Ausgabe 6/2008 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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ewegt, Birken und Buchen gepflanzt wurden, um Sichtachsen<br />
herzustellen. Für einen künstlichen See wurden Wasservögel aus<br />
dem Berliner Zoo herbeigeschafft, um dem Ganzen einen<br />
natürlich gewachsenen Anschein zu geben. Zwei Wochen<br />
Paradies, dann folgte die Ernüchterung: Das Dorf wurde seinem<br />
eigentlichen Zweck zugeführt - die Wehrmacht zog ein und<br />
bereitete sich auf den Ernstfall vor. Während des Krieges wurde<br />
die Anlage zum Lazarett umfunktioniert.<br />
1945 zog die Rote Armee in das "Friedensdorf", das nun für<br />
Jahrzehnte ein verbotener Ort wurde. Die Sowjets nutzten das<br />
Gelände für ihre Zwecke, rissen viele der einstigen Sportlerunterkünfte<br />
ab. Von den 136 einstöckigen Häusern stehen heute noch<br />
20. 1992 zogen die GUS-Truppen ab. Zurück blieben mehrere<br />
tausend Tonnen Müll und Gebäudeschutt. Die vielen Um- und<br />
Neubauten der Armee hatten die Anlage weitgehend zerstört.<br />
Was sollte man nun mit diesem braunen Erbe tun? Nach der<br />
Wiedervereinigung flammten alte Gebietsstreitigkeiten zwischen<br />
den brandenburgischen Gemeinden Elstal und Dallgow<br />
auf, Investoren blieben aus. Obwohl das Dorf wegen seiner<br />
historischen und künstlerischen Bedeutung unter Denkmalschutz<br />
steht, war es weiter vom Verfall bedroht. Doch dann<br />
stiegen als <strong>Gesellschaft</strong>er die DKB Immobilien AG und die DKB<br />
Wohnen GmbH ein, die im Jahr 2000 als GbR <strong>Olympische</strong>s Dorf<br />
Eigentümer der Anlage wurden.<br />
Kleine Fortschritte sind nicht zu übersehen - es tut sich was,<br />
seit die DKB-Stiftungen für gesellschaftliches Engagement<br />
Eigentümerin des <strong>Olympische</strong>n Dorfes ist. Einige der hässlichen<br />
Plattenbauten aus Sowjetzeit wurden abgerissen. Ein ehemaliges<br />
historisches Mannschaftshaus der Sportler wird saniert wie<br />
auch der einst künstlich angelegte See. Und der Sport ist<br />
zurückgekehrt: Aschenbahn, Kugelstoß-, Weitsprung- und<br />
Speerwurfanlagen wurden dafür erneuert. Die Turnhalle kann<br />
wieder genutzt werden,<br />
und auf dem 2005 neu<br />
verlegten Fußballrasen<br />
trainiert der Verein ESV<br />
Lok Elstal kostenlos,<br />
kümmert sich aber um<br />
die Pflege des Platzes.<br />
Steffen Freund, ehemaligerFußball-Nationalspieler,<br />
trainiert nicht<br />
nur sein Jugendteam<br />
dort, sondern er organisiert<br />
auch ein Fußballturnier:<br />
Auf historischem<br />
Gelände treten Spitzenmannschaften<br />
wie<br />
Borussia Dortmund oder<br />
Hertha BSC und andere<br />
an.<br />
Eine besondere Beziehung zum <strong>Olympische</strong>n Dorf hat Kugelstoßerin<br />
Astrid Kumbernuss: Sie gab 2005 dort ihre Abschiedsvorstellung.<br />
Nun ist sie seit drei Jahren Moderatorin beim DKB-<br />
Cup-Finale.<br />
Nicht nur Asse wie die Speerwerferinnen Steffie Nerius und<br />
Christina Obergföll oder Kugelstoßerin Nadine Kleinert erleben<br />
Sport an diesem besonderen Ort. Auch der Nachwuchs bereitet<br />
sich bei diesen Veranstaltungen auf große internationale Einsätze<br />
vor. Und die besondere Luft schnuppern wollen auch die, die<br />
später gerne mal ganz oben auf dem Treppchen stehen würden:<br />
Klassen- und Schulstaffeln unterschiedlicher Nationalitäten<br />
starten beim "Jesse Owens Memorial Staffellauf" oder bei<br />
Wettbewerben wie "Deutschland sucht den Supersprinter". Und<br />
bei einer Kinderolympiade wetteifern über 200 kleine Sportler in<br />
ungewöhnlichen Disziplinen wie Besenweitwurf um Medaillen<br />
und natürlich die Ehre....<br />
George Taylor war acht, als er mit seinen Eltern aus York nach<br />
Berlin zu den Spielen kam. Er besuchte auch damals das <strong>Olympische</strong><br />
Dorf. Bei der Führung nun kam die Erinnerung, kleine<br />
bunte Mosaiksteinchen: Wie er an der Hand von Vater und<br />
Mutter beim Tag der offenen Tür Schwimmbad und Sauna<br />
besichtigte. Oder dass im Empfangsgebäude viele Fahnen<br />
hingen. Und an die laute Musik. Der 84-Jährige will nächstes<br />
Jahr mit mehr Zeit wieder kommen und wünscht sich, dass man<br />
vielleicht auch ein kleines Museum einrichten würde "wo auch<br />
hinter die Fassade geschaut wird, was damals in Deutschland<br />
durch diese Spiele übertüncht wurde".<br />
Mit diesem Wunsch steht der Brite nicht allein. Wenn das <strong>Olympische</strong><br />
Dorf als "Denkmal nationaler Bedeutung" anerkannt<br />
würde, dann könnte mit Bundes- und Landesmitteln restauriert<br />
werden, und vielleicht ginge dann der Wunsch der polnischen<br />
Austauschschülerin Maria in Erfüllung: so etwas wie eine<br />
Jugendbegegnungstätte<br />
einzurichten. Die war<br />
schon mal im Gespräch,<br />
wurde aber mangels<br />
Finanzmitteln schnell<br />
wieder ad acta gelegt.<br />
Wenn Jugendliche an<br />
diesem Ort lebenslange<br />
Freundschaften schließen<br />
würden, wie einst<br />
Owens und Long, der an<br />
den Freund 1939 in die<br />
USA schrieb: "Sag Ihnen,<br />
wie gut wir uns verstanden<br />
haben" - das wäre<br />
im Nachhinein ein<br />
Triumph über das grausame<br />
NS-Terrorregime<br />
im Dorf des Friedens.<br />
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