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Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122

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<strong>Musical</strong>s in Deutschland<br />

einfache Leben mit Katharina der Sinn in seinem Leben<br />

ist.<br />

Die manipulative Prinzipalin aber nutzt die Gelegenheit<br />

und wird mit dem nächsten Kind (Theo) einen<br />

weiteren Versuch unternehmen, ihre Show bis zum Ende<br />

durchzuführen (Die Änderung um das Theo-Finale entstand<br />

bereits 1998).<br />

Der Abend in Dresden beginnt schon vor dem<br />

eigentlichen Vorstellungsbeginn. Vor der Tür und im<br />

Foyer tummeln sich Gaukler, Akrobaten und Feuerschlucker<br />

und bereiten das Premierenpublikum auf den<br />

zirzensischen Rahmen des Abends vor.<br />

Der Wow-Effekt geht weiter in dem Moment, wenn<br />

sich der Vorhang hebt. Zum Vorschein kommt ein<br />

Raum, der durch geschicktes Licht (brillant designt<br />

von Michael Grundner) eine Tiefe erzeugt, wie man<br />

sie selten in einem Theater gesehen hat. Ein verfallenes<br />

Schloss, eine große Treppe, ein Kamin charakterisieren<br />

ein Set, das sich im Lauf des Abends – trotz nur geringer<br />

Veränderungen – als erstaunlich wandelbar erweist. Das<br />

Bühnenbild von Charles Quiggin lässt genug Platz für<br />

Fantasie und führt den Zuschauer an einen Ort, der<br />

jeden Lost-Place-Entdecker mit Freude erfüllen würde.<br />

Simon Eichenberger nutzt diesen Raum für seine<br />

Regie und Choreographie gut aus. Irgendwo passiert<br />

(fast) immer etwas. Manchmal muss man kurz mit den<br />

Augen die Bühne absuchen, um die aktuell agierenden<br />

Personen zu erfassen. Besonders in der Kriegsszene<br />

(›Ruhm und Ehre‹), die »pythoneske« Züge trägt, ist<br />

es manchmal schwer, alles im Blick zu behalten. Ein<br />

Grund mehr, mehrfach in die Vorstellung zu gehen.<br />

Insgesamt erzählt Eichenberger die Geschichte der<br />

Suche Pippins nach dem Sinn des Lebens stringent,<br />

kurzweilig (das Stück hat eine Länge von 2:55!) und in<br />

lebendigen Bildern. Ein besonderes Lob gilt dem Punkt,<br />

dass die Grenzen im Ensemble zwischen Solisten, Chor<br />

und Ballett völlig verschwinden. In den Ensembleszenen<br />

ist es fast unmöglich zu sagen, wer zu welcher Gruppe<br />

gehört. Eichenberger hat es geschafft, alle auf ein hohes<br />

Niveau zu bringen und eine harmonische Gesamtleistung<br />

zu ermöglichen.<br />

Einen besonderen Genuss bieten Peter Christian<br />

Feigel und das Orchester der Staatsoperette Dresden, die<br />

das von Koen Schoots extra erstellte Orchester-Arrangement<br />

zu einem Klangerlebnis machen. Bühne und Graben<br />

scheinen eine untrennbare Einheit zu bilden, wie<br />

man es selten erlebt hat. Perfekt unterstützt wird dies<br />

durch das Sounddesign von Martin Wingerath. Was an<br />

diesem Abend zu hören war, hatte CD-Qualität. Die<br />

Frage nach einer deutschen Aufnahme war dann auch<br />

die am häufigsten gestellte des Abends.<br />

Kerry Jean führt als Prinzipalin Pippin während seiner<br />

Suche und den Zuschauer durch das Stück. Immer<br />

wieder durchbricht sie die 4. Wand und bezieht den<br />

Zuschauer ein. Anfangs noch etwas kämpfend mit der<br />

Musik und ihrer Führungsrolle, gewinnt sie im Lauf der<br />

ersten Nummern an Sicherheit und kann sich von der<br />

neutralen Conférencière zur manipulativen Strippenzieherin<br />

mit Stimmgewalt entwickeln.<br />

Den sinnsuchenden Pippin spielt und singt Gero<br />

Wendorff. Wie ein Kind entdeckt er die Welt, probiert<br />

aus, fällt auf große Ruhmesversprechen rein, um dann<br />

desillusioniert zum nächsten vermeintlichen Abenteuer<br />

zu laufen. Dabei überzeugt er sowohl stimmlich als<br />

auch darstellerisch. Sein Pippin wächst von Szene zu<br />

Szene zum selbständigen Mann. Was zuerst laut und<br />

ungestüm daherkommt, wird mit dem charakterlichen<br />

Wachstum immer leiser im Spiel.<br />

Pippin<br />

Stephen Schwartz / Roger O. Hirson<br />

Deutsch von Frank Thannhäuser, Iris<br />

Schumacher & Nico Rabenald<br />

Erweiterung der Original-<br />

Orchestrierung durch Koen Schoots<br />

für die Staatsoperette Dresden<br />

Staatsoperette Dresden<br />

Premiere: 28. Januar 2<strong>02</strong>3<br />

Regie &<br />

Choreographie ... Simon Eichenberger<br />

Musikal. Leitung ... Peter Christian Feigel<br />

Bühnenbild .............. Charles Quiggin<br />

Kostüme ......................... Aleš Valášek<br />

Masken & Frisuren ..... Thorsten Fietze<br />

Lichtdesign ............. Michael Grundner<br />

Sounddesign .......... Martin Wingerath<br />

Prinzipalin ......................... Kerry Jean<br />

Pippin ........................ Gero Wendorff<br />

Karl, Pippins Vater ..... Marcus Günzel<br />

Ludwig, Pippins Stiefbruder .... Sascha<br />

Luder / Claudio Gottschalk-Schmitt<br />

Fastrada, Pippins Stiefmutter ...............<br />

Silke Richter<br />

Bertha, Pippins Großmutter ................<br />

Bettina Weichert<br />

Katharina, eine junge Witwe ...............<br />

Sybille Lambrich<br />

Theo, deren Sohn ...............................<br />

Mathilda Steinacker / Izobel Mary<br />

Evans / Jannick Focke / Hans Tröger<br />

In weiteren Rollen:<br />

Phil Anderson (Dance Captain),<br />

Stefanie Beyer, Eliton Da Silva de<br />

Barros, Judith Bohlen, Friedemann<br />

Condé, Lorenzo Colella, Anna-Lisa<br />

Gebhardt, Julia-Elena Heinrich,<br />

Dominica Herrero Gimeno,<br />

Nina Kemptner, Michael Kuhn,<br />

Inka Lange, Melania Mazzaferro,<br />

Daniel Müller, Andreas Pester,<br />

Karolina Piontek, Dániel Rákász,<br />

Katja Rosenberg, Sergiy Tonevitskyy,<br />

Christian Vitiello, Mascha<br />

Volmershausen, Barbara Walaszewska<br />

Abb. links von links oben:<br />

1. Die Prinzipalin (Kerry Jean), sie<br />

hat die Fäden in der Hand<br />

2. Bertha (Bettina Weichert, 5.v.l.)<br />

zeigt Pippin (Gero Wendorff, 2.v.l.)<br />

und der Hofgesellschaft (Ensemble)<br />

was Lebenslust ist<br />

3. Pippin (Gero Wendorff) erkennt,<br />

dass es doch nicht so einfach ist zu<br />

regieren. Die Prinzipalin (Kerry Jean)<br />

ist amüsiert über seine Naivität<br />

Fotos (3): Pawel Sosnowski<br />

blickpunkt musical <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3<br />

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