Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Musical</strong>s in Deutschland<br />
Abb. unten von oben links:<br />
1. Hier treffen Manfred (Martin<br />
Gerke, r. oben) und Rita (Sophia<br />
Euskirchen, l. oben mit Ensemble)<br />
noch unter dem gleichen Himmel<br />
aufeinander<br />
2. Meternagel (Jochen Fahr, l.)<br />
ist immer wieder Ritas (Sophia<br />
Euskirchen, r.) Mentor und Freund<br />
3. Tanzeinlage zum Demonstrieren<br />
der körperlichen Nähe von Manfred<br />
und Rita (Ensemble)<br />
4. Die Arbeit im VEB Waggonwerk<br />
(Ensemble) ist immer wieder durch<br />
fehlende Teile und Rückschläge<br />
geprägt<br />
Fotos (4): Silke Winkler<br />
zurück auf die Erde kommt, fast wie Fremdkörper.<br />
Melissa King, die schon ganz wunderbare Arbeit<br />
auf den <strong>Musical</strong>bühnen geleistet hat, hatte hier ganz<br />
offensichtlich einen schwierigen Job. So zerrissen das<br />
Stück ist, so zerrissen ist gefühlt auch ihre Regie und<br />
Choreographie. Sie hat sich bemüht, die Charaktere so<br />
gut wie möglich auszuarbeiten, und in vielen kleinen<br />
Szenenausschnitten merkt man, mit welcher feinen<br />
Klinge sie an die Rollenentwicklung herangegangen<br />
ist. Doch dann wieder gibt es Szenen, wie zum Beispiel<br />
der erste Beischlaf von Rita und Manfred – ein<br />
Moment, der intimer nicht sein könnte, der die<br />
Zuschauer eigentlich mit Gänsehaut packen müsste,<br />
immerhin ist dies die Prämisse für das lange Auf und<br />
Ab der Beziehung. Statt ihn aber intim darzustellen<br />
und den beiden Darstellern Raum zu geben, bringt<br />
King das Tanzensemble in hautfarbenen Anzügen auf<br />
die Bühne und lässt sie wenig erotische Tanzmomente<br />
vollbringen. Dass sie eine fähige Choreographin ist,<br />
zeigt sie an anderer Stelle: Sowohl beim Lipsi-Tanz<br />
(abgeleitet vom lateinischen »lipsiens« = »der Leipziger«<br />
und 1959 in der ehemaligen DDR eingeführt, um an<br />
Stelle des amerikanischen Rock’n’Roll etabliert zu werden,<br />
Anm. d. Red.) als auch in dem Moment, in dem<br />
das Ensemble im KaDeWe auf die bunte Konsumwelt<br />
des Westens aufmerksam macht, gelingen ihr mitreißende<br />
Bilder.<br />
Die Mecklenburgische Staatskapelle hat die herausfordernde<br />
Partitur unter der Leitung von Martin Schelhaas<br />
gefühlvoll intoniert. Die Kostüme von Aleksandra Kica<br />
sind der dargestellten Zeit angemessen und demonstrieren<br />
ein einheitliches Konzept, welches an vielen anderen Stellen<br />
schmerzlich vermisst wird.<br />
So fiel der Schlussapplaus des Premierenabends<br />
auch sehr verhalten aus, zu Unrecht für die Darstellerinnen<br />
und Darsteller, die allesamt ihr Bestes gegeben<br />
haben, aber leider nur mit dem arbeiten konnten, was<br />
das Kreativteam ihnen vorgegeben hat. Was vieles war,<br />
aber ganz sicherlich kein den Seh- und Hörgewohnheiten<br />
des Publikums entsprechendes <strong>Musical</strong>.<br />
Sabine Haydn<br />
26<br />
blickpunkt musical <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3