"EINMAL FALKE - IMMER FALKE" - Falken Essen
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Von Frank Bajohr<br />
Aus Solidarität erklärten daraufhin mehrere Freunde und<br />
ehemalige Schulkameraden Rabbichs ihren Austritt aus<br />
dem Verein. In einem Interview beschrieb Heinrich Rabbich<br />
die damalige Situation mit folgenden Worten: "Ich sag<br />
zum Vater: 'Ja, was nu? Was sollen wir machen?' 'Sprechen<br />
wir mal, gehen wir mal zur Partei.' Und dann sind wir zur<br />
Partei gegangen, und ich habe denen meine Nöte vorgetragen<br />
und auch meine Ansichten, was zu tun sei, und ... es<br />
fiel auf guten Boden dort unser Gespräch, die Gewerkschaften<br />
wurden hinzugezogen, das Gewerkschaftskartell<br />
... und so wurde denn eine Versammlung anberaumt, eine<br />
öffentliche Versammlung, wir haben die notwendigen<br />
Handzettel an all den Betrieben, wo besonders viele Jugendliche<br />
arbeiteten, verteilt. Wir hatten da in <strong>Essen</strong> ja<br />
eine ganze Reihe solcher Lehrlingsquetschen, wie wir sie<br />
nannten, und die Versammlung, der Chefredakteur von<br />
der damaligen 'Arbeiterzeitung' Heinrich Limbertz, der<br />
hat das Referat gehalten, sehr gut. Na, kurz und gut, es<br />
waren 82 Mitglieder, Neulinge, die sich für den Verein<br />
meldeten." Die Gründungsversammlung des "Vereins für<br />
Lehrlinge und jugendliche Arbeiter" soll angeblich am 13.<br />
Juli 1905 stattgefunden haben, doch liegen für die Gründung,<br />
ja die Existenz des Vereins überhaupt außer den<br />
Lebenserinnerungen Rabbichs keinerlei Quellenbelege vor.<br />
Andere Erinnerungsberichte datieren hingegen die Gründung<br />
der <strong>Essen</strong>er Arbeiterjugendbewegung übereinstimmend<br />
auf das Jahr 1907.<br />
Nahm bereits in den Erinnerungen Rabbichs die sozialdemokratische<br />
Partei eine zentrale Rolle im Konstituierungsprozess<br />
der Arbeiterjugendbewegung ein, so geht<br />
diese aus den sonstigen verfügbaren Quellen noch deutlicher<br />
hervor: Am 10. Juli 1907 gründete sich unter dem<br />
Vorsitz des SPD-Parteisekretärs Rudolf Bühler der "Arbeiterbildungsausschuß<br />
<strong>Essen</strong>-Ruhr", der sich statuarisch zur<br />
"Veranstaltung von Unterrichtskursen, geselligen Zusammenkünften,<br />
Spaziergängen und Ausflügen unter besonderer<br />
Berücksichtigung der schulentlassenen Jugend" verpflichtet<br />
hatte. Bereits vier Tage später, am 14. Juli 1907,<br />
fand "die erste Versammlung jugendlicher Arbeiter und<br />
Arbeiterinnen" im Arbeiterlokal "Borussia" statt, in der<br />
Arbeitersekretär Heinrich Limbertz zum Thema "Das<br />
Recht der Jugend auf Bildung und Lebensgenuß" referierte.<br />
In einem eigens herausgegebenen Flugblatt warben die<br />
Sozialdemokraten für den Zusammenschluss der Arbeiterjugendlichen,<br />
um ihren "Anspruch auf Freude und Fröhlichkeit,<br />
auf allseitige harmonische Ausbildung guter<br />
Charaktereigenschaften" durchzusetzen.<br />
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Jugendfrage in der<br />
Politik der <strong>Essen</strong>er Sozialdemokratie nicht die geringste<br />
Rolle gespielt, abgesehen von gelegentlichen Warnungen<br />
der Parteipresse vor der Agitationstätigkeit katholischer<br />
