Erzähl mal! Der stille Zeuge - Literaturmachen

56 Der stille Zeuge
„Haben Sie sich gestern mit ihr unterhalten?“, fragte er mit einem eindringlichen
Blick.
„Ja, wir haben über eines der Kinder geredet“, sagte Jack locker.
„Über wen?“
Michael legte seinen Kuli aus der Hand.
„Über Dave.“
Langsam wurde er zögerlicher mit seinen Antworten. Hatte er mit Mrs. Nowaks
Verschwinden zu tun?
„Mögen Sie ihn? Mag sie ihn? Hatten sie einen Konflikt?“
Michael lehnte sich erwartungsvoll im Stuhl zurück. Jack überspielte seine
Unruhe gekonnt, doch durch ein kleines Loch in der Wand konnte Dave
sehen, wie seine Finger unruhig aber lautlos gegen die Rückseite des Stuhls
tippten.
„Ich mag ihn sogar sehr. Sie hatte wohl keinen engen Bezug zu ihm, aber wir
haben uns nicht gestritten.“
Michael sah kurz an die Decke und dachte nach.
„Könnte ich mit dem Jungen sprechen?“
Jack sah erleichtert aus, als er sagte: „Ich hole ihn!“
Dave rannte um die Ecke, um dann wie durch Zufall in der Nähe zu sein,
damit nicht auffiel, dass er sie belauscht hatte.
Jack kam mit seinem freundliche Lächeln auf ihn zu.
Jack sagte zu ihm: „Na, Kleiner. Wie geht’s dir?“
„Gut. Dir? Was ist denn?“, fragte er mit einem breiten Lächeln.
Er ging in die Knie, um auf Daves Höhe zu sein.
„Mir geht’s auch ganz gut. Der Polizist will mit dir reden, aber du brauchst
keine Angst zu haben. Du hast nichts getan. Er stellt dir nur ein paar Fragen.“
Wie kam er darauf, dass Dave Angst hatte? Mit einem breiten Lächeln sagte
er: „Ich habe keine Angst.“
Der Polizist winkte ihm zu. Er ging zu ihm. Er schloss die Tür hinter sich
und setzte sich ihm gegenüber hin.
Michael: „Hallo, du bist David, nicht wahr? Ich heiße Michael“, sagte er mit
einem warmen Lächeln.
Dave ließ sich in den Stuhl fallen
„Hallo, ja. Was wollen Sie?“
Nun blickte der Polizist ernst.
Paula Schmidt: Kapitel 15 57
„Ich wollte dir ein paar Fragen stellen. Magst du Jack sehr?“
Dave: „Ja. Er ist der Einzige, der nett zu mir ist. Die anderen Kinder ärgern
und schlagen mich immer, und den Betreuern ist es egal. Aber Jack nicht. Er
hilft mir als Einziger.“
Michael überlegte kurz. „Wie hat Mrs. Nowak sich dir gegenüber verhalten?“
Dave antwortete traurig. „Sie war meist sehr abweisend. Ich musste mich
selbst gegen die Anderen wehren.“
Dave musste daran denken, wie ihn die anderen schikanierten, mit Stöcken
schlugen, ihn in den Dreck schubsten... Ihm stiegen Tränen in die Augen,
aber er schluckte sie schnell wieder runter.
Michael schaute ihn ernst an.
„Hmm, hat Jack sich darüber aufgeregt?“
Dave antwortete eilig: „Nein! Darf ich jetzt zur Schule gehen?“
Michael lächelte. „Danke, das reicht mir. Viel Spaß in der Schule.“