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Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122

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<strong>Musical</strong>s in Deutschland<br />

Frühling für Du-weißt-schon-wen<br />

»The Producers« am Theater Hagen<br />

Abb. oben:<br />

Das schlechteste <strong>Musical</strong>-Buch<br />

finden Max (Ansgar Schäfer, l.) und<br />

Leo (Alexander von Hugo, Mitte)<br />

bei Ex-Nazi Franz Liebkind (Richard<br />

van Gemert, r.) bei den Tauben auf<br />

dem Dach<br />

Foto: Björn Hickmann<br />

The Producers<br />

Mel Brooks / Thomas Meehan<br />

Deutsch von Nina Schneider<br />

Theater Hagen – Großes Haus<br />

Premiere: 4. März 2<strong>02</strong>3<br />

Regie .......... Thomas Weber-Schallauer<br />

Musikal. Leitung ...................... Steffen<br />

Müller-Gabriel<br />

Chorleitung ... Wolfgang Müller-Salow<br />

Choreographie ..... Riccardo De Nigris<br />

Bühnenbild .................... Sandra Linde<br />

Kostüme ...................... Yvonne Forster<br />

Licht & Video ..... Hans-Joachim Köster<br />

Leo Bloom ......... Alexander von Hugo<br />

Max Bialystock ............ Ansgar Schäfer<br />

Carmen Ghia ............. Matthias Knaab<br />

Roger De Bris ................ Florian Soyka<br />

Ulla ..................... Emma Kate Nelson<br />

Franz Liebkind .... Richard van Gemert<br />

Sturmtruppenmann .............................<br />

Tobias Georg Biermann<br />

In weiteren Rollen:<br />

Veronica Appeddu, Michael Berres,<br />

Lorenzo Di Girolamo, Jacqueline Krell,<br />

Vera Lorenz, Elena Otten<br />

Chor & Ballett des Theater Hagen<br />

Es gibt tatsächlich Broadway-<strong>Musical</strong>-Flops, die es nach<br />

der Premiere auf nur sehr wenige, reguläre Vorstellungen<br />

gebracht haben. »Dance of the Vampires« ließ Graf<br />

Krolock 20<strong>02</strong> nur 56-mal zubeißen, »Carrie« wurde 1988<br />

nur 5-mal mit Blut übergossen, »Breakfast at Tiffany’s«<br />

ging 1966 nur 4-mal frühstücken, während (Grace) »Kelly«<br />

1965 und »Moose Murders« 1983 bereits am Eröffnungsabend<br />

nach nur einer Vorstellung geschlossen wurden.<br />

In Mel Brooks’ »The Producers« passiert 1959 genau<br />

dies dem früheren König des Broadway Max Bialystock<br />

mit seinem neuen Hamlet-<strong>Musical</strong> »Funny Boy«. Doch<br />

ein veritabler Broadway-Flop wäre laut seinem Buchprüfer<br />

Leo Bloom kein finanzielles Fiasko, hätte man als Produzent<br />

nur genug kriminelle Energie, um sich mit dem<br />

gesamten Produktionsbudget nach Rio abzusetzen – denn<br />

kein Investor würde bei einem Flop erwarten, sein Geld<br />

wiederzusehen, geschweige denn einen Gewinn ausgezahlt<br />

zu bekommen. Und da Leo heimlich davon träumt, ein<br />

Broadway-Produzent zu werden, schmieden Max und<br />

Leo den Plan, den größten Flop der Broadway-Geschichte<br />

zu produzieren. Sie finden in »Frühling für Hitler« ein<br />

unglaublich schlechtes Buch des Exil-Nazis Franz Liebkind,<br />

der nur allzu gern die Titelrolle übernimmt, und<br />

verpflichten dazu den schrecklichen Regisseur Roger De<br />

Bris mit seinem Regenbogen-Team, dessen Motto »Mach<br />

es gay!« am Theater schon bei vielen Stücken rigoros die<br />

letzten Zuschauer vergraulte. Während Max erfolgreich<br />

einer ganzen Armee alternder Damen für die Aussicht<br />

eines zweiten Frühlings das Geld aus den Gehhilfen leiert,<br />

verpflichtet Leo die rassige schwedische Blondine Ulla als<br />

Hauptdarstellerin – wen interessiert schon dialektfreie,<br />

verständliche Aussprache am Theater, wenn einen die optischen<br />

Reize aus dem Sessel hauen?<br />

Als sich Liebkind beim Premierenabend auch noch<br />

sprichwörtlich das Bein bricht und Regisseur De Bris als<br />

schwuler Glitzer-Hitler einspringt, scheint einem Flop<br />

wirklich nichts mehr im Weg zu stehen. Doch das Publikum<br />

und die Kritiker sind von der bissigen Satire, die<br />

es eigentlich gar nicht sein sollte, ausgesprochen angetan<br />

und garantieren der Show eine jahrelange Spielzeit. Max<br />

und Leo fliegen mit ihrem Betrugsversuch auf, aber während<br />

es für Max ins Gefängnis geht, setzen sich Leo und<br />

Ulla tatsächlich mit 2 Millionen Dollar nach Rio ab. Bei<br />

der Gerichtsverhandlung taucht der durch Gewissensbisse<br />

geplagte Leo doch wieder auf und beide werden zu einer<br />

langen Gefängnisstrafe verurteilt. Die Produzenten können<br />

es jedoch auch hinter Gittern nicht lassen und produzieren<br />

mit den Häftlingen das <strong>Musical</strong> »Knackies mit Herz«, was<br />

nach ihrer Begnadigung ihr nächster Hit am Broadway<br />

wird …<br />

Basierend auf seiner Filmkomödie »Frühling für Hitler«<br />

aus dem Jahr 1968, bastelte Autor Mel Brooks, der sich<br />

neben Thomas Meehan für Buch, Musik und Liedtexte<br />

hauptverantwortlich zeigte und damit einer der wenigen<br />

Künstler ist, die mit den vier wichtigsten Auszeichnungen<br />

der US-Unterhaltungsbranche (Grammy, Oscar, Tony<br />

Award, Emmy) geehrt wurden, an seiner <strong>Musical</strong>adaption.<br />

Am 19. April 2001 feierte »The Producers« mit Nathan<br />

Lane und Matthew Broderick am Broadway Premiere<br />

und Dank der einmaligen Rekord-Zahl von 12 gewonnenen<br />

Tony Awards zählt es zu den bisher erfolgreichsten<br />

<strong>Musical</strong>s am Broadway. Brooks, selbst jüdischen Glaubens,<br />

wollte mit seiner Show nie den Holocaust verharmlosen,<br />

den Krieg verherrlichen oder den Nationalsozialismus ins<br />

Lächerliche ziehen, sondern der <strong>Musical</strong>industrie auf der<br />

Suche nach dem nächsten Broadway-Hit einen gnadenlos<br />

satirischen Spiegel vorhalten. Die Show wurde 2005 mit<br />

den originalen Broadway-Darstellern plus Uma Thurman<br />

und Will Ferrell verfilmt, doch leider konnte die Filmversion<br />

nicht einmal die Produktionskosten einspielen.<br />

Obwohl ein schwuler, singender Hitler deutsche<br />

Theater lange Zeit abschreckte, wagte das Wiener Ronacher<br />

mit Andreas Bieber und Bettina Mönch 2008 die<br />

deutschsprachige Erstaufführung. 2009 war die Show im<br />

Admiralspalast in Berlin zu sehen, wo sie internationale<br />

Aufmerksamkeit erhielt, weil die Großbanner und Fahnen<br />

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