Blickpunkt Musical 02-23 - Ausgabe 122
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<strong>Musical</strong>s in Deutschland<br />
Der Star der Show heißt Oma<br />
»Pippin« an der Staatsoperette Dresden<br />
Abb. oben:<br />
›Ruhm und Ehre‹ – Pippin (Gero<br />
Wendorff, l.) wird von der Prinzipalin<br />
(Kerry Jean, Mitte) und Ludwig<br />
(Sascha Luder, r.) auf die Kriegskunst<br />
vorbereitet<br />
Abb. unten:<br />
›Das Fleisch‹ – Pippin (Gero Wendorff)<br />
lernt die körperliche Liebe<br />
kennen (Damen des Balletts)<br />
Fotos (2): Pawel Sosnowski<br />
Das <strong>Musical</strong> »Pippin« begann seine Entwicklung<br />
1966 am Carnegie Mellon College in Pittsburgh.<br />
Die Idee kam Ron Strauss, als er etwas über Pippin<br />
und dessen Staatsstreich am Hof Karls des Großen<br />
las. Stephen Schwartz war so angetan davon, dass sie<br />
gemeinsam daran arbeiteten und es am 28. April 1967<br />
im Scotch’n’Soda Club als »Pippin, Pippin« uraufführten<br />
und gleich auch noch ein Castalbum aufnahmen.<br />
Wenig später kam die Anfrage eines Produzenten zur<br />
Weiterentwicklung. Ross stieg aus, Schwartz machte<br />
weiter und arbeitete auf Anraten von Harold Prince das<br />
ganze Stück um und schrieb komplett neue Nummern.<br />
1972 kam es dann unter Regie und mit Choreographien<br />
von Bob Fosse zur Broadway-Premiere von »Pippin« in<br />
New York. Nicht ohne Spannungen zwischen Regisseur<br />
und Autor.<br />
Eine weitere, größere Entwicklung nahm das Stück<br />
dann 2013, als man beschloss, das Revival mit einer<br />
weiblichen Prinzipalin zu spielen.<br />
Die Handlung des <strong>Musical</strong>s gleicht einem Roadmovie:<br />
die Sinnsuche auf der Straße des Lebens.<br />
Pippin kommt nach absolviertem Studium zurück<br />
an den Hof seines Vaters, Karl des Großen. Doch mit<br />
seinem erworbenen Wissen ist er hier der Außenseiter<br />
(›Mein Platz auf dieser Welt‹). Dem Hof steht eher der<br />
Sinn nach ›Ruhm und Ehre‹ und Blut. Also lässt sich<br />
Pippin anstecken und zieht ebenfalls enthusiastisch in<br />
den Krieg. Dieser Enthusiasmus verfliegt, als er mit<br />
der brutalen Realität konfrontiert wird und feststellt,<br />
dass auf der Gegenseite genau solche Menschen wie er<br />
kämpfen. Gerade die Kriegssequenz erscheint erschreckend<br />
aktuell. Durch das Umfeld und die Propaganda<br />
aufgestachelt zieht man in den Krieg und kommt am<br />
Ende bestenfalls desillusioniert nach Hause. Vielen ist<br />
nicht einmal das vergönnt.<br />
Pippin versucht, seine nun entstandene innere Leere<br />
mit Sex zu füllen (›Fleisch‹). Doch auch das bringt ihm<br />
keine Ruhe. Er sucht Rat bei seiner Großmutter Bertha,<br />
die ihn zu mehr Lebensfreude und weniger Grübeln<br />
aufruft (›Zeit zu leben‹). Doch Pippin sucht weiter nach<br />
seiner Aufgabe im Leben.<br />
Diese meint er im Aufstand gegen seinen Vater zu<br />
finden, welcher in dessen Tötung mündet. Fortan ist<br />
Pippin König – sehr zum Unwillen seiner Stiefmutter<br />
Fastrada und deren Sohn Ludwig. Doch auch diese<br />
Aufgabe erfüllt ihn nicht, stellt er doch fest, dass das<br />
vermeintlich Einfache dann doch viel komplexer ist, als<br />
gedacht. So streicht er erst alle Erlasse seines Vaters zu<br />
Steuern, Leibeigenschaft und Krieg, um sie dann nach<br />
und nach doch wieder einzusetzen und sich seinen Vater<br />
auf dem Thron zurück zu wünschen. Und da es ein<br />
<strong>Musical</strong> ist, funktioniert das auch. Die Prinzipalin, die<br />
alle seine Schritte in diesem Lebenszirkus lenkt, erledigt<br />
das.<br />
Sie führt ihm nun auch den Alltag der anderen Menschen<br />
vor Augen, indem sie ihm Katharina und ihren<br />
Sohn Theo vorstellt. Sie zeigen ihm ein geregeltes Leben<br />
mit täglich wiederkehrenden Aufgaben und Verantwortung.<br />
Er begreift, dass jede seiner Taten oder Unterlassungen<br />
(er tut nichts, um die Ente des kleinen Theo zu<br />
retten) Folgen hat und versucht nun, dies wieder gut zu<br />
machen. Er kämpft um die Anerkennung des Kindes<br />
und reift dabei selbst zum Erwachsenen.<br />
Das passt der Prinzipalin gar nicht. Möchte sie<br />
doch für ihre Show einen willigen Darsteller haben, der<br />
zuletzt, als größten Effekt, in die Flammen und damit<br />
in den Tod springt.<br />
Pippin verweigert sich, da er erkannt hat, dass das<br />
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