Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122
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<strong>Musical</strong>s in Österreich<br />
Eine moderne Hexe greift in Wien nach der<br />
Weltherrschaft Österreichische Erstaufführung von »Frau Zucker will<br />
die Weltherrschaft« in Wien<br />
Abb. oben:<br />
Frau Zucker (Isabel Weicken, hinten)<br />
lockt die Nachbarskinder (v.l.):<br />
Tinchen (Beate Korntner), Hansi<br />
(Markus Störk) und Meg (Ursula<br />
Anna Baumgartner) mit Essen und<br />
Süßigkeiten in ihre Wohnung<br />
Foto: Rita Newman<br />
Frau Zucker will die<br />
Weltherrschaft<br />
Wolfgang Böhmer / Peter Lund<br />
Theater der Jugend Wien<br />
Renaissancetheater<br />
Österreichische Erstaufführung:<br />
16. Februar 2<strong>02</strong>3<br />
Regie & Lichtdesign .......... Peter Lund<br />
Leitung Orchesteraufnahme ................<br />
Gerald Schuller<br />
Musikalische Einstudierung .................<br />
Ursula Wögerer<br />
Choreographie ............... Nina Tatzber<br />
Ausstattung & Lichtdesign ....................<br />
Daria Kornysheva<br />
Sounddesign ................... Béla Fischer<br />
Meg ........... Ursula Anna Baumgartner<br />
Tessa, Megs Mama ...... Kathrin Hanak<br />
Stefan, Megs Papa .... Frank Engelhardt<br />
Pauli, Megs Babysitter .........................<br />
Simon Stockinger<br />
Tinchen, Megs neue Freundin .............<br />
Beate Korntner<br />
Hansi, Tinchens Freund ..... Markus Störk<br />
Frau Reschke, Tinchens Mama ..............<br />
Martina Dorothea Sommersguter<br />
Frau Zucker ................ Isabel Weicken<br />
Herr Braasch ................. Uwe Achilles<br />
Frau Doktor Giftig .... Nadine Aßmann<br />
In weiteren Rollen:<br />
Nina Tatzber<br />
Frau Zucker ist eine scheinbar liebenswerte, alleinstehende<br />
Dame. Doch ein großes Manko hat die vordergründig<br />
nette Nachbarin: Sie hasst Kinder abgrundtief<br />
und das schon ihr ganzes Leben lang. Sie ist – kurz gesagt<br />
– eine Hexe wie in »Hänsel und Gretel«. Mit Süßigkeiten,<br />
denen ein Schlafmittel beigemischt ist, lockt sie die<br />
Kleinen der Nachbarschaft in ihre Wohnung. Kaum eingeschlafen,<br />
werden sie ihrer Energie beraubt – denn ein<br />
Kind hat so viel Energie, dass man eine Millionenmetropole<br />
wie Wien monatelang damit versorgen könnte. Hilfe<br />
bekommt sie dabei von Herrn Braasch und Frau Doktor<br />
Giftig, zusammen bilden sie ein Trio Infernale. Eine will<br />
den dreisten Drei das Handwerk legen: Die neunjährige<br />
Meg ist zwar neu in der Gegend, hat das böse Spiel aber<br />
nach kurzer Zeit durchschaut. Es gibt nur ein Problem,<br />
niemand glaubt dem phantasievollen Mädchen, keiner<br />
nimmt es ernst – weder seine gestressten Eltern, die kaum<br />
Zeit für sie haben, noch ihre Freunde Tinchen und Hansi.<br />
Als Meg schon selbst an sich zweifelt, verschwindet Tinchen<br />
auf mysteriöse Weise. Nicht einmal ihre depressive<br />
Mutter kann sich daran erinnern, dass sie mal eine Tochter<br />
hatte. Das ist die »lustige« Grundkonstellation im <strong>Musical</strong><br />
»Frau Zucker will die Weltherrschaft«, die aber immer<br />
wieder die Frage stellt, ob wir die Zukunft unserer Kinder<br />
für den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft opfern<br />
dürfen. Im Theater der Jugend, am Renaissancetheater,<br />
feierte das <strong>Musical</strong> von Wolfgang Böhmer (Musik) und<br />
Peter Lund (Text) nun Österreichpremiere. Egal ob Medikamentenmissbrauch,<br />
das Verhältnis zwischen Kindern<br />
und Erwachsenen, häusliche Gewalt, die Verhältnisse<br />
zwischen Mann und Frau, Erziehung, Umweltschutz,<br />
die Wirtschaft oder die richtige Ernährung: Kein Thema<br />
ist zu groß für das 700-Zuschauer-Theater im 7. Wiener<br />
Gemeindebezirk und die Inszenierung bei kurzweiligen<br />
zwei Stunden Spieldauer überraschend tiefgründig und<br />
uneingeschränkt unterhaltsam.<br />
Schon das Plakat ist ein Hingucker. Schauspielerin<br />
Isabel Weicken, alias Frau Zucker, mit rotbraunen,<br />
hochtoupierten Haaren (Kostüm: Daria Kornysheva)<br />
lächelt verschmitzt vor einem großen Rosettenfenster in<br />
die Kamera, sodass man sich eingeladen fühlt, aber nicht<br />
weiß, ob sie gleich zum Angriff übergehen wird. Die<br />
grün-blauen Augen ziehen den Betrachter in den Bann.<br />
Ihr rosaroter Lippenstift ist perfekt auf die grobmaschige<br />
rosarote Weste abgestimmt. Fast riecht man ihr schweres,<br />
leicht blumiges Parfum, unter das sich die Note der Hautcreme<br />
mischt. In der einen Hand hat sie einen rosa Teller<br />
mit einem Stück dreischichtiger Nuss-Nougat-Himbeer-<br />
Torte, in der anderen Hand hat sie eine Gabel, den kleinen<br />
Finger leicht abgespreizt. Überzogen ist der restliche<br />
Kuchen, der vor ihr steht, mit einem Zuckerguss und wer<br />
genau hinsieht, erkennt darauf die Weltkarte. Werbung,<br />
die Lust auf mehr macht, und Isabel Weicken ist nicht nur<br />
das Highlight auf dem Plakat, sondern glänzt auch in der<br />
Vorstellung. Schrill, aber peppig, ein bisschen liebenswert<br />
und doch böse, so wie Hexen nun mal sind, auch in unserer<br />
Zeit. Doch Weicken ist nur das erste Highlight einer<br />
starken Cast. Hauptdarstellerin Ursula Anna Baumgartner<br />
sorgt als Meg für Schwung. Sie lässt sich den Mund<br />
nicht verbieten und hat auch mit neun Jahren schon eine<br />
gute Vorstellung von dem was man machen sollte und was<br />
nicht. Sie kämpft für ihre Ideale. Mit hochgebundenen<br />
Zöpfen schlägt sie Rad, schreit, flüstert, rennt durch die<br />
Stockwerke des Wiener Zinshauses, das der Zuschauer<br />
im Aufriss (Bühne: Daria Kornysheva) vor sich sieht. So<br />
gibt es keine großen Kulissenwechsel und Meg schafft es<br />
innerhalb von wenigen Sekunden vom Hof in den dritten<br />
Stock. Teilweise kann der Zuschauende auch parallel<br />
erleben, was in den einzelnen Wohnungen passiert. Mit<br />
einer spielerischen Leichtigkeit wird dieses Konzept aber<br />
auch immer wieder aufgehoben, ohne dass es stört. Des<br />
Öfteren wird auch mit der vierten Wand gespielt und die<br />
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blickpunkt musical <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3