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Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122

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Vis-à-Vis<br />

dafür gebraucht, was kann man da umsetzen?<br />

Foto: Marie-Laure Briane<br />

geht so etwas nicht mehr, vieles verliert dazu<br />

an Qualität. Und was da an Wissen verloren<br />

geht! Zahlreiche Berufe gibt es ja gar nicht mehr<br />

wirklich zu erlernen, das Wissen im Theater<br />

muss aber weitergereicht werden. Requisiteur<br />

zum Beispiel: Das lernt man nur beim Machen,<br />

und die Person ist so wichtig für das Gelingen<br />

einer Produktion. Schuhmacher, Kostümmaler,<br />

Färber, Lingerie-Hersteller etc. – wenn das<br />

Können irgendwann weg ist, ist es einfach weg.<br />

Darum ja, die Begeisterung ist hier ganz klar da<br />

– für die sehr spannende Thematik und für das<br />

wunderbare Haus.<br />

blimu: Wenn wir konkret auf »Mata Hari« eingehen<br />

– wie war da der Ablauf? Die Autoren<br />

und das Gärtnerplatztheater haben die Zusammenarbeit<br />

beschlossen, wann wurden Sie in das<br />

Team geholt?<br />

AM: Ganz am Anfang. In diesem Fall wurde es<br />

mir tatsächlich mit einer der ersten Buchfassungen<br />

angeboten. Dadurch gab es schon relativ<br />

früh ein Treffen mit der Regisseurin (Isabella<br />

Gregor) und den Bühnenbildnern (Karl Fehringer<br />

und Judith Leikauf). Wir sind das Buch<br />

durchgegangen und jeder hat einfach mal seinen<br />

Zugang erzählt, seine Meinung, seine Ideen,<br />

seine Eindrücke eingebracht. Da ging es noch<br />

Foto: Alfred Mayerhofer<br />

gar nicht so sehr um den Inhalt des Stücks –<br />

man hatte das Libretto zwar gelesen –, sondern<br />

erst einmal wirklich nur um den Zugang zu den<br />

Figuren, zu dem Setting, was für jeden einzelnen<br />

spannend daran ist. Anschließend haben<br />

wir uns wieder allein zurückgezogen und jeder<br />

für sich recherchiert. Für mich sind Bilder sehr<br />

wichtig, daher suche ich als erstes immer nach<br />

Dokumentationen und habe auch tatsächlich<br />

eine tolle BBC-Dokumentation gefunden. Mata<br />

Hari kam aus Holland und wurde evangelisch<br />

erzogen, was wichtig ist für das ganze Lebensgefühl.<br />

Zudem die Frage: Wer waren ihre Eltern?<br />

Sie waren eigentlich sehr vermögend, haben aber<br />

durch Spekulationen alles verloren. Sie ist dann<br />

ins Waisenhaus gekommen, ist da aber mehr<br />

oder weniger rausgeflogen. Da eine Frau in der<br />

damaligen Zeit ohne Ehemann keine Rechte<br />

hatte, hat sie über eine Zeitungsannonce aus<br />

reinem Kalkül einen Ehemann gesucht. Sie war<br />

in Summe immer unglaublich kalkulierend. Das<br />

alles ist natürlich enorm spannend. Dann gibt es<br />

noch den Film »The Kings Man«, da spielt die<br />

Figur der Mata Hari auch eine Rolle. Das war<br />

für mich interessant, weil sie da eine so selbstbewusste<br />

Frau ist, nicht so ein Opferwesen. Das<br />

fand ich sehr inspirierend. Nach all diesem Input<br />

ist der nächste Schritt natürlich, genau mit dem<br />

Libretto zu arbeiten und sich zu fragen: was wird<br />

blimu: Worin lag dabei die Herausforderung für<br />

Sie?<br />

AM: Das Spannende an dem <strong>Musical</strong> »Mata<br />

Hari« ist, dass wir zwei Welten haben – einmal<br />

die historische Welt, wo Mata Hari herkommt,<br />

und die Pop-Rock-Welt, die heutig ist. Diese<br />

Welten mussten wir so miteinander verbinden,<br />

dass das Publikum auch immer da ist, wo die<br />

Geschichte gerade spielt. Wenn die Story schon<br />

so viele verschiedene Lebensumstände kombiniert,<br />

sollten die Kostüme nicht auch noch<br />

völlig unterschiedliche Menschen darstellen.<br />

Daher hat Mata Hari zum Beispiel immer Kleider<br />

in der gleichen Farbwelt an, auch wenn der<br />

Stil sich völlig unterscheidet. Wenn man sich so<br />

tief in eine Materie einarbeitet, übersieht man<br />

oft, dass der Zuschauer all das Hintergrundwissen<br />

und die Gedanken darum ja nicht hat.<br />

Aber gerade die Verständlichkeit muss erhalten<br />

bleiben, damit dieser immer versteht, was man<br />

zeigt, auch ohne es nachlesen zu müssen. Von<br />

der wirklichen Mata Hari gibt es kaum etwas,<br />

der Orientalismus war damals modern, aber<br />

das waren schon immer von uns Europäern<br />

abstrahierte Kostüme, die gar nicht unbedingt<br />

viel mit der Realität zu tun hatten. Ich wollte<br />

das repräsentative Holland visualisieren, im<br />

Gegenzug dazu sollen die Konzerte modern sein<br />

und überhöht. Alle Damen und Herren haben<br />

großen Spaß daran, die Kostüme zu präsentieren<br />

und zu tragen – das ist mir auch wichtig. Und<br />

ich glaube, dass das alles in allem wirklich sehr<br />

gelungen ist. Ich hoffe es zumindest. (lächelt)<br />

blimu: Toi, toi, toi für die Uraufführung! Wir<br />

wünschen Ihnen weiterhin so eine große, wunderbar<br />

bemerkenswerte Freude und Zufriedenheit<br />

in und mit Ihrem Beruf!<br />

Das Interview führte Sabine Haydn<br />

Fotos (3): Alfred Mayerhofer<br />

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