Erzähl mal! Der stille Zeuge - Literaturmachen
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84 <strong>Der</strong> <strong>stille</strong> <strong>Zeuge</strong><br />
Marco Gräther<br />
Kapitel 25<br />
Das Versteck unter der Treppe, das Jack ihm gezeigt hatte, war so perfekt,<br />
dass er von den Polizisten nicht gefunden werden konnte.<br />
Gott sei Dank gab es den Geheimausgang, durch den er fliehen konnte. Dave<br />
erhoffte sich von dieser Flucht, endlich frei zu sein von diesem Horrorhaus.<br />
In dem Haus, in dem er immer wieder geärgert worden war und in dem er<br />
nie Hilfe bekommen hatte. Als er fast schon draußen war, hielt er inne. Er<br />
wurde sich bewusst, dass er, bevor er frei sein konnte, erst noch über die<br />
Fußballwiese musste, um in den halbwegs sicheren Wald zu gelangen. Dave<br />
schaute nach rechts, nach links, die ganze Wiese entlang, um sicher zu sein,<br />
dass er ungesehen in den Wald kam und nicht doch noch von den Polizisten<br />
oder dem Mörder entdeckt wurde.<br />
Als er es für sicher empfand, rannte er einfach so schnell er konnte über<br />
die Wiese, die für diese späte Stunde schon sehr feucht war, bis er in den<br />
rettenden Wald kam.<br />
Dort angekommen, immer noch ängstlich, überall den lauernden Mörder<br />
zu sehen, rannte er einfach weiter, bis er sich übergab und stehen bleiben<br />
musste. Wie lange er schon in diesem finsteren, dunklen und unheimlichen<br />
Wald voller Laub am Boden lief, wusste er nicht. Da er sich nicht an die<br />
Sonne halten konnte, die vollkommen von den riesigen Bäumen verschluckt<br />
wurde, hatte er keinerlei Orientierung.. Es konnte sein, dass es eine Woche<br />
war, oder aber auch schon drei Wochen, aber das vermochte er nicht mehr<br />
zu sagen.<br />
Als er jedoch hin und wieder an eine Lichtung kam, ging er nie aus dem<br />
Schatten der Bäume, um sich versteckt zu halten. Er hatte immer noch<br />
Angst, dass der Mörder hier irgendwo auf ihn lauern würde. Auf den Lichtungen<br />
war, Gott sei Dank, keine Menschenseele zu sehen, es schien einfach<br />
nur die Sonne.<br />
Da Dave nun auch kräftig der Hunger plagte, war er ganz froh, ein paar<br />
Nüsse zu essen, die er fand. Nur gut, dass die nervigen und stets neugie-<br />
Marco Gräther: Kapitel 25 85<br />
rigen Eichhörnchen immer wieder ein paar Nüsse verloren. Genauso wie<br />
die Früchte, die auf dem Boden lagen und die von den Wildschweinen nicht<br />
zertrampelt wurden. Aber richtig satt, wie nach einem guten Schnitzel oder<br />
einem Kartoffelsalat, wurde Dave natürlich nicht. Von den Gedanken an<br />
richtiges Essen wurde er nur noch hungriger, also schob er diesen Gedanken<br />
weit weg und versuchte, besser zu verstehen, was passiert war. Manch<strong>mal</strong><br />
fand er auch eine saubere Stelle in dem Fluss, wo er seinen Durst löschen<br />
konnte. Das war nicht immer so, die Geschwindigkeit des Flusses veränderte<br />
sich von reißend bis hin zu plätschernd. Manch<strong>mal</strong> war der Fluss auch<br />
ziemlich verschmutzt, viel Schlamm kam ihm da entgegen.<br />
Sein Nachtlager hatte er in einer sehr seltenen Baumformation gefunden, in<br />
der es nur einen Ein- und Ausgang gab. Dort konnte er sich halbwegs sicher<br />
fühlen, auch wenn die immer wieder am Eingang vorbeihuschendem Schatten<br />
ihm Angst machten. Einer dieser Schatten kam in seinen Unterschlupf,<br />
ohne sich Dave auch nur eine Sekunde anzuschauen. Doch Dave war das<br />
nicht geheuer, dass ein Kaninchen sich einfach in seinem Schlafplatz breit<br />
machte. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als das Kaninchen machen<br />
zu lassen, weil es immer wieder nach Dave schnappte. Dave war zum Glück<br />
schneller als das Kaninchen und konnte so eine Bisswunde verhindern. Das<br />
hätte ihm noch gefehlt, in seinem Zustand gebissen zu werden. Vor lauter<br />
Erschöpfung schlief er ein.<br />
Als er am nächsten Morgen aufwachte bemerkter er sofort etwas Flauschiges<br />
an seinen Füßen. Er wusste noch, dass er aus dem Waisenhaus mit Schuhen<br />
geflüchtet war, aber er hatte sie im Laufe der Zeit weggeworfen, weil sie<br />
durch das Rennen im Wald durchlöchert waren. Er schaute sich das flauschige<br />
Etwas an, sah das Kaninchen. Anscheinend war es über Nacht etwas<br />
zutraulicher geworden und hatte bei ihm Schutz gesucht. Natürlich war es<br />
immer noch scheu.<br />
Dave nannte es Moriz. Er bemerkte einen Spreißel in Moriz’ rechter, ungekämmter,<br />
verfilzter Hinterpfote. Dave versuchte ihn dann zu entfernen, was<br />
ihm auch gelang.<br />
Moriz war so außer sich vor Freude, dass er Dave gleich schleckte. So folgte<br />
Moriz jetzt Dave überall hin. Da Dave jetzt keine Nüsse oder Früchte mehr<br />
fand, war er gezwungen, seinen Unterschlupf zu verlassen. Völlig am Ende<br />
seiner Kräfte schlief er unter einem halbwegs sicheren Baum ein. Er hatte<br />
Moriz im Arm, mit einem Gefühl von Freundschaft. Er träumte von Stimmen<br />
und etwas, das ihn wecken wollte.