Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122
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<strong>Musical</strong>s in Österreich<br />
Abb. oben:<br />
Erzengel (Andy Kuntz, l.) und<br />
Luzifer (Randy Diamond, r.) gehen<br />
eine Wette ein, wer Adam und Eva<br />
auf seine Seite ziehen kann<br />
Abb. unten von links oben:<br />
1. Luzifer (Randy Diamond) bahnt<br />
sich seinen Weg durch himmlische<br />
Kräfte aus der Hölle (Chor &<br />
Statisterie)<br />
2. Luzifer (Randy Diamond, l.)<br />
flüstert Eva (Amber-Chiara Eul,<br />
Mitte) Unzufriedenheit ein,<br />
während Adam (Frank Kühfuß, r.)<br />
ruhig schläft<br />
3. (hinten v.l.): Zephan (Annina<br />
Wachter), Erzengel (Andy Kuntz)<br />
und Ithuriel (Sascha Zarrabi) reden<br />
Seraph (Julia Steingaß, vorne l.) und<br />
Abaddon (Oliver Sailer, vorne r.) ins<br />
Gewissen<br />
4. Adam (Frank Kühfuß, 2.v.l.) und<br />
Eva (Amber-Chiara Eul, Mitte mit<br />
Kinderensemble) leben den Traum<br />
einer glücklichen Familie<br />
Fotos (5): Birgit Gufler<br />
dann in der Inszenierung in dieser Form. Zunächst<br />
sollte erwähnt werden, dass das Tiroler Landestheater<br />
Innsbruck – abgesehen von »Everyman« (2017) – wenig<br />
Erfahrung mit Rockmusicals und -musik am Haus<br />
hat. Dies führt dazu, dass sich die Tonmischung von<br />
Lukas Ossinger, Gunter Eßig und Christian Rinner<br />
nicht als die beste für das Genre erweist. Selbst wenn<br />
man des Englischen durchaus mächtig ist, benötigt es<br />
einen ständigen Blick zur Übersetzungsanzeige, um<br />
überhaupt zu verstehen, wovon gerade auf der Bühne<br />
gesungen wird.<br />
Dass man diese Anzeigetafeln im Lauf der Show<br />
jedoch ohnehin lieber gewonnen hat als das Bühnengeschehen,<br />
liegt sowohl am Stückaufbau als auch<br />
an Häberlis Regie. Auf diesen Tafeln wird nämlich<br />
galanterweise vorab mitgeteilt, was in der nächsten<br />
Szene weshalb passieren wird. Dies ist mehr als einmal<br />
hilfreich. Es mag das Geheimnis des Genres »Rockoper«<br />
sein, dass häufig kein erklärendes Buch zugrunde<br />
liegt, aber in diesem Fall wäre es eine wunderbare, zu<br />
erwartende Lösung gewesen, sich nicht auf die angezeigten<br />
Worte zu verlassen, sondern einfach durch die<br />
Inszenierung zu zeigen, was gerade die Geschichte<br />
vorwärts treibt. Vielleicht wäre es dann auch gelungen,<br />
eine Verbindung zu den Figuren herzustellen, statt als<br />
Zuschauer irgendwann aufzugeben und alles aus rein<br />
beobachtender Position wahrzunehmen. Miltons Streben,<br />
Gut und Böse stereotyp zu zeichnen, wurde von<br />
Häberli voll umgesetzt. Die Regieführung seiner Charaktere<br />
bot genau dies: einmal festgelegte Gesten und<br />
Attitüden wurden bis zur Unendlichkeit wiederholt.<br />
Randy Diamond als Luzifer – beispielsweise – ausschließlich<br />
bei demselben Schwingen des Umhangs<br />
und absurderweise dann auch noch seines Jacketts<br />
sowie mit derselben Mimik zu erleben, erscheint<br />
schlicht zu eintönig für ein Stück an einem solch großen<br />
Haus.<br />
Auch die vielen Inszenierungsmomente mit herabgelassenem<br />
Vorhang tragen nicht dazu bei, den Fluss<br />
des Stücks zu erhöhen, und sollten in modernem Theater,<br />
egal welchen Genres, nicht mehr vorkommen.<br />
Gefühlt von der Regie allein gelassen, kämpft sich<br />
Diamond durch seine Rolle. Seine lange Karriere beweist,<br />
dass er mehr kann, und die Rolle selbst würde auch<br />
deutlich mehr hergeben. Nichtsdestotrotz ist Diamond<br />
noch immer der Star des Abends, der vor allem – als<br />
Sternchen an seiner Seite glänzend – Julia Steingaß<br />
als Seraph/Sünde hervorbringt. Ihre Performance versprüht<br />
durchaus Erotik und das Gefühl von Machtkitzel,<br />
insbesondere, wenn sie dann den Apfel überreichen<br />
darf.<br />
Auf der Gegenseite steht Leadsänger Andy Kuntz<br />
als Erzengel, ebenso starr in seinem schauspielerisch<br />
platten Korsett eingezwängt. Er singt dem Genre<br />
entsprechend, bleibt oft erstaunlich zurückhaltend<br />
und lässt Luzifer einfach gewähren. Adam (Frank<br />
Kühfuß) und Eva (Amber-Chiara Eul) erscheinen so,<br />
dass es einleuchtet, dass sie zum Spielball der Mächte<br />
werden – zurückhaltend, schüchtern, unsicher. Dass<br />
sie im Paradies leben, nehmen sie zuerst leichtherzig<br />
hin. Dass sie bereit sind, dieses Paradies zu verlassen,<br />
erscheint aber auch stimmig. Während bezüglich der<br />
Bühnenpräsenz auf jeden Fall noch Jennifer Maines<br />
als Beelzebub sowie Oliver Sailer als Abaddon/Tod<br />
erwähnenswert sind und in der Premiere hervorstachen,<br />
sind Julien Horbatuk als Abdiel und Verena<br />
Pötzl als Zophiel wegen ihrer gesanglichen Qualitäten<br />
hervorzuheben.<br />
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