den Mund. Ich sehe hier keinen Grund etwas zu<br />
unternehmen, und deshalb bleibt auch alles so, wie es ist“, sagte Mr. Brown<br />
nun mit erhobener Stimme.<br />
„So, und jetzt halten Sie auch <strong>mal</strong> den Mund, denn wenn sich hier nicht<br />
schleunigst etwas ändert, dann werde ich das tun, verstanden?“<br />
Wütend verließ Jack das Büro und knallte die Türe hinter sich zu. Ganz<br />
außer sich und zugleich auch traurig, Dave nicht helfen zu können, ging er<br />
auf sein Zimmer. Alleine und eingeschlossen blieb er den restlichen Tag dort<br />
und überlegte, was er nun tun könnte, da ja keiner auf ihn hören wollte. Wie<br />
sehr und wie oft, dachte sich Jack, wurde er selbst früher gehänselt, ausgelacht,<br />
beleidigt, belästigt. Und wie er darunter gelitten hatte!<br />
Das drang Jack nun immer stärker ins Bewusstsein. Er wollte nicht, dass<br />
Dave nun das Gleiche mitmachen musste wie Jack selbst. Er wollte schleunigst<br />
etwas ändern, und das schon sehr, sehr bald. Und er hatte auch schon<br />
eine kleine Vorstellung, was das sein würde.<br />
Jack hörte nun das Quietschen der Türe des Speisesaals.<br />
„Mist“, schrie Jack, „ich habe vergessen, die Türe zu reparieren!“<br />
Simon Michel: Kapitel 14 53<br />
Simon Michel<br />
Kapitel 14<br />
Eines Nachts wachte Dave auf. Er meinte er hätte Schreie gehört. Ein leises,<br />
unterdrücktes Schreien. Schnell bekam er Angst und zog sich die Bettdecke<br />
bis zu seinem Kinn hoch. Ihm wurde auf ein<strong>mal</strong> unheimlich. Alles war so<br />
still, es war eine Toten<strong>stille</strong> in seinem Zimmer. Er blickte sich schnell um<br />
und schaute hinter sich. Doch er sah nur die Wand. Als er ein Rascheln<br />
hörte, befiel in die Angst und er blickte in seinem Zimmer herum. Alles<br />
war still und die anderen Kinder schliefen alle. Er wollte nach seinem Teddy<br />
greifen, doch er fand ihn nicht. Er drehte seinen Kopf herum und sah im<br />
Mondschein, dass er weg war.<br />
Kurze Zeit später hörte er wieder diese Geräusche. Sie kamen aus dem Flur.<br />
Er richtete sich auf und sah in Richtung Tür. Dort war alles dunkel.<br />
Nach einem kurzen Zögern setzte er einen Fuß auf den kalten Boden. Dann<br />
kam der zweite Fuß und er wusste nicht, wie ihm geschah, aber seine Füße<br />
schienen am Erfrieren zu sein. Eine unglaubliche Kälte umfasste seine Füße.<br />
Er wimmerte auf und sprang zurück ins Bett. Er schaute sich um, ob einer<br />
der anderen wach geworden war. Doch alle schliefen tief und fest.<br />
Er überlegte sich, wann und wie der Teddy weggekommen sein könnte. Im<br />
fiel nichts ein. Er wusste nicht, wo er sein konnte. Doch eins wusste er ganz<br />
sicher: Jemand musste ihn weggenommen haben.<br />
Er dachte an die anderen Kinder. Ob sie jetzt vielleicht noch wach waren<br />
und ihn <strong>mal</strong> wieder ärgern wollten und ihm Angst einjagen?<br />
Nach weiteren Geräuschen im Flur verschwanden jedoch die Gedanken.<br />
Man merkte ihm an, wie viel Angst er hatte. Er wurde ganz bleich, wusste<br />
nicht, wie ihm geschah, doch da stand er schon mitten im Zimmer.<br />
Er schlich auf seinen Zehenspitzen bis zur Tür. Als er vor ihr stand, merkte<br />
man ihm die Angst an, die er hatte, weil er nicht wusste, was auf ihn warten<br />
würde. Ob vielleicht ein Monster hinter der Tür war oder ein Betreuer, der<br />
einfach nur gestolpert war und am Boden lag? Oder etwa ein Einbrecher, der<br />
gerade versuchte die Tür zum Büro aufzumachen?