Erzähl mal! Der stille Zeuge - Literaturmachen
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80 <strong>Der</strong> <strong>stille</strong> <strong>Zeuge</strong><br />
Philipp-Sebastian Meyer<br />
Kapitel 24<br />
Als Dave aufwachte, herrschte eine grauenvolle Stille. Überall war es dunkel.<br />
In der Ferne sah er ein schwaches Licht. Irgendwo brannte noch eine<br />
Kerze.<br />
Er bemerkte, dass es kein Traum war. Er presste die Augen zusammen und<br />
tastete sich vorwärts. Als er auf etwas Glattem ausrutschte, fiel er über ein<br />
totes Mädchen. Entsetzt riss er die Augen auf. Überall war Blut. Lisa lag vor<br />
ihm auf dem Boden, aus ihrem Hals ragte ein Messer, die weißen Wände<br />
waren voller Blut.<br />
Dave geriet in Panik. Was, wenn der Mörder noch in der Nähe war?<br />
Schnell stand er wieder auf. Seine Beine und Hände waren voller Blut. Er<br />
rannte in den Waschraum, um sich das Blut abzuwaschen. Er drehte den<br />
Wasserhahn auf und ließ das kalte Wasser über seine Hände laufen. Schließlich<br />
spritzte er einige Hände voll in sein heißes Gesicht. Er wusch sich die<br />
Hände und ging dann hinüber zur Wanne, um seine Beine zu waschen.<br />
Als er näher kam, sah er Max in der Wanne liegen. Das Wasser war rot von<br />
dem Blut. Er lag mit dem Gesicht nach unten im Wasser. Wieso lag er im<br />
Wasser? Dave drehte den Jungen um. Weit aufgerissene Augen starrten ihn<br />
an. Er taumelte ein paar Schritte zurück. Ihm wurde übel und er spürte, wie<br />
er sich übergeben musste. Schnell öffnete er die Toilette und übergab sich.<br />
Dann kauerte er sich neben der Kloschüssel zusammen, als versuchte er,<br />
sich zu verstecken. Dabei sah er unter der Trennwand ein paar regungslose<br />
Beine liegen.<br />
Er sprang auf und rannte hinaus. Er wollte nicht sehen, was dort noch für<br />
Körperteile lagen. Über die Hintertreppe rannte er hinunter in die Küche.<br />
Am Tisch saßen Mrs. Giggles und Mrs. Garison. Sie hatten die Arme und<br />
Köpfe auf den Tisch gelegt. Es sah aus, als ob sie schliefen. Die Kerze flackerte.<br />
Er fühlte Erleichterung, als er die beiden sah. Sie konnten ihm helfen.<br />
Als er näher kam, bemerkte er einen ekligen Gestank. Es knirschte unter<br />
seinen Schuhen. Auf dem Boden lagen Erbrochenes und kaputtes Geschirr.<br />
Philipp-Sebastian Meyer: Kapitel 24 81<br />
Er rüttelte Mrs. Giggles an der Schulter. Sie bewegte sich nicht. Aus dem<br />
Rücken von Mrs. Garison sah er einen Gegenstand herausragen. Es war eine<br />
Axt, die weißen Wände und der weiße Boden waren voller Blut. Ein abgehackter<br />
Finger lag auf dem Tisch. Wem gehörte er? Er wusste es nicht.<br />
Er sah sich in der Küche um. Er brauchte Licht. In den Schränken suchte<br />
er nach einer Taschenlampe. Er konnte keine finden. Aus einer Schublade<br />
nahm er sich ein Messer. Vielleicht konnte er sich schützen, wenn der Mörder<br />
kam. Er nahm die Kerze vom Tisch. Die Tür zur Speisekammer stand<br />
offen. Er traute sich nicht, hineinzusehen.<br />
Über eine weitere Treppe gelangte Dave in den Keller. Er blieb auf der oberen<br />
Treppenstufe stehen. In der einen Hand hielt er das Messer, in der anderen<br />
die Kerze. Sollte er hinuntergehen? Sicherlich lagen noch einige Tote<br />
im Keller, und der Mörder konnte sich gut da unten verstecken. Vielleicht<br />
wartete er schon auf ihn.<br />
Da! Ein Poltern im Keller!<br />
Vor Schreck ließ er die Kerze fallen. Sie erlosch sofort. Er überlegte, ob er<br />
Streichhölzer in der Küche gesehen hatte. Nein, die Betreuer hielten sie immer<br />
unter Verschluss, und er wusste nicht, wo. Ohne Licht traute er sich<br />
nicht in den Keller. Er beschloss, in das Büro zu gehen. Dort gab es ein Telefon.<br />
Er musste Hilfe holen und lief nach oben.<br />
Dann stand er vor der Bürotür. Er drückte sie einen Spalt auf und sah hinein.<br />
Mr. Prob lag hinten in der Ecke. Auch er war tot. Sein Kopf hing eigenartig<br />
zur Seite. Vielleicht war sein Genick gebrochen. Er atmete tief ein und<br />
versuchte, nicht an seine Angst zu denken.<br />
Dann ging er hinein. Auf dem altmodischen Schreibtisch herrschte Unordnung,<br />
alles lag durcheinander und war auf dem Boden verstreut. Er griff<br />
zum Telefon, aber dann sah er, dass das Telefonkabel durchtrennt war. In<br />
der Ecke des Raumes stand eine Couch. Mit der blauen Decke, die auf der<br />
Couch lag, deckte er Mr. Prob zu. Er wollte nicht länger diese offenen Augen<br />
sehen.<br />
Dann legte er sich einen Moment hin und dachte nach. Wo war der Mörder?<br />
War er noch im Haus?<br />
Er wusste nicht, was er tun sollte. Immer wieder blickte er zu dem Toten in<br />
der Ecke. Er hatte fürchterliche Angst. Am besten war es, wenn er sich verstecken<br />
würde. Jack hatte ihm viele Verstecke im Haus gezeigt. Dort würde<br />
ihn niemand finden.