Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122
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Einblick<br />
Man putzt das Werk bis zum Schluss<br />
Kostümbildner Alfred Mayerhofer über »Mata Hari« und seine Arbeit im Allgemeinen<br />
Foto: Jan Frankl<br />
Der österreichische Kostümbildner Alfred<br />
Mayerhofer arbeitet auf vielen renommierten<br />
Theater- und Opernbühnen sowie für Filmproduktionen<br />
und wurde mehrfach mit Preisen<br />
ausgezeichnet.<br />
blickpunkt musical: Wir treffen uns in Wien, Ihr<br />
aktueller Lebenslauf zeigt aber gerade Premieren<br />
in Hamburg und München an – ist Wien Ihre<br />
Basis oder haben Sie hier auch gerade einen<br />
Auftrag?<br />
Alfred Mayerhofer: Ich lebe in Wien, zusätzlich<br />
drehe ich hier im Moment ein Biopic über Franz<br />
Kafka, produziert von allen ersten Sendern im<br />
deutschsprachigen Raum. Das ist eine große<br />
Co-Produktion, sehr spannend.<br />
blimu: Sie sind nicht nur sehr gut, sondern auch<br />
sehr vielseitig beschäftigt. Wodurch unterscheidet<br />
sich Ihre Arbeit, wenn Sie Kostüme für einen<br />
Film oder für eine Bühne kreieren?<br />
AM: Der Zugang zu einem Auftrag ist immer<br />
der gleiche. Man beginnt mit der Recherche.<br />
Im Beispiel mit »Mata Hari« ging es für mich<br />
vor allem erst einmal darum, herauszufi nden,<br />
wer diese Frau war, wie sie gelebt hat und was<br />
ich noch eher Unbekanntes über sie entdecken<br />
kann. Man muss das Wissen erlangen, mit wem<br />
man es zu tun hat. Mich interessiert, egal für was<br />
ich arbeite, immer das Umfeld: Mit wem haben<br />
die Menschen gelebt, was war gerade in der Zeit<br />
modern, was wurde damals alles gemacht? Für<br />
Kostüme ist das soziale Umfeld enorm wichtig,<br />
dieses Wissen inspiriert mich immer sehr.<br />
Danach kommen die Fragen, wie man es visualisiert.<br />
Da unterscheiden sich Bühne und Film<br />
natürlich. Im Fall eines <strong>Musical</strong>s muss es transportierbar<br />
sein, es muss vor allem auch tanzbar<br />
sein. Bei »Mata Hari« kam noch dazu, dass es in<br />
zwei verschiedenen Welten stattfi ndet, und die<br />
muss man dann natürlich auch darstellen.<br />
blimu: Bei der Uraufführung eines <strong>Musical</strong>s wird<br />
bis zur letzten Minute an dem Stück gearbeitet,<br />
da werden noch Szenen gestrichen oder verändert,<br />
anders als bei einem schon bestehenden<br />
Stück, das im Grunde ja ein festes Korsett vorgibt.<br />
Was bewirkt das bei Ihrem Arbeitsprozess?<br />
AM: Also, eins ist bei allen Produktionen gleich<br />
– völlig egal, ob Uraufführung oder nicht – es<br />
wird bis zum letzten Tag, bis zur Premiere an<br />
dem Stück gearbeitet. Man versucht immer, das<br />
Bestmögliche herauszuholen. Die Schwierigkeit<br />
bei einer Uraufführung ist eher, dass man das<br />
Libretto, so wie es geschrieben ist, zumindest<br />
einmal richtig auf die Bühne bringen sollte. Bei<br />
einem bestehenden Werk kann man noch mal<br />
anders eingreifen, da kann man Längen kürzen<br />
oder Aspekte schärfen. Man putzt das Werk<br />
bis zum Schluss. Bei einer Uraufführung muss<br />
man das Werk ja erst einmal als Ganzes erleben,<br />
um dann vielleicht etwas zu verbessern. Doch<br />
vieles ist immer gleich – man schaut, ob man<br />
zum Beispiel wirklich alle Kostüme braucht, ob<br />
auf einen Umzug verzichtet werden kann, weil<br />
die Geschichte dann besser, fl ießender erzählt<br />
wird. Manche Dinge sieht man erst, wenn<br />
sie auf der Bühne stattfi nden, und muss dann<br />
eingreifen. Für mich immer extrem wichtig ist<br />
die Klavierhauptprobe. Ich entscheide an wirklich<br />
kleinen Stoffstücken, aus was und wie ein<br />
Kostüm gefertigt wird. An einer Haarsträhne<br />
entscheide ich, wie die Haare, die Perücken<br />
gemacht werden. Ich sehe nie alles zusammen,<br />
auch nicht bei der Anprobe. Da fehlt dann noch<br />
die Maske, ein Gürtel oder die Schuhe. Bei der<br />
Klavierhauptprobe ist immer der erste Tag, an<br />
dem ich wirklich alles sehe. Ein Wunsch von<br />
mir war immer, dass die Aufregung vor diesem<br />
Tag mal weniger wird, dass ich nicht mehr so<br />
nervös bin – mit fortschreitender Erfahrung.<br />
Aber das ist leider nicht eingetreten bisher.<br />
Die Nacht vorher ist schwierig, egal, wie gut<br />
man vorbereitet ist. Es ist immer, als würde<br />
man sich nackt ausziehen und präsentieren,<br />
während alle schauen und kommentieren. Das<br />
muss ich immer wieder aufs Neue aushalten,<br />
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