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Ausgabe 6/2008 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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"<br />

S<br />

tart - Sport überspringt kulturelle Hürden". So heißt<br />

das Modellprojekt, das Gül Keskinler im Auftrag von<br />

Land und Landessportbund (LSB) Hessen seit sechs<br />

Jahren betreut. Der Titel könnte über ihrem Leben stehen.<br />

Denn die heute 48Jährige, die vor zwei Jahren Integrationsbeauftragte<br />

des <strong>Deutsche</strong>n Fußball-Bundes (DFB) wurde, hat<br />

am eigenen Leib erfahren, wie sehr der Sport helfen kann,<br />

sich in einer neuen, fremden Welt zurechtzufinden. Die kleine<br />

Gül (zu Deutsch: Rose) war sieben Jahre alt, als sie 1970 mit<br />

ihren Eltern aus Istanbul ins rechtsrheinische Bensberg (heute<br />

Gül Keskinler:<br />

Integration pur oder Mit<br />

dem Sport Brücken zwischen<br />

den Kulturen bauen<br />

Von Steffen Haffner<br />

ein Ortsteil von Bergisch Gladbach) gegenüber von Köln kam.<br />

"Ich konnte kein Wort Deutsch sprechen und wurde prompt<br />

in der Schule als Türkin gehänselt."<br />

Das änderte sich rasch, als eine Nachbarin sie mit in den<br />

Turnverein Bensberg 1901 nahm. Mit Begeisterung turnte sie<br />

dort, spielte Volleyball und fühlt sich hier bis auf den heutigen<br />

Tag heimisch. Ihrem jüngeren Bruder Shahin half der<br />

Fußball dabei, sich rasch einzugewöhnen. "Bald konnte ich<br />

meinen Eltern bei der Sprachvermittlung helfen." Vater und<br />

Mutter, moderne, europäisch denkende Istanbuler, brauchten<br />

wegen ihrer Sprachdefizite lange, bis sie als einzige Türken in<br />

dem wohlhabenden deutschen Umfeld akzeptiert wurden.<br />

"Trotz seiner bürgerlichen Herkunft war mein Vater, der in<br />

der Türkei Angestellter bei der Nato war, vom Denken her ein<br />

typischer Gastarbeiter. Er wollte zusammen mit meiner<br />

30<br />

Mutter rasch einen bestimmten Betrag sparen für die Rückkehr."<br />

Der Plan, nur für ein paar Jahre in Deutschland zu bleiben, "saß<br />

uns Kindern im Genick. Diese in der ersten Gastarbeiter-Generation<br />

weit verbreitete Absicht hat die Entwicklung der Kinder, sich<br />

hier zu etablieren, sich mehr für die deutsche Sprache zu interessieren,<br />

sehr gestört. Es waren für viele Kinder, beim Versuch<br />

sich hier einzuleben, verlorene Jahre." Sie selbst kam bald gut<br />

klar mit dem Wechsel zwischen dem freieren deutschen und<br />

dem muslimisch werteorientierten Leben ihrer Familie. "So liberal<br />

meine Eltern waren, hatten sie doch Angst, die Kinder könnten<br />

durch die deutsche Lebensweise überfremdet werden." Für die<br />

Heranwachsende gab es feste Regeln: "Ausgehen, einen Freund<br />

haben. Das gab's nicht. Das freie jugendliche soziale Leben fand<br />

nicht statt." Es tröstete sie ein wenig, dass es den katholisch<br />

erzogenen Töchtern in der Nachbarschaft ähnlich erging. Den<br />

Eltern war es dann sehr recht, dass sie ihren Mann, einen<br />

Maschinenbau-Ingenieur, im türkischen Umfeld fand. Längst<br />

wurzelt sie im Rheinland, spricht Kölsch und ist mit ihrem Mann<br />

Mitglied im Bensberger Karnevalsverein.<br />

Ihr heute 23-jähriger Sohn Kerem und ihre zwölfjährige<br />

Tochter Dilara wuchsen wie viele Kinder der dritten Zuwanderer-Generation<br />

freier auf. "Sie müssen sich weniger an<br />

traditionelle Regeln halten. Dafür diskutieren sie ständig mit

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