Ausgabe 6/2008 - Deutsche Olympische Gesellschaft
Ausgabe 6/2008 - Deutsche Olympische Gesellschaft
Ausgabe 6/2008 - Deutsche Olympische Gesellschaft
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
schen Triumphes<br />
auf der 500-<br />
Meter-Strecke<br />
1992 in Albertville<br />
abgetreten sei,<br />
nachdem der neu<br />
eingeführte<br />
Olympia-Rhythmus<br />
bereits zwei<br />
Jahre danach in<br />
Lillehammer die<br />
nächste Medaillenchanceeröffnet<br />
hätte.<br />
Mey, der auch<br />
sechsmal im<br />
Gesamt-Weltcup triumphierte, bezeichnet sich als "Mensch, der<br />
stark auf ein Ziel hinarbeitet". Ist es erreicht, sei das Thema für<br />
ihn abgeschlossen. Mit dem zweiten 500-Meter-Sieg in Folge<br />
war ihm in Albertville ein Bravourstück gelungen, das zuvor nur<br />
ein <strong>Deutsche</strong>r, der Münchener Erhard Keller 1968 und 1972,<br />
vollbracht hatte. Der Gefahr, in Lillehammer "als abgetakelte<br />
Ente" - so Mey - vom Eis zu gehen, wollte er sich nicht aussetzen.<br />
Ein kluger Entschluss, denn fortan konnte sich der selbstbewusste,<br />
ehrgeizige Berliner, jung verheiratet und Vater einer<br />
damals dreijährigen Tochter (Caroline), ganz seinem beruflichen<br />
Fortkommen widmen. Als diplomierter Sportlehrer setzte<br />
er sich abermals auf die Schulbank und begann im Herbst<br />
1992 bei einem Leasing-Unternehmen die Ausbildung zum<br />
Bürokaufmann, die er - wie er sagt - "mit sehr hohem Aufwand<br />
auf anderthalb Jahre verkürzen konnte". Seitdem hat er<br />
bei mehreren Unternehmen Erfahrung gesammelt, ist viel<br />
gereist und jetzt mit 45 möglicherweise im besten Alter für<br />
diese Arbeit.<br />
Die Meinung, dass der Sport von heute mehr und mehr von<br />
finanziellen Faktoren bestimmt wird, will er nicht so ohne<br />
weiteres teilen. "Wenn ein Sportler in der Lage ist, mit Höchstleistungen<br />
Geld zu verdienen, soll er das tun, so lange es Leute<br />
gibt, die dafür Geld ausgeben." Die Gefahr der Manipulation<br />
gäbe es schließlich auch in anderen Bereichen, in denen überdurchschnittlich<br />
hohe Leistungen gefordert sind, nicht nur im<br />
Sport. Dass Deutschland in der Dopingbekämpfung eine Vorreiterrolle<br />
übernommen hat, sieht Mey als "ausgesprochen positiv",<br />
befürchtet indes, "dass man wie Don Quichotte gegen<br />
Windmühlen kämpft".<br />
Der Sport hat ihm die "Grundeinstellung zum Leben" vermittelt.<br />
Fairness, Teamgeist und Zielstrebigkeit seien auf sportlicher wie<br />
beruflicher Ebene gleichermaßen wichtig. "Ich bin sehr ungeduldig",<br />
sagt er, "wenn irgend etwas nicht schnell genug geht."<br />
Gleichgültigkeit, Trägheit, Unentschlossenheit bringen ihn auf<br />
die Palme.<br />
Bei der beliebten Standardfrage nach einem Laster, einer Schwäche<br />
zögert er mit der Antwort und wirft einen fragenden Blick zu<br />
seiner Frau Anette, die unser Gespräch verfolgt. Nein, zu diesem<br />
Stichwort fällt auch ihr zunächst nichts ein. Erst später, als Uwe-<br />
Jens Mey vom regelmäßigen wöchentlichen Fußballtreff mit<br />
Gleichgesinnten Freitagabend erzählt, merkt sie etwas kritisch an,<br />
dass sich "das mit dem Bierchen danach manchmal doch recht<br />
lange hinzieht". Und einsichtig fügt er hinzu, er könne halt<br />
schwer nein sagen, wenn er mit Kumpels oder Freunden zusammen<br />
ist. So gesehen, eben doch eine kleine Schwäche.<br />
"Hoppel" nennen sie ihn, die ihn lange kennen. Ein Spitzname,<br />
der sich seit seinem zehnten Lebensjahr erhalten hat und auf<br />
jene Hasensprünge zurückzuführen ist, die er als Kind im<br />
Training besonders gut beherrschte. Die Schlittschuhe holt er<br />
zumindest immer dann hervor, wenn sich die Freunde mit ihren<br />
Familien am zweiten Weihnachtsfeiertag zu Eislauf und Glühwein<br />
treffen. Eine schöne, langjährige Tradition, die auch in<br />
diesem Jahr gepflegt wird.<br />
Dass sich die Freundschaften über all die Jahre erhalten haben,<br />
betrachtet der doppelt vergoldete Olympiasieger als enormen<br />
Gewinn seiner sportlichen Karriere. Über die Landesgrenzen<br />
hinaus verbindet ihn mit seinem einstigen Rivalen Dan Jansen<br />
ein enger, herzlicher Kontakt. Zuletzt hat er den US-Amerikaner<br />
2006 in Turin gesehen. Gemeinsam mit Christa Luding und<br />
Karin Kania war Mey in der italienischen Olympiastadt.<br />
Mit Hochachtung spricht er von seinem Trainer Joachim Franke,<br />
den er erst kürzlich beim Weltcup in der heimischen Halle in<br />
Berlin-Hohenschönhausen traf. An ihm hat er besonders<br />
geschätzt, dass er sich im Gegensatz zu manch anderen Berufskollegen,<br />
die nach der Wende am Alten festhielten und auf der<br />
Strecke blieben, den veränderten Gegebenheiten anpassen<br />
konnte. "Sicher, es gibt viele gute Trainer", sagt Mey, "aber ich<br />
kenne außer Achim keinen, der in der Lage war, sich immer<br />
weiter zu entwickeln, nach neuen Wegen zu suchen."<br />
Bewundernswert das Vermögen des Trainers, seine Athleten auf<br />
den Punkt in Höchstform zu bringen. Neben Mey und Hoffmann<br />
zählten mit Claudia Pechstein und Olaf Zinke weitere<br />
olympische Goldmedaillengewinner zu seinen Schützlingen. In<br />
der Vitrine in Meys Arbeitszimmer, in der all die goldenen,<br />
silbernen und bronzenen Schätze aufbewahrt sind, nimmt ein<br />
Foto, das ihn in Calgary mit seinem Trainer und dem Erfurter<br />
Rainer Mund festgehalten hat, einen Ehrenplatz ein.<br />
Joachim Franke, Jahrgang 1940, spricht von einer "sehr engen,<br />
echten Beziehung zwischen Trainer und Sportler", wenn er zu<br />
seinem Verhältnis mit Uwe-Jens Mey gefragt wird. "Er war<br />
schon ein außergewöhnlicher Athlet", sagt er, "der immer<br />
wusste, was er wollte." Dass es dabei auch Reibungspunkte und<br />
manchmal harte Worte gegeben hat, will keiner von beiden<br />
bestreiten. Was zählt, ist das Erreichte. Und das spricht für sich.<br />
Ebenso die Tatsache, dass es für den Athleten heute eben nicht<br />
mehr "Herr Franke" sondern "Achim" ist.<br />
41