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Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122

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<strong>Musical</strong>s in der Welt<br />

meistert ihren zwiespältigen Charakter mit bravouröser<br />

Empathie. René Setlhako, die als Lindiwe glänzt,<br />

erobert sofort die Herzen der Zuschauer; in vielen<br />

Facetten ihres Spiels erinnert sie an die wunderbare<br />

Whoopi Goldberg und sorgt für zahlreiche Lacher.<br />

Last, but not least, rührt Nobuntu Mpahlaza als<br />

Mutter zu Tränen, wenn sie die geliebte Tochter nach<br />

Amerika schickt und ihr das letzte Ersparte mit auf den<br />

Weg gibt.<br />

Das gesamte Ensemble wuchtet einen ungeheuren<br />

Kraftakt auf der Bühne, und die extrem begabten Darstellerinnen<br />

und Darsteller spielen einander die Bälle<br />

zu. Am liebsten würde man sie alle namentlich erwähnen,<br />

was bei einer 26-köpfigen Besetzung allerdings<br />

die Ausmaße eines Telefonbuchs in Anspruch nähme.<br />

Mit berauschenden Bildern, fantastischen Kostümen<br />

(Pei Lee), einfallsreichen Choreographien (Celeste<br />

Botha) und verblüffendem Lichtdesign (Alan C.<br />

Edwards) beantworten die Schöpfer des Abends jene<br />

Fragen, die sich in der heutigen Zeit regelrecht aufdrängen;<br />

oder sie geben uns zumindest den Wegweiser<br />

dafür an die Hand, selbst in tiefster Verzweiflung die<br />

Hoffnung nicht aufzugeben.<br />

Als Verstärkung hat sich Gillham den aus New York<br />

stammenden Regisseur Peter Flynn an die Seite geholt,<br />

der ihr Buch wortgetreu und mit Respekt in Szene<br />

setzt. Und die Zurückhaltung der Inszenierung erweist<br />

sich als besonderer Glücksgriff: Das kreative Team, das<br />

für den Abend verantwortlich zeichnet, lässt der Cast<br />

allen Raum, sich zu entfalten.<br />

Alice Gillham ist ein herausragendes Werk gelungen.<br />

Die Partitur ist phänomenal – man kann sich<br />

eigentlich gar nicht entscheiden, welches Lied zum<br />

Lieblingssong wird. ›Do You Think About Me‹ gehört<br />

sicherlich zu den stärksten Nummern, was neben der<br />

überzeugenden Musik auch an dem berührenden Text<br />

liegt, in dem die Figuren ihre Sehnsüchte intonieren.<br />

Nicht zuletzt deshalb wurde dieser Song auch vorab<br />

veröffentlicht. In ›Handful of Dragonflies‹ lernen wir<br />

Isabella mit all ihren Charaktereigenschaften kennen.<br />

So hat der Abend eine reiche musikalische Bandbreite<br />

mit wunderschönen Balladen (zum Niederknien:<br />

›Learn to Love‹) und vielen »ansteckenden« Up-<br />

Tempo-Nummern wie ›Fly With the Sun‹, ›This Aint<br />

Broadway‹ oder ›Shine in the Light‹.<br />

Der Zauber dieser Produktion ist seiner ideenreichen,<br />

schwungvollen, manchmal beinahe selbstvergessenen<br />

Leichtigkeit zu verdanken: der Liebe, die auf<br />

der Heimatsuche der einzelnen Persönlichkeiten der<br />

entscheidende Motor ist – dieser herzergreifenden, uns<br />

alle verbindenden Liebe.<br />

»Calling Us Home« ist ein mitreißender Kraftakt<br />

des gesamten Ensembles und der dahinter stehenden<br />

Kreativen, getragen von den sinnlichen, zauberhaft<br />

zarten bis kraftvoll tanzbaren Melodien der Autorin.<br />

Südafrika ist, was die <strong>Musical</strong>branche betrifft, ein<br />

noch junger Markt. Aber gerade dort wachsen außergewöhnliche<br />

Talente nach, die Gillham mit ihrer Produktionsfirma<br />

SHY-MUSIC fördert.<br />

Die Inszenierung ihres Stücks »Calling Us Home«<br />

ist ein wahrer Glücksgriff, und es wäre der Produktion<br />

zu wünschen, dass Gillham damit international auf<br />

Tour geht. Denn sie verfügt über das Potential, auch in<br />

dunklen Zeiten die Fackel der Hoffnung zu entzünden<br />

und die kalte Wirklichkeit mit dem nötigen Hauch an<br />

Wärme zu bereichern.<br />

Fazit: Ein berauschendes Fest der Sinne, das sich<br />

den ernsten Themen unserer Zeit stellt und das, getragen<br />

von fantastischen Melodien und brillanten Darstellern,<br />

mit großer Leichtigkeit Hoffnung verheißt.<br />

Daniel Call<br />

Abb. unten:<br />

Graces Mutter (Nobuntu Mpahlaza)<br />

schickt ihre Tochter schweren<br />

Herzens nach Amerika<br />

Foto: Daniel Rutland Manners<br />

blickpunkt musical <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3<br />

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