05.06.2023 Aufrufe

Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Musical</strong>s in Deutschland<br />

Sichtliche Zerrissenheit als Statement für den<br />

Ost-West-Konflikt? Uraufführung der musikalischen Adaption von<br />

Christa Wolfs »Der geteilte Himmel«<br />

Abb. oben:<br />

Manfred (Martin Gerke, 3.v.l.) und<br />

Rita (Sophia Euskirchen, 4.v.l.)<br />

stellen fest, dass sich nicht nur ihre<br />

politischen Ansichten unterscheiden<br />

Foto: Silke Winkler<br />

Der geteilte Himmel<br />

Wolfgang Böhmer / Martin G. Berger<br />

Mecklenburgisches Staatstheater<br />

Schwerin – Großes Haus<br />

Uraufführung: 20. Januar 2<strong>02</strong>3<br />

Regie & Choreographie ... Melissa King<br />

Musikal. Leitung .......Martin Schelhaas<br />

Chorleitung ...................... Aki Schmitt<br />

Bühnenbild ..................... Knut Hetzer<br />

Kostüme ................... Aleksandra Kica<br />

Video ........................... Roman Rehor<br />

Rita / Emma .......... Sophia Euskirchen<br />

Manfred ........................ Martin Gerke<br />

Der alte Manfred .... David Schroeder<br />

Meternagel ...................... Jochen Fahr<br />

Wendland .................. Christoph Götz<br />

Schwarzenbach ........ Michael Meiske<br />

Schlagersängerin / Frau am Schalter .....<br />

Cornelia Zink<br />

Mangold .... Itziar Lesaka / Ascelina Klee<br />

Herr Herrfurth, Manfreds Vater ...........<br />

Brian Davis<br />

Frau Herrfurth, Manfreds Mutter .........<br />

Karen Leiber<br />

Kuhl .............................. Olaf Meißner<br />

Ermisch ........................ Wieland Beer<br />

Liebentrau ................... Reinhard Strey<br />

Melcher .................. Andre Schmidtke<br />

Kind ..... Matu Freitag / Florentina Stoll<br />

Opernchor des<br />

Mecklenburgischen Staatstheaters &<br />

Company Ballett X Schwerin<br />

Bei der Ankündigung, aus dem vor 60 Jahren<br />

erschienenen Roman »Der geteilte Himmel« von<br />

Christa Wolf nun ein <strong>Musical</strong> zu machen, war die<br />

Spannung durchaus groß. Ein kompetentes Team hat<br />

sich zusammengefunden: Angefangen von Melissa<br />

King als Regisseurin und Choreographin über Martin<br />

G. Berger, der für den Text verantwortlich zeichnet,<br />

bis Wolfgang Böhmer als Komponist sind das alles<br />

Menschen mit <strong>Musical</strong>-Erfahrung.<br />

Die Geschichte wird erzählt von Rita (Sophia Euskirchen),<br />

mit 19 Jahren noch sozialistisch-enthusiastisch<br />

und angehende Lehrerin. Sie lernt den 29-jährigen<br />

Chemiker Manfred (Martin Gerke) kennen, der nicht<br />

nur ein aufstrebendes Talent unter den Wissenschaftlern<br />

ist, sondern auch einen klaren Blick auf die Schwächen<br />

des Sozialismus hat. Während beide, anfänglich frisch<br />

verliebt, der festen Überzeugung sind, dass sie nie<br />

etwas trennen wird, zeichnet sich schnell ab, dass die<br />

politischen Ereignisse der Zeit ihre Liebe auf eine harte<br />

Bewährungsprobe stellen werden. Als der Roman von<br />

Christa Wolf erschien, war er wohl so etwas wie eine Art<br />

Nachschlagewerk, in dem Westler nachlesen konnten,<br />

weshalb Ostler sich für die DDR entschieden haben,<br />

und sich andersherum Ostler bestätigt und wiedergefunden<br />

haben. Wolf hat mit einer intensiven Figurenzeichnung<br />

Charaktere lebendig werden lassen, die einen<br />

kurzen Moment Deutschlands Zeitgeschichte aufgefasst<br />

und transportiert haben. Eintauchend in ein Für und<br />

Wider – je nach kartografischem Hintergrund –, kann<br />

man eine der beiden Seiten besser verstehen. Der Leser<br />

erhält einen Einblick, wie es damals war, in einem DDReigenen<br />

Betrieb arbeiten und mit den Absurditäten (aus<br />

West-Sicht) des Alltags kämpfen zu müssen. Es gibt<br />

hier auch noch seelischen Kriegseinfluss, verkörpert von<br />

Manfreds Eltern (Karen Leiber und Brian Davis), welcher<br />

in den späten 50er Jahren in sehr vielen Wohnzimmern<br />

in ganz Deutschland zu spüren war. Nicht zuletzt,<br />

und das muss man trotz des im Vordergrund stehenden<br />

Settings sagen, ist es vor allem auch eine Geschichte<br />

über das Erwachsenwerden einer jungen Frau.<br />

Während hier in der Kürze der Zusammenfassung<br />

die Intensität von Wolfs Buch kaum übertragbar ist,<br />

so gab es doch die Hoffnung, dass dies im Zuge eines<br />

abendfüllenden Stücks gelingen kann – insbesondere,<br />

wenn die Musik als Hilfsmittel genutzt wird.<br />

Bekannterweise kann diese zuweilen dort, wo Wörter<br />

in ihren Möglichkeiten enden, Stimmungen direkt in<br />

die Herzen transportieren. Leider nutzte Wolfgang<br />

Böhmer diese Chance nicht. Er komponierte in den<br />

verschiedensten Musikstilen und mit einem geradezu<br />

wilden Bogen musikalischer Einflüsse, welcher<br />

sich insbesondere in den Ensembleszenen wie auf<br />

dem Jahrmarkt, beim Tanzen oder im KaDeWe als<br />

durchaus ohrwurmtauglich erweist – um dann, in<br />

anderen Momenten, modernste Oper sein zu wollen<br />

und bestenfalls als Klangerlebnis zu verhallen. Dies<br />

ist ausgesprochen schade, denn durch dieses nicht<br />

schlüssige Zusammentreffen ging eine unglaublich<br />

wichtige Ebene verloren. Der Zuschauende war leider<br />

nur Beobachter und nie Teil des Ganzen – aber gerade<br />

diese Geschichte hätte diesen musikalischen Aspekt so<br />

notwendig gebraucht. Martin G. Berger hat sich bei<br />

den Texten weitestgehend an Wolf orientiert, durch<br />

die Einführung von Ritas Enkelin Emma (ebenfalls<br />

Sophia Euskirchen) und dem alten Manfred (David<br />

Schroeder) jedoch eine zusätzliche Ebene geschaffen,<br />

24<br />

blickpunkt musical <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!