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Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122

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<strong>Musical</strong>s in Österreich<br />

Ein Hauch zu wenig<br />

Österreichische Erstaufführung von »Ein Hauch von Venus« an der Oper Graz<br />

Abb. oben:<br />

Venus (Dionne Wudu, l.) besucht Rodney<br />

Hatch (Christof Messner, r.) in seinem<br />

Friseursalon<br />

Foto: Werner Kmetitsch<br />

Ein Hauch von Venus<br />

Kurt Weill / Ogden Nash /<br />

S. J. Perelman<br />

Deutsch von Roman Hinze<br />

Bühnen Graz<br />

Opernhaus – Hauptbühne<br />

Österreichische Erstaufführung:<br />

17. Dezember 2<strong>02</strong>3<br />

Regie ............. Magdalena Fuchsberger<br />

Musikal. Leitung ...... Marcus Merkel &<br />

Henry Websdale<br />

Chorleitung ............. Georgi Mladenov<br />

Choreographie ..... Alexander Novikov<br />

Bühnenbild ................ Monika Biegler<br />

Kostüme ..................... Valentin Köhler<br />

Licht ...................... Sebastian Alphons<br />

Video ............................... Aron Kitzig<br />

Venus ........................... Dionne Wudu<br />

Whitelaw Savory ........ Ivan Oreščanin<br />

Molly Grant .............. Monika Staszak<br />

Rodney Hatch .......... Christof Messner<br />

Mrs Kramer .................. Regina Schörg<br />

Gloria Kramer ............... Corina Koller<br />

Stanley ....................... Benjamin Rufin<br />

Taxi Black .... Ricardo Frenzel Baudisch<br />

Zuvetli / Sam / Dr. Rook ......................<br />

Michael Großschädl<br />

Ballett der Bühnen Graz<br />

Kurt Weill war nach seiner Flucht nach Amerika<br />

durch und durch Patriot für sein neues Land. Er<br />

verweigerte die deutsche Sprache, trug sich sogar in die<br />

Einberufungsliste ein und unterstützte die amerikanische<br />

Armee stets auf seine Weise – mit patriotischen<br />

Songs, die den Soldaten ein bisschen Glück bescherten.<br />

Nach seinem großen Erfolg von »Lady in the Dark« am<br />

Broadway wollte er ein Stück schaffen, das die Leute<br />

vom Zweiten Weltkrieg ablenkte und seichte, lustige<br />

Unterhaltung bot. Entsprechend begeisterte ihn die<br />

Idee, F. Ansteys Roman »The Tinted Venus« als Vorlage<br />

für eine Komödie zu benutzen. Er suchte und fand<br />

Inspirationen bei Cole Porter, sodass musikalisch ein<br />

wunderbar melodisches, mitreißendes Stück entstand,<br />

ganz dem Zeitgeist entsprechend.<br />

Der Weg zur Uraufführung im Jahr 1943 war trotz<br />

allem nicht einfach: Marlene Dietrich lehnte die Rolle der<br />

Venus ab, weil sie »zu viel Bein« zeigen sollte. Auch das<br />

Buch brauchte mehrere Autoren bis zur endgültigen Bühnenfassung,<br />

geschrieben von S. .J. Perelman und Ogden<br />

Nash sowie an der Oper Graz gespielt in der deutschen<br />

Übersetzung von Roman Hinze.<br />

Die Vorgeschichte ist nicht unwichtig, weil man unter<br />

heutigen Gesichtspunkten durchaus das eine oder andere<br />

Lied, insbesondere aber die vielen Tanzeinlagen bemängeln<br />

könnte, welche ganz klar zu Unterhaltungszwecken<br />

geschrieben wurden und zu der ohnehin wenig ausgefeilten<br />

Geschichte wenig beitragen.<br />

Der exzentrische Kunstsammler und Millionär Whitelaw<br />