und nationalliberaler Jugendverbände, die um die Jahrhundertwende<br />
laut wurden. Die jugendpolitische Abstinenz<br />
der <strong>Essen</strong>er SPD erklärt sich insofern, als ein Großteil der<br />
sozialdemokratischen Mitglieder, Anhänger und Wähler<br />
aus jugendlichen und jungen Arbeitern bestand, die in der<br />
Sozialdemokratie den natürlichen Repräsentanten der jüngeren<br />
Arbeitergeneration im Ruhrgebiet sahen. Im Gegensatz<br />
zu anderen politischen Bewegungen und Parteien<br />
besaß die <strong>Essen</strong>er Sozialdemokratie kein Mobilisierungsdefizit<br />
in der jüngeren Generation und damit auch kein<br />
politisches "Jugendproblem".<br />
Das Verhältnis der <strong>Essen</strong>er Arbeiterjugendbewegung zu<br />
ihren "erwachsenen" Genossen zeichnete sich daher durch<br />
das Fehlen jeglicher Generationsspannungen sowie durch<br />
einen Mangel an eigenständigen politischen Profilierungsmöglichkeiten<br />
für die Arbeiterjugendlichen aus. Erinnerungsberichte<br />
betonen daher das gute Einvernehmen zwischen<br />
Partei und Arbeiterjugend, die rückblickend auch als<br />
"Rekrutenschule"" der Sozialdemokratie bezeichnet wurde.<br />
Angesichts der bestehenden vereinsrechtlichen Restriktionen<br />
konstituierte sich die <strong>Essen</strong>er Arbeiterjugendbewegung<br />
unter Verzicht auf festgefügte Organisationsstrukturen<br />
als lockerer Abonnentenzirkel der Zeitschrift<br />
"Die arbeitende Jugend", des offiziellen Organs der sogenannten<br />
"norddeutschen" Richtung der Arbeiterjugendbewegung.<br />
Bis zum Jahre 1912 wuchs die Zahl der Abonnenten<br />
auf 650 an. Damit war die <strong>Essen</strong>er Arbeiterjugendbewegung<br />
vorübergehend die mitgliederstärkste im<br />
Ruhrgebiet, organisierte und repräsentierte jedoch gleichzeitig<br />
nur eine kleine Minderheit (2 %) der Arbeiterjugendlichen<br />
in <strong>Essen</strong>.<br />
Bildung und Freizeit<br />
Die Auseinandersetzung mit sozialen Problemen, der<br />
Kampf für einen verbesserten Jugendschutz sowie die<br />
ökonomische, soziale und politische Interessenvertretung<br />
der arbeitenden Jugendlichen gelten gewöhnlich als spezifische<br />
und konstitutive Merkmale der Arbeiterjugendbewegung<br />
vor allem im Vergleich zur bürgerlichen Jugendbewegung.<br />
Gewichtet man jedoch den Stellenwert sozialpolitischer<br />
Fragen in der Tätigkeit von Arbeiterjugendgruppen,<br />
so gelangt man - nicht nur bezogen auf <strong>Essen</strong> zu<br />
einem ernüchternden Ergebnis.<br />
Bereits der Gründungsaufruf der <strong>Essen</strong>er Arbeiterjugendbewegung<br />
aus dem Jahre 1907 betonte unter Verzicht<br />
auf sozialpolitische Aktivitäten vor allem den<br />
Anspruch der Jugendlichen auf "Freude und Fröhlichkeit",<br />
"vorteilhafte Ausbildung an Geist und Körper" und "harmonische<br />
Allgemeinbildung als Grundstein guter Charakterbildung".<br />
Dem hier formulierten Bildungsanspruch versuchte die<br />
<strong>Essen</strong>er Arbeiterjugend vor allem durch Vortragsveranstaltungen<br />
gerecht zu werden, die zumeist an Sonntagnachmittagen<br />
im sogenannten "Jugendheim" - dem<br />
Bibliothekszimmer der SPD-Parteizentrale - durchgeführt<br />
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