Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Musical</strong>s in Österreich<br />
Als Fanny Brice in Baden auftrat<br />
»Funny Girl« an der Bühne Baden<br />
Abb. oben:<br />
Der Abschied von der Bühne: Fanny<br />
Brice (Johanna Arrouas) blickt ein<br />
letztes Mal in das Publikum<br />
Foto: Lalo Jodlbauer<br />
Funny Girl<br />
Jule Styne / Bob Merrill / Isobel Lennart<br />
Deutsch von Heidi Zerning<br />
Bühne Baden<br />
Stadttheater<br />
Premiere: 28. Januar 2<strong>02</strong>3<br />
Regie ........................... Isabella Gregor<br />
Musikalische Leitung .... Andjelko Igrec<br />
Choreographie ............ Sven Niemeyer<br />
Ausstattung ...................... Alexia Redl<br />
Fanny Brice .............. Johanna Arrouas<br />
Nick Arnstein ... Thomas Weissengruber<br />
Mrs Brice .................... Shlomit Butbul<br />
Mrs Strakosh ............. Kerstin Grotrian<br />
Eddie Ryan ......................... Jens Janke<br />
Florenz Ziegfeld Jr. ..............................<br />
Christoph Wagner-Trenkwitz<br />
Emma, Garderobiere ....... Cornelia Ertl<br />
Tom Keeney ................. Beppo Binder<br />
John, Inspizient / div. Gäste .................<br />
Michael Duregger<br />
Heckie, Taxifahrer / Bühnenmeister /<br />
Schaffner / Rinaldi / Snub Taylor ...........<br />
Artur Ortens<br />
1. Bühnentechniker / Arbeiter /<br />
Paul, Oberkellner / Benji / Dienstmann /<br />
Bote ......................... Michael Konicek<br />
Jenny (Ziegfeld-Girl) /<br />
Bubbles (Keeney-Girl) .... Marjeta Urch<br />
Polly (Keeney-Girl) /<br />
Cathy (Ziegfeld-Girl) ... Ilvy Schultschik<br />
Chor und Ballett der Bühne Baden<br />
Als nächste <strong>Musical</strong>premiere an der Bühne Baden<br />
steht das <strong>Musical</strong> »Funny Girl« von Jule Styne,<br />
(Musik), Bob Merrill (Liedtexte) und Isobel Lennart<br />
(Buch) auf dem Programm: das Stück, das am 13.<br />
Januar 1964 in Boston uraufgeführt wurde, bevor es ab<br />
26. März desselben Jahres in New York am Broadway zu<br />
sehen war. Vier Jahre später folgte die Verfilmung mit<br />
Barbra Streisand und Omar Sharif in den Hauptrollen.<br />
In Baden inszeniert Isabella Gregor den Klassiker, der<br />
für Titel wie ›Don’t Rain on My Parade‹ und ›People‹<br />
bekannt ist, in einer deutschen Übersetzung von Heidi<br />
Zerning. Leider wurden hier auch die Lieder übersetzt,<br />
was sich als problematisch erweist, weil einige davon<br />
– dank Barbra Streisand – tatsächlich im Original<br />
sehr bekannt sind. Man hätte, wie oft bei »West Side<br />
Story«, die Dialoge auf Deutsch und die Liedtexte im<br />
englischen Original machen können. Natürlich ist es<br />
so verständlicher und einheitlicher, aber wenn man das<br />
Stück auf Englisch kennt, weiß man, wie viel durch die<br />
Übersetzung verloren gegangen ist.<br />
Das Stück ist einerseits eine Autobiographie der<br />
Entertainerin Fanny Brice (1891-1951), dennoch ist es<br />
auch die Geschichte einer ehrgeizigen jungen Frau, die<br />
um jeden Preis berühmt sein möchte. Der erste Akt<br />
beginnt damit, dass Fanny vor ihrem Auftritt steht, sich<br />
in dem Spiegel ihrer Garderobe anschaut und darauf<br />
wartet, auf die Bühne geholt zu werden. Zu sehen ist nur<br />
ein großer Spiegel und grauglitzernde Vorhänge, die fast<br />
stören, aber dennoch etwas Glamouröses haben. Eher<br />
verwirrend ist jedoch, dass kurz danach, noch im selben<br />
Bühnenbild, Damen an einem Tisch Karten spielen,<br />
darunter auch Fanny Brice. Dadurch soll verdeutlich<br />
werden, dass Fanny ihr Leben Revue passieren lässt, aber<br />
ein Szenenwechsel oder sogar ein Bühnenbild mit zwei<br />
Ebenen hätte das besser auf den Punkt bringen können.<br />
Im Lauf des ersten Akts wird Fanny Brice sehr bald<br />
ein großer Star und verliebt sich in Nick Arnstein, der<br />
sie eines Tages am Bühneneingang besucht. Während<br />
die Liebesgeschichte, trotz vielem Hin und Her, schön<br />
erzählt wird, erscheint ihr Aufstieg zum großen Star<br />
doch eher im Schnelldurchlauf wie im Zeitraffer. Da<br />
merkt man, dass das Libretto leider seine Schwächen<br />
hat. Der erste Akt endet damit, dass Fanny nicht mit<br />
Florenz Ziegfeld auf Tournee geht, sondern sich für ihr<br />
Privatleben entscheidet. Das spiegelt sich im berühmten<br />
Titel ›Don’t Rain on My Parade‹, hier ›Niemand verpatzt<br />
mir meinen großen Lebenstraum‹. Leider ist diese Übersetzung<br />
nicht sehr gelungen, denn die ursprüngliche<br />
Bedeutung geht hier verloren.<br />
Im zweiten Akt ist Fanny mit Nick verheiratet und<br />
sie haben auch bereits eine kleine Tochter, die aber nie<br />
in Erscheinung tritt, was auch für die Handlung nicht<br />
notwendig ist. Auch hier merkt man die Schwächen des<br />
Librettos, auch wenn Zeitsprünge zwischen erstem und<br />
zweiten Akt erstens erlaubt und zweitens nicht unüblich<br />
sind.<br />
In die Rolle der Fanny Brice schlüpft ein weiblicher<br />
Publikumsliebling der Volksoper, die aber dem Publikum<br />
in Baden durchaus auch bekannt sein dürfte: Johanna<br />
Arrouas. Sie kann vor allem schauspielerisch punkten<br />
und beim Titel ›Menschen‹ gesanglich mit ihrer schönen<br />
Sopranstimme begeistern. Außerdem zeigt sie sich<br />
wandlungsfähig, wenn sie die Entwicklung vom jungen<br />
Mädchen von Nebenan, das berühmt sein möchte, bis<br />
hin zum großen Star, der Ehefrau und Mutter durchmacht.<br />
Diese Wandlung reflektiert sie auch im Schauspiel.<br />
Bemerkenswert ist zudem die Rollenentwicklung<br />
hinsichtlich Geld und Macht. Während Fanny Brice im<br />
ersten Akt noch das junge Mädchen ist, die von anderen<br />
abhängig ist, avanciert sie im zweiten Akt zu einer selbstbewussten,<br />
reichen Frau, die nicht mehr von ihrem Mann<br />
abhängig ist. Nick Arnstein hingegen ist im zweiten Akt<br />
auf ihr Geld angewiesen. Das Libretto mag zwar teilweise<br />
sehr schnell voranschreiten, aber diese Thematik wird hier<br />
sehr gut verarbeitet und erlaubt Johanna Arrouas, sich<br />
schauspielerisch vielseitig zu zeigen.<br />
60<br />
blickpunkt musical <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3