Savory (Ivan Oreščanin) hat sich seinen Traum<br />

erfüllt und, auf nicht ganz legale Weise, die Statue der<br />

Venus nach Amerika geholt. Durch Zufall ist an diesem<br />

Tag Rodney Hatch (Christof Messner) als Friseur anwesend,<br />

der, in einem unbemerkten Moment, an der Skulptur<br />

den Verlobungsring für seine Freundin Gloria (Corina<br />

Koller) ausprobiert. Venus (Dionne Wudu) verwandelt<br />

sich daraufhin in eine lebendige Frau, die der festen<br />

Überzeugung ist, dass sie ab sofort nur noch an Rodneys<br />

Seite sein wird und möchte – auch wenn er absolut nicht<br />

ihrem Traumtyp Mann entspricht. Es entsteht eine Verwicklungskomödie:<br />

Savory geht davon aus, dass Rodney<br />

die Statue gestohlen hat. Ohne zu wissen, dass die schöne<br />

Frau eben diese ist, verfällt er ihr. Rodney selbst will erst<br />

einmal gar nichts von Venus wissen und stürzt sie damit<br />

in eine Sinnkrise.<br />

Die Regieführung von Magdalena Fuchsberger hilft<br />

leider nicht über die dramaturgischen Schwächen des Stückes<br />

hinweg – im Gegenteil, häufig erzeugt sie zusätzliche<br />

Fragezeichen. Das beginnt bereits am Anfang, wenn sich<br />

der Vorhang öffnet, Venus, umringt von amerikanischen<br />

GIs, ein Lied singt und sich der Vorhang wieder schließt.<br />

Außer, dass der Kontext zum Zweiten Weltkrieg hergestellt<br />

wird, welcher immer wieder vorkommt und in seltenen<br />

Fällen erklärt wird, erschließt sich die Entscheidung<br />

für diese Szene nicht.<br />

Noch fataler ist am Ende der Moment, an dem Venus<br />

offensichtlich den Entschluss trifft, Rodney doch zu<br />

verlassen. Sie gibt ihm – trotz Lichteffekten und entsprechender<br />

musikalischer Untermalung für die Zuschauer<br />

nicht sichtbar – den Ring zurück, um dann – von einer<br />

anderen Schauspielerin in einem fragwürdigen Kostüm<br />

dargestellt – auf einmal in einer Venusmuschel stehend in<br />

den Bühnenhimmel emporzusteigen.<br />

Die Videoinszenierungen von Aron Kitzig mögen<br />

dem Ambiente zuträglich sein und würden vielleicht die<br />

eine oder andere Regieentscheidung erklären, nur leider<br />

sind sie nahezu immer vom Bühnenbild von Monika<br />

Biegler verdeckt. Dieses wiederum ist ein Höhepunkt<br />

des Abends: Wenn mit der Menschwerdung der Venus<br />

die Skulptur zerspringt und ihre überdimensionalen<br />

Körperteile sich überall auf der Bühne verteilen, ist dies<br />

ein Hingucker! Der Hintergrund, dass die innere Welt<br />

von Rodney dargestellt und sein Kriegstrauma verarbeitet<br />

werden soll, indem das Gestell sinnbildlich für eine Rüstungsfabrik<br />

steht und die Körperteile »Teil der Kriegsmaschinerie,<br />

zu Waffen der Frau« werden – all das erschließt<br />

sich leider erst nach dem Lesen des Programmhefts.<br />

Ebenso erginge es vermutlich auch den Choreographien<br />

von Alexander Novikov – es gibt sicherlich Gründe,<br />

weshalb er diese dem überschaubar großen Tanzensemble<br />

zugedacht hat. Erschlossen haben sie sich ohne weiteres<br />

jedoch nicht, was das Gefühl von »reingesetzten« Tanzszenen<br />

leider unterstreicht. Die Kostüme von Valentin<br />

Köhler sind dem Stil der 40er Jahre getreu designt,<br />

64<br />

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