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Ausgabe 6/2008 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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Heimtrainern. "Zuviel Freiheit für Athleten", beklagte der bis<br />

und in Peking oberste Bundestrainer der Leichtathleten,<br />

Jürgen Mallow. Und Örjan Madsen, Chefcoach der Schwimmer<br />

ebenfalls bis Peking, musste ohnmächtig mit ansehen,<br />

wie einzelne Gruppen mit seinem Konzept Jojo spielten. Im<br />

Rudern, monierte Dietrich Gerber, habe das wahre Leistungsvermögen<br />

wegen "Ungeschicklichkeiten des Verbandes" nicht<br />

gezeigt werden können.<br />

Muss folglich den Verbänden einfach nur der liebgewonnene<br />

Föderalismus ausgetrieben werden, wie von denen gefordert<br />

wird, die schon immer die Meinung vertraten, er sei dem<br />

Spitzensport im Wege? Nein, sagt Gerber, die Konzepte brauchen<br />

nicht umgeschrieben zu werden, sondern müssen einfach<br />

nur durchgesetzt werden. Nichtsdestotrotz geht die<br />

neue Richtung hin zu mehr Zentralismus und Konzentration<br />

der Kräfte. Schluss mit lange Leine, Vivat den kurzen Wegen.<br />

Derlei scheint die wichtigste Erkenntnis der Pekinger Bilanz<br />

zu sein. Orientierung geben nicht die Methoden des ehemaligen<br />

Ostblocks, eher stehen Großbritannien und Australien<br />

Modell. Und der BL will den Fahrplan künftig "anhand von<br />

Meilensteingesprächen überprüfen" (Schwank). Schwimmer,<br />

Leichtathleten, Ruderer und (Spring-) Reiter, allesamt des<br />

eifrigen Medaillensammelns in Peking unverdächtig, bestellten<br />

bereits neue Cheftrainer und Sportdirektoren. "Einschneidende<br />

Maßnahmen" seien dies, teilt Schwank mit und hat<br />

eben deshalb etwas auszusetzen: Ihm fehlt die öffentliche,<br />

weltweite Ausschreibung der Stellen, "damit wir deutlich<br />

signalisieren, dass wir die Besten haben wollen".<br />

16<br />

Das Trainerproblem. Dass hierzulande ein solches existiert,<br />

thematisierte der DOSB-Bereich Leistungssport schon vor<br />

eineinhalb Jahren. Nach Peking schlugen die Tübinger Professoren<br />

Helmut Digel und Ansgar Thiel mit den Ergebnissen<br />

einer Studie zum Berufsfeld der Trainer noch einmal Alarm.<br />

Auf einen Nenner gebracht ergab die Befragung von 1.812<br />

Trainern und Trainerinnen sowie 616 "Funktionsträgern der<br />

wichtigsten Arbeitgeber": Das Trainergeschäft in Deutschland<br />

wird nur semiprofessionell betrieben. Im Einzelnen heißt das:<br />

Miese Bezahlung (50% der angestellten Trainer erhalten<br />

weniger als 3.000 Euro brutto im Monat), defizitäre Weiterbildungsangebote,<br />

fehlende Nachwuchsförderung, undurchsichtige<br />

Vertragskonstruktion, zu wenig weibliche Trainer, keine<br />

Evaluation der Trainerarbeit, unzureichend wissenschaftlich<br />

qualifizierte Dozenten etc. Berlin habe inzwischen die Mittel<br />

erhöht, "wir haben der Bundesregierung deutlich signalisiert,<br />

dass weitere Schritte notwendig sind", sagt Bernhard<br />

Schwank - "um unsere Trainer international<br />

konkurrenzfähig zu halten". Die<br />

Traineroffensive ist gleichwohl erst am<br />

Anfang.<br />

Das Nachwuchsproblem. Während das<br />

System der Nachwuchsförderung mit<br />

den Spezialeinrichtungen der Schulen<br />

(Elitesportschulen) zu greifen scheint,<br />

treten bei Beginn der Berufsausbildung,<br />

der Studiengänge an den Universitäten<br />

und des Berufslebens nach<br />

wie vor Schwierigkeiten auf. Sagt<br />

DOSB-Mann Gerber. "Der ganz große<br />

Knackpunkt" sei jedoch die Vereinbarkeit<br />

von Spitzensport und betrieblicher<br />

Beschäftigung. Gerber: "Wir haben zu<br />

wenige sportfreundliche Unternehmer."<br />

Die der Leichtathletik-Verband<br />

DLV gefunden haben will. Er arbeitet<br />

zurzeit an einem Modell, in dem<br />

Wirtschaftsunternehmen Patenschaften<br />

für Athleten übernehmen. Sie<br />

sollen bei den Firmen vertraglich<br />

angestellt werden, Gehalt bekommen<br />

und von den üblichen Arbeitsverpflichtungen freigestellt<br />

werden. Wie verträglich für den Spitzensport ein solcher<br />

Vertragsathlet ist, wird sich erweisen müssen.<br />

Im Übrigen zeigt eine Äußerung von DLV-Mann Emrich, wie<br />

sehr die Frage nach der Richtung des Wegs unter den Nägeln<br />

brennt: "Im Zentrum aller Überlegung müssen die Sportler<br />

stehen. Ihre allumfassende Ausbildung muss Zweck unserer<br />

Bemühungen sein. Sportler sind nicht Mittel zum Erhalt eines<br />

Fördersystems und zum Erringen von Medaillen." Die nächsten<br />

Jahre werden spannend sein und höchst aufschlussreich.

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