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Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122

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<strong>Musical</strong>s in Österreich<br />

Spielfreude aus. Gesanglich ist die Qualität durchgehend<br />

auf höchstem Niveau. Dies muss vorab erwähnt<br />

werden, weil es bei der Fülle an Darstellenden nicht<br />

möglich ist, auf jeden einzelnen einzugehen, jeder einzelne<br />

es aber wert wäre.<br />

Hanna Kastner als Natascha ist die Verkörperung<br />

hübscher Naivität. Zierlich und noch nicht fest im<br />

Leben stehend, der Vorstellung von Liebe völlig ergeben,<br />

verkörpert sie alles, was es braucht, um zu verstehen,<br />

wie sie so von außen getrieben durch das Leben<br />

schlittert. Gesanglich hat sie immer wieder sehr starke<br />

Momente, insbesondere bei ›Niemand anderes‹. Während<br />

der Szene, in denen sie Briefe sowohl an Anatol als<br />

auch Andrej schreibt, geht ihre Interpretation direkt<br />

ins Herz.<br />

Ihrer Cousine Sonja (Lisa Antoni) gehört das vermutlich<br />

musical-typischste Lied des Abends: In ›Sonja<br />

alleine‹ erzählt sie emotional, wie wichtig Natascha<br />

für sie ist. Mit so ruhigen Tönen wie selten an diesem<br />

Abend schafft Antoni mit ihrer Stimme und Ausstrahlung<br />

einen der Höhepunkte des Stückes. Sanne Mieloo<br />

als Patentante besticht durch ihre Ausstrahlung und<br />

die operngeschulte, sehr klare Stimme.<br />

Daniela Dett als Hélène stellt eine äußerst starke,<br />

vor Erotik übersprühende Strippenzieherin dar. Gernot<br />

Romic als ihr Bruder Anatol ist im besten Sinne schön<br />

schleimig. Lukas Sandmann spielt dessen vermeintlich<br />

besten Freund Dolochow, ein Bündel an Energie und<br />

Ausstrahlung. Während sich Andrej die meiste Zeit des<br />

Stücks im Krieg befindet, steht Darsteller Joel Parnis<br />

zusätzlich auch als beeindruckend grimmiger, stimmgewaltiger<br />

Bolkonski auf der Bühne.<br />

Christian Fröhlich verkörpert beeindruckend sowie<br />

berührend Pierre mit all seinen seelischen Höhen und<br />

Tiefen: ein großer, stattlicher Mann, zerbrochen an<br />

sich selbst, dem man von ganzem Herzen wünschen<br />

möchte, dass der Komet für ihn tatsächlich den entscheidenden<br />

Wendepunkt im Leben darstellt. Seine<br />

Version von ›Staub und Asche‹ ist wundervoll intoniert<br />

und bei weitem nicht der einzige Moment an dem<br />

Abend, in dem er mit seiner gesanglichen Darbietung<br />

vollends überzeugt.<br />

Als das <strong>Musical</strong> 2016 an den Broadway kam, sorgte<br />

es nicht nur wegen des Stücks selbst, sondern vor allem<br />

auch durch den Umbau des Theaters für Furore. Linz<br />

hat das Musiktheater nicht gänzlich umgebaut, aber<br />

alles Mögliche getan, um die Zuschauer so unmittelbar<br />

wie möglich mit einzubinden. So ragt die geniale,<br />

schlichte und gleichermaßen äußerst vielfältig bespielbare<br />

Bühne von Andrew D. Edwards anteilig ein gutes<br />

Stück in den Zuschauerraum. Zusätzlich wurde eine<br />

Sitzreihe in das Bühnenbild mit eingefügt. Die Darsteller<br />

wirbeln auf drei Ebenen und im Zuschauerraum<br />

hin und her, wobei mit dem Lichtdesign von Michael<br />

Grundner immer wieder neue Räume entstehen, auch<br />

wenn sich auf der Bühne nichts verändert. Nur ein<br />

Bühnenelement lässt sich als Tür und Vorhang öffnen,<br />

alles andere ist lediglich Grundlage für die kraftvolle<br />

Inszenierung von Matthias Davids, der sich hier tatsächlich<br />

selbst übertroffen hat. In den Szenen sind<br />

fast alle Personen immer auf der Bühne. Selbst wenn<br />

sie keinen aktiven Part in dem Geschehen haben, so<br />

bleiben sie doch immer voller Körperspannung in ihrer<br />

Rolle. So eine große Gruppe von Darstellenden durch<br />

und durch mit dieser Energie und schauspielerischen<br />

Genauigkeit auszustatten ist eine bemerkenswerte<br />

Leistung, unterstützt durch die Choreographien von<br />

Kim Duddy. Diese durfte hier ihr ganzes Verständnis<br />

Abb. oben:<br />

Pierre (Christian Fröhlich) und<br />

Natascha (Hanna Kastner) feiern mit<br />

russischer Wucht<br />

Abb. unten von links oben:<br />

1. Sonja (Judith Jandl, i.d.bes.Vorst.<br />

Lisa Antoni) besingt die Schwierigkeiten<br />

des Lebens an der Seite ihres<br />

Vaters<br />

2. Anatol (Gernot Romic,<br />

Mitte) ist bereit, mit Natascha<br />

durchzubrennen<br />

3. Hélène (Daniela Dett, l. mit<br />

Ensemble) nimmt leidenschaftlich an<br />

der Opernaufführung teil<br />

4. Die Musiker wirbeln ebenso<br />

wie die Darsteller über die Bühne:<br />

Diener (Bettina Schurek 2.v.l.),<br />

Musiker (v.l.: Alexander Bambach,<br />

David Decker, Luciana Zadak)<br />

Fotos (5): Reinhard Winkler<br />

blickpunkt musical <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3<br />

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