die Migranten, die Türken, die Marokkaner, die Griechen, die Italiener gefragt: ‚Was verstehen Sie unter Sport?'" Heraus kam: Sport ist für sie Fußball, Basketball, Boxen, Ringen. Mit Breitensport und Vereinssport hatten sie nichts im Sinn und erst recht nichts mit Sport für Frauen. "Das Freizeitverhalten von Südländern ist ganz anders als das von Mitteleuropäern. Man trifft sich, isst und trinkt viel, man unterhält sich über Gott und die Welt. Man packt nicht wie bei den <strong>Deutsche</strong>n üblich die Kinder und geht zum Schwimmen." Daraus folgerte die Einsicht: "Wir kommen mit den Ideen, Programmen und Materialien des LSB nicht in die Wohnzimmer der Migranten und in die Köpfe der Familien." Gül Keskinler hatte dann die zündende Idee: "Wir müssen die Migranten mit dem Thema ‚Gesundheit' aufrütteln, bei ihren Problemen mit den Gelenken, dem Rücken, dem hohen Blutdruck oder der Diabetes einhaken." Sie hat sehr schnell ein Netzwerk von Ärzten, Ernährungsberatern, Sportsoziologen aufgebaut, die aus dem jeweiligen Kulturkreis stammten und die Teilnehmer an den Gesundheitsseminaren in ihrer vertrauten Sprache zu der Botschaft führten: "Ihr müsst euch bewegen!" Bei den Türken war die Resonanz besonders gut. "Denn wir haben die Seminare am Sonntagnachmittag in den Räumlichkeiten der Moscheen und Kulturvereine gemacht, dort wo sich die Familie ohnehin trifft." Es sei nicht das Ziel gewesen, die Großmutter für den Sportverein zu gewinnen. "Aber wenn die Oma das Sportangebot für Seniorinnen in einem Moscheeverein annimmt und sich jeden Mittwoch oder Freitag sportlich betätigt, dann wirkt sie als Vorbild und trägt das Thema in die Familie." Allmählich stellte sich der Erfolg ein. Inzwischen sind in Frankfurt am Main, Darmstadt und Rüsselsheim mehr als sechzig Übungsleiterinnen aus den verschiedensten Ländern ausgebildet worden. Außer der Vermittlung sporttechnischer Inhalte wurden die Frauen vor allem sprachlich so fit gemacht, dass sie sich auch in den deutschen Sportvereinen ihres Stadtteils behaupten können. Denn dort haben sie immer noch Widerstände zu überwinden, auch wenn viele Vereine dabei seien, die alte Sichtweise zu überwinden: Wer zu uns kommt, muss so sein oder so werden wie wir. Eine große Rolle in der Integrationsarbeit spielt für Gül Keskinler der Fußball. Der ist ihr nicht nur durch ihren Sohn vertraut. "Die Profis des 1. FC Köln mit Wolfgang Overath, mit "Toni" Schumacher und Pierre Littbarski haben früher am Waldrand in Bensberg trainiert. Da waren wir Kinder natürlich dabei." Mit ihrer Agentur betreute sie zuletzt das Modellprojekt "Fußball ist das Tor zum Lernen", das vom DFB, der Bundesagentur für Arbeit, dem Land Hessen und dem Hessischen Fußballverband getragen wird. Damit wurden im Frankfurter Raum junge, in der Mehrzahl männliche Langzeit-Arbeitslose mit Eltern von Einwanderern durch Berufsbildungsmaßnahmen wieder an eine geregelte Tätigkeit herangeführt. Die Möglichkeit, die C-Lizenz "Fußballtrainer Breitensport" zu 32 erwerben oder sich als Schiedsrichter ausbilden zu lassen, trug wesentlich zu ihrer Motivation bei. Von 32 Teilnehmern blieben 27 bei der Stange und erhielten Praktikumsplätze in verschiedensten Unternehmen. Ein Erfolg, der es ermöglicht, in Kürze das Projekt neu aufzulegen. Schlagzeilen machte Gül Keskinler, als der <strong>Deutsche</strong> Fußball- Bund sie vor zwei Jahren zu seiner ehrenamtlichen Integrationsbeauftragten berief. Schon vorher war sie gefragt in Talkshows von Sabine Christiansen bis Maischberger, nahm kürzlich wieder am dritten Integrationsgipfel unter der Leitung von Angela Merkel teil und wurde zur Beratung des Nationalen Integrationsplans hinzugezogen. Als kooptiertes Mitglied des DFB-Vorstands eröffnen sich Gül Keskinler gute Möglichkeiten, ihre Vorhaben im Fußball durchzusetzen. Nicht zuletzt, da DFB-Präsident Theo Zwanziger das Thema Integration, das mittlerweile auch im Schulund Mädchen-Fußball Eingang findet, zur Chefsache gemacht hat. Inzwischen haben die meisten der 21 Landesverbände des DFB ebenfalls "Brückenbauer zwischen den Kulturen" berufen. Gül Keskinler zieht durch die Lande und spricht in permanenter Überzeugungsarbeit über das gesellschaftliche Phänomen der Integration durch Fußball, die als nächstes die Basis der Vereine erreichen soll. "Im türkisch-sprachigen Fernsehen wollen wir in Talkshows auf die Bildungsangebote von Vereinen und Verbänden hinweisen und so in die Wohnzimmer kommen." Ein Großteil der 1.000 Minispielfelder sind mittlerweile hauptsächlich in Stadtteilen mit hohem Anteil an Migranten gebaut worden, deren Kinder über den Fußball in die Gemeinschaft wachsen sollen. Mit solchen Aktionen könnten, so hofft sie, die latente Diskriminierung abgebaut und die Gewalt, in der junge Migranten nicht selten ihre gesellschaftliche Frustration im Fußball ausleben, verringert werden. Dazu können Ereignisse wie das EM-Spiel zwischen Deutschland und der Türkei beitragen, das in entspannter Atmosphäre über die Bühne ging. "Besonders positive Wirkungen hatten die Botschaften von Bundestrainer Joachim Löw, wie gastfreundlich, wie fußballbegeistert die Türken sind. Die türkisch-sprachigen Medien haben ausführlich darüber berichtet. Das hat den Türken sehr gut getan", berichtet Frau Keskinler. Viel verspricht sie sich von der nachrückenden Einwanderer- Generation. Mustafa Dogan hatte vor neun Jahren als erster türkischstämmiger Spieler zwei kurze Einsätze in der deutschen Nationalmannschaft. Der Bremer und frühere Schalker Mesut Özil wurde U19- und U21-Auswahlspieler, und der Stuttgarter Serdar Tasci hat es inzwischen auf vier Länderspiele gebracht. Andere Spieler werden folgen. Und Gül Keskinler weiß: "Die Jungs identifizieren sich mit der deutschen Nationalmannschaft und sind stolz darauf, dort zu spielen. Wir brauchen solche Vorbilder." Als Zugpferde der Integration.
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