05.06.2023 Aufrufe

Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Musical</strong>s in Deutschland<br />

Der Star der Show heißt Oma<br />

»Pippin« an der Staatsoperette Dresden<br />

Abb. oben:<br />

›Ruhm und Ehre‹ – Pippin (Gero<br />

Wendorff, l.) wird von der Prinzipalin<br />

(Kerry Jean, Mitte) und Ludwig<br />

(Sascha Luder, r.) auf die Kriegskunst<br />

vorbereitet<br />

Abb. unten:<br />

›Das Fleisch‹ – Pippin (Gero Wendorff)<br />

lernt die körperliche Liebe<br />

kennen (Damen des Balletts)<br />

Fotos (2): Pawel Sosnowski<br />

Das <strong>Musical</strong> »Pippin« begann seine Entwicklung<br />

1966 am Carnegie Mellon College in Pittsburgh.<br />

Die Idee kam Ron Strauss, als er etwas über Pippin<br />

und dessen Staatsstreich am Hof Karls des Großen<br />

las. Stephen Schwartz war so angetan davon, dass sie<br />

gemeinsam daran arbeiteten und es am 28. April 1967<br />

im Scotch’n’Soda Club als »Pippin, Pippin« uraufführten<br />

und gleich auch noch ein Castalbum aufnahmen.<br />

Wenig später kam die Anfrage eines Produzenten zur<br />

Weiterentwicklung. Ross stieg aus, Schwartz machte<br />

weiter und arbeitete auf Anraten von Harold Prince das<br />

ganze Stück um und schrieb komplett neue Nummern.<br />

1972 kam es dann unter Regie und mit Choreographien<br />

von Bob Fosse zur Broadway-Premiere von »Pippin« in<br />

New York. Nicht ohne Spannungen zwischen Regisseur<br />

und Autor.<br />

Eine weitere, größere Entwicklung nahm das Stück<br />

dann 2013, als man beschloss, das Revival mit einer<br />

weiblichen Prinzipalin zu spielen.<br />

Die Handlung des <strong>Musical</strong>s gleicht einem Roadmovie:<br />

die Sinnsuche auf der Straße des Lebens.<br />

Pippin kommt nach absolviertem Studium zurück<br />

an den Hof seines Vaters, Karl des Großen. Doch mit<br />

seinem erworbenen Wissen ist er hier der Außenseiter<br />

(›Mein Platz auf dieser Welt‹). Dem Hof steht eher der<br />

Sinn nach ›Ruhm und Ehre‹ und Blut. Also lässt sich<br />

Pippin anstecken und zieht ebenfalls enthusiastisch in<br />

den Krieg. Dieser Enthusiasmus verfliegt, als er mit<br />

der brutalen Realität konfrontiert wird und feststellt,<br />

dass auf der Gegenseite genau solche Menschen wie er<br />

kämpfen. Gerade die Kriegssequenz erscheint erschreckend<br />

aktuell. Durch das Umfeld und die Propaganda<br />

aufgestachelt zieht man in den Krieg und kommt am<br />

Ende bestenfalls desillusioniert nach Hause. Vielen ist<br />

nicht einmal das vergönnt.<br />

Pippin versucht, seine nun entstandene innere Leere<br />

mit Sex zu füllen (›Fleisch‹). Doch auch das bringt ihm<br />

keine Ruhe. Er sucht Rat bei seiner Großmutter Bertha,<br />

die ihn zu mehr Lebensfreude und weniger Grübeln<br />

aufruft (›Zeit zu leben‹). Doch Pippin sucht weiter nach<br />

seiner Aufgabe im Leben.<br />

Diese meint er im Aufstand gegen seinen Vater zu<br />

finden, welcher in dessen Tötung mündet. Fortan ist<br />

Pippin König – sehr zum Unwillen seiner Stiefmutter<br />

Fastrada und deren Sohn Ludwig. Doch auch diese<br />

Aufgabe erfüllt ihn nicht, stellt er doch fest, dass das<br />

vermeintlich Einfache dann doch viel komplexer ist, als<br />

gedacht. So streicht er erst alle Erlasse seines Vaters zu<br />

Steuern, Leibeigenschaft und Krieg, um sie dann nach<br />

und nach doch wieder einzusetzen und sich seinen Vater<br />

auf dem Thron zurück zu wünschen. Und da es ein<br />

<strong>Musical</strong> ist, funktioniert das auch. Die Prinzipalin, die<br />

alle seine Schritte in diesem Lebenszirkus lenkt, erledigt<br />

das.<br />

Sie führt ihm nun auch den Alltag der anderen Menschen<br />

vor Augen, indem sie ihm Katharina und ihren<br />

Sohn Theo vorstellt. Sie zeigen ihm ein geregeltes Leben<br />

mit täglich wiederkehrenden Aufgaben und Verantwortung.<br />

Er begreift, dass jede seiner Taten oder Unterlassungen<br />

(er tut nichts, um die Ente des kleinen Theo zu<br />

retten) Folgen hat und versucht nun, dies wieder gut zu<br />

machen. Er kämpft um die Anerkennung des Kindes<br />

und reift dabei selbst zum Erwachsenen.<br />

Das passt der Prinzipalin gar nicht. Möchte sie<br />

doch für ihre Show einen willigen Darsteller haben, der<br />

zuletzt, als größten Effekt, in die Flammen und damit<br />

in den Tod springt.<br />

Pippin verweigert sich, da er erkannt hat, dass das<br />

20<br />

blickpunkt musical <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!