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Erzähl mal! Der stille Zeuge - Literaturmachen

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68 <strong>Der</strong> <strong>stille</strong> <strong>Zeuge</strong><br />

Die anderen Kinder spielten ihm <strong>mal</strong> wieder einen Streich. Sie spannten einen<br />

Draht vor die Treppe. Mitten im Gegröle der anderen Kinder, stürzte er<br />

die Treppe hinunter. Im Flug merkte Dave erst, wie viele Stufen die Treppe<br />

überhaupt hatte, und er hoffte, dass der Flug bald ein Ende haben würde.<br />

Er hörte die anderen Kinder laut lachen und schreien. Schmerz durchdrang<br />

seinen Körper wie ein Pfeil. Es war aber nicht nur der Schmerz, sondern<br />

auch das Gefühl, nichts zu bedeuten. Immer war er das Opfer. Dave wusste<br />

nicht ein<strong>mal</strong>, warum. Er machte doch genau das, was andere auch machen,<br />

er machte doch nie etwas falsch.<br />

Die anderen Kinder standen in einem Kreis um ihn herum und starrten ihn<br />

an. Einer von ihnen bespuckte ihn sogar. Keiner hielt es für nötig, ihm eine<br />

Hand entgegen zu strecken oder ihn zu fragen, ob alles klar sei.<br />

Als er versuchte aufzustehen, wurde Dave wieder auf den Boden geschubst.<br />

Wieder landete er auf dem dick angeschwollenen Knie.<br />

Gerade wollte er einen schmerzdurchströmten Schrei von sich geben, da<br />

stand Jack wie ein Schrank hinter ihm und übernahm die Rolle, die eigentlich<br />

einem von den Betreuern zustand. Da die sich aber <strong>mal</strong> wieder zu bequem<br />

waren, nach den Kindern zu schauen, fragte Jack, was hier passiert<br />

sei.<br />

Die anderen Kinder halfen Dave sofort wie Unschuldsengel beim Aufstehen<br />

und sagten, er sei über seine eigenen Beine gestolpert. Jack spürte, dass sie<br />

logen. Er schaute Dave tief in seine verheulten Augen, sah die Unschuld und<br />

die Tränen.<br />

Außerdem sah Jack noch das Misstrauen, das Dave ihm gegenüber zeigte.<br />

Als Dave endlich wieder auf beiden Beinen stand und auf dem Weg zur Küche<br />

war, spürte er die Blicke der Anderen.<br />

Nachdem er endlich sein Glas Wasser in der Hand hielt, merkte er, wie Jack<br />

ständig zu ihm rüber schaute, während er den Boden putzte. Es sah so aus,<br />

als ob Jack sich um ihn sorgte. Während Dave ein wenig über die Sache von<br />

vorhin nachdachte, merkte er, wie das Vertrauen zu Jack wieder wuchs.<br />

Er fühlte sich, als hätte er noch einen großen Bruder, der sich um ihn kümmerte,<br />

der ihm Schutz bieten konnte, der für ihn da war, wenn man Hilfe<br />

brauchte.<br />

Dave überlegte sich, ob er sich bei Jack bedanken sollte, für das, was er vorher<br />

für ihn getan hatte. Wie ein Messerstich bohrte sich aber die Erinnerung<br />

an den Mord wieder durch seinen Körper.<br />

Saskia Neun: Kapitel 20 69<br />

Saskia Neun<br />

Kapitel 20<br />

Aus dem Buch von Jack:<br />

Tot. Endlich! – Er war tot. Hatte ich das geträumt oder war dies wirklich<br />

wahr?! War ich jetzt von der Quälerei erlöst?<br />

Ich holte meinen Teddy aus dem Versteck und hielt ihn erst<strong>mal</strong> einfach nur in<br />

meinen Armen fest und war dankbar, dass er da war und mir einfach nur zuhörte.<br />

Denn die Bilder, die ich sah und die Geräusche, die ich hörte, nämlich<br />

das Tropfen der Überdosis Schlafmittel, das ich langsam ins Milchglas tropfen<br />

ließ, das Mr. Anderson jeden Abend trank, kamen und gingen. Es war nicht<br />

sehr angenehm, denn jeder Tropfen führte zum sicheren Tod meines bösen<br />

Betreuers Mr. Anderson. Das alles machte mich verrückt, die ganze Situation,<br />

denn ich hatte einen Menschen getötet, auch wenn er böse gewesen war und<br />

es verdient hatte.<br />

Ich war ganz in meiner eigenen Welt, in einer, wo nur ich und mein Teddy<br />

lebten. Doch plötzlich hörte ich ein Lachen aus der Richtung der Tür. Das Lachen<br />

riss mich aus meinen Gedanken! Ich blickte dorthin und sah vier Jungs,<br />

die bei mir auf der Etage wohnten. Wir konnten uns gegenseitig nicht leiden,<br />

und das bekam ich von ihrer Seite auch zu spüren. Sie sahen mich mit meinem<br />

Teddy da sitzen, den ich fest umschlungen in meinen Armen hielt. Ich spürte,<br />

wie ich rot anlief, weil ich etwas in meinen Armen hielt, das nicht meinem<br />

Alter gerecht war. Ich hatte durch ihr Lachen wirklich das Gefühl, dass ich<br />

noch ein Kleinkind war, doch ich wusste, dass es nicht stimmte, denn es war<br />

nur die Einsamkeit, die mich zum Kleinkind machte. Alles, was ich wollte,<br />

war eine Familie oder Freunde, doch davon konnte ich nur träumen. Ich hatte<br />

ja niemanden, mit dem ich sprechen konnte, wie die anderen Kinder, denn zu<br />

denen fühlte ich mich nicht hingezogen, weil sie mich nicht so akzeptierten,<br />

wie ich war.<br />

Meine Vertrauensperson war der Teddy. Schnell versuchte ich, ihn hinter mir<br />

verschwinden zu lassen, doch dies brachte nichts, denn sie hatten meinen

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