Ausgabe 6/2008 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Rogge in der Wachstumsfalle<br />
D<br />
ie Meldung hatte keinen Neuigkeitswert: Jacques Rogge<br />
will - wie erwartet - IOC-Präsident bleiben. Niemand zweifelt<br />
daran, dass der 66-Jährige im kommenden Jahr durch die<br />
Vollversammlung des Internationalen <strong>Olympische</strong>n Komitees eine<br />
Mandatsverlängerung bis 2013 erhalten wird. Rogge wertet die<br />
Spiele von Peking als erfolgreichen Schlusspunkt einer siebenjährigen<br />
Präsidentschaft. Die von ihm als Vermächtnis betrachteten<br />
<strong>Olympische</strong>n Jugendspiele will er bei ihren Premieren 2010<br />
und 2012 noch selbst steuern. Und einen Richtung weisenden<br />
<strong>Olympische</strong>n Kongress in Kopenhagen abzuhalten, um dann vor<br />
dessen Ergebnissen davon zu laufen, das wäre unverständlich<br />
und eigentlich auch unverantwortlich gewesen.<br />
Als Rogge die Führung 2001 vom Spanier Juan Antonio Samaranch<br />
übernahm, war das Ansehen des IOC auf einem Tiefpunkt<br />
angelangt. Der Belgier hat es aus diesem Tal herausgeführt, ohne<br />
jedoch die Rückgewinnung von Reputation und die der olympischen<br />
Idee innewohnende moralische Kraft ausreichend zu<br />
nutzen. So trat seine Weltorganisation in der Auseinandersetzung<br />
um Menschenrechte ausschließlich als ein Sportverband in<br />
Erscheinung, dessen einziges Anliegen es war, seine Veranstaltung<br />
einigermaßen reibungslos über die Bühne zu bringen. Diese<br />
Selbstbeschränkung, die ihren Ausdruck auch in einem unzureichenden<br />
Management der vorolympischen Krise fand, hat dem<br />
IOC und seinem Präsidenten geschadet.<br />
Erfolge kann der Herr der Ringe in seinem Bemühen um sauberen<br />
Sport vorweisen. Da ist der Mediziner Rogge in seinem Element.<br />
Konsequenzen, die auch zu der von ihm propagierten Null-<br />
Toleranz-Politik gehören müssten, hat er vermieden. Dabei wäre<br />
die Aussperrung des vom Doping verseuchten Profi-Straßenradsports<br />
der Männer, zwei Wettbewerbe unter 302 Konkurrenzen<br />
bei den Sommerspielen in Peking, ein unmissverständliches<br />
Zeichen gewesen. Ein Zeichen auch dafür, dass diese ausschließlich<br />
in "Ställen" organisierten Berufssportler schon lange ihren<br />
Verbänden entwachsen sind und damit wie die Profiboxer Gesetzen<br />
unterliegen, die ausschließlich vom Profit bestimmt werden.<br />
Die größten Erfolge hat Rogge ganz überraschend auf dem Feld<br />
der Kommerzialisierung eingefahren. Angetreten war er als IOC-<br />
Präsident mit dem erklärten Willen, die <strong>Olympische</strong>n Spiele zu<br />
begrenzen, den Aufwand und ihren Showcharakter zurückzuführen<br />
und sie insgesamt bezahlbarer zu machen. Davon ist nur<br />
übrig geblieben, dass durch eine Art von Unfall die Zahl der<br />
Sportarten in London 2012 um Baseball und Softball auf 26<br />
reduziert wurde. Rogges Versuch, die abgewählten Sportarten<br />
durch publikumswirksamere zu ersetzen, misslang. Insgesamt<br />
haben sich Aufwand und Kosten so sehr erhöht, dass Afrika<br />
weiter entfernt ist denn je, auch einmal olympischer Gastgeber<br />
sein zu können. Mittlerweile gilt als Faustregel, dass entwickelte<br />
Städte unter drei Millionen Einwohnern ungeeignet sind.<br />
Der IOC-Präsident, ein Mann bescheidener Lebensführung, hat<br />
an der Schraube kräftig mitgedreht. Längst hat er den Lehrsatz<br />
28<br />
von Samaranch übernommen, wonach der Erhalt der Attraktion<br />
<strong>Olympische</strong>r Spiele das Wichtigste sei. Rogge gelang es, ihren<br />
Marktwert über die Maßen zu steigern. Unter seiner Führung<br />
erzielte das IOC traumhafte Zuwachsraten. Ausdruck dieses<br />
Gewinnstrebens war die Tatsache, dass der Belgier sich selbst an<br />
die Spitze der Kommission für TV-Rechte setzte.<br />
Doch nun sitzt der IOC-Präsident in einer Wachstumsfalle. Die<br />
olympische Familie streitet heftig um ihre Anteile. Die Weltwirtschaftskrise<br />
begrenzt den Zuwachs. Eine höhere Rendite ist für<br />
die Anteilseigner nach 2012 wohl nur dann zu erreichen, wenn<br />
Chicago die Spiele 2016 zugesprochen bekommt. Dies ließe sich<br />
mit höherer Wahrscheinlichkeit realisieren, wenn Rogge die<br />
Vertragsverhandlungen mit dem amerikanischen Fernsehen als<br />
größtem olympischen Sponsor auf die Zeit nach Kopenhagen<br />
verschieben würde. Doch damit würde er eine bewährte, unbestechliche<br />
olympische Regel außer Kraft setzen: Erst der Preis,<br />
dann die Ware.<br />
Günter Deister<br />
Gedämpfter Optimismus bei der<br />
Sporthilfe<br />
D<br />
ie Stiftung <strong>Deutsche</strong> Sporthilfe hat nach der Berufung<br />
Werner E. Klattens zum Vorstandsvorsitzenden ruhigeres<br />
Fahrwasser erreicht. Das war auch notwendig nach den Sturmschäden,<br />
die der Rücktritt seiner Vorgängerin verursachte. Die<br />
Berufung von Ann Kathrin Linsenhoff erwies sich im Nachhinein<br />
als ein großes Missverständnis. Die Erwartungen des Aufsichtsrats<br />
der Stiftung an die Reiterin richteten sich auf eine Kombination<br />
von überzeugender Außendarstellung, gutem Zugang zu den<br />
Athleten sowie der Kärrnerarbeit des Generierens von Fördermitteln<br />
und des sportpolitischen Schachspiels. Die Dressur-Olympiasiegerin<br />
wiederum hatte wohl vor allem die Repräsentanz in der<br />
Öffentlichkeit und den Umgang mit den Sportlern im Blick. Sie<br />
glaubte anscheinend, die Finessen des Fördergeschäfts und der<br />
Sportpolitik ohne die Hilfe von kompetenten Fahrensleuten wie<br />
dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Wilhelm Gäb und seinem<br />
Stellvertreter Professor Jürgen Hubbert meistern zu können. Bar<br />
jeder Erfahrung auf diesen Feldern, musste ihr Solo scheitern.<br />
Wie schon beim Rücktritt von Hans-Ludwig Grüschow, der vor<br />
dreieinhalb Jahren über eine Ungeschicklichkeit gestolpert war,<br />
liegt in dem Wechsel an der Spitze auch eine Chance. Damals<br />
hatte Gäb als Nothelfer die Sporthilfe modernisiert und mit der<br />
Imagekampagne "Leistung. Fairplay. Miteinander" zur ethischmoralischen<br />
Vorausabteilung des deutschen Sports gemacht. Ein<br />
Verdienst, von dem bei der einseitigen Parteinahme der meisten<br />
OF-KOMMENT<br />
OF-KOMMENTARE<br />
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