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Urheberrecht in digitalisierter Wissenschaft und Lehre - TIB

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Prof. Dr. Thomas Hoeren<br />

Vervielfältigung dar. Problematisch ist dagegen, ob auch das bloße Sichtbarmachen auf dem<br />

Bildschirm (sog. brows<strong>in</strong>g) als Vervielfältigung anzusehen ist, da es hier an dem Merkmal der<br />

körperlichen Wiedergabe fehlen könnte. Zwar erfolgt hierbei e<strong>in</strong>e zeitlich zw<strong>in</strong>gend vorgelagerte<br />

vorübergehende E<strong>in</strong>lagerung der Informationen <strong>in</strong> den Arbeitsspeicher (sog. RAM-Speicher =<br />

random access memory) des abrufenden Computers. Man könnte jedoch argumentieren, dass sich<br />

aus S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Zweck des § 16 UrhG ergibt, dass die Vervielfältigung e<strong>in</strong>er dauerhaften Festlegung<br />

entsprechen müsse, die mit der e<strong>in</strong>es Buches oder e<strong>in</strong>er CD vergleichbar ist 53 . Für<br />

Computerprogramme allerd<strong>in</strong>gs ist mittlerweile <strong>in</strong> § 69 c Nr. 1 UrhG gesetzlich normiert, dass<br />

auch deren kurzfristige Übernahme <strong>in</strong> den Arbeitsspeicher e<strong>in</strong>e rechtlich relevante<br />

Vervielfältigung ist 54 . Für die elektronisch übermittelten Werke wird daher angeführt, dass für sie<br />

letztlich nichts anderes gelten könne, da ihre Urheber ebenso schutzwürdig seien, wie die von<br />

Computerprogrammen 55 . Auch die nur für wenige Sek<strong>und</strong>en erfolgende Festlegung e<strong>in</strong>es Werkes<br />

oder e<strong>in</strong>es geschützten Werkteils im Arbeitsspeicher erfülle zudem nicht nur technisch die<br />

Voraussetzungen e<strong>in</strong>er Vervielfältigung. Es sei gerade ihr Zweck, die menschliche Betrachtung<br />

des Werkes zu ermöglichen. Darüber h<strong>in</strong>aus habe moderne Browser-Software zumeist e<strong>in</strong>e<br />

besondere „cach<strong>in</strong>g”-Funktion, mit deren Hilfe jede von e<strong>in</strong>em fremden System heruntergeladene<br />

Webseite auf dem Rechner des Nutzers abgespeichert werde, so dass dem Nutzer bei erneutem<br />

Aufruf der Seite (z. B. beim Zurückblättern) Kosten <strong>und</strong> Übertragungszeit für das Herunterladen<br />

erspart blieben. Aus diesen Gründen mehrten sich die Stimmen, die § 16 UrhG auch auf solche<br />

Kopien erstrecken wollen, die technisch bed<strong>in</strong>gt s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> <strong>in</strong>soweit aber eher e<strong>in</strong>en flüchtigen<br />

Charakter haben 56 . Gerade für den Bereich der Proxyspeicherung 57 oder des<br />

RAM-Arbeitsspeichers wurde von vielen vertreten, dass auch technische Zwischenspeicherungen<br />

als urheberrechtlich relevante Vervielfältigungsvorgänge anzusehen seien 58 . E<strong>in</strong>e Ausnahme solle<br />

allenfalls dann zum Tragen kommen, wenn die Zwischenspeicherung ke<strong>in</strong>en eigenständigen<br />

wirtschaftlichen Wert verkörpere 59 .<br />

Die Streitfrage ist jetzt, seit dem 13. September 2003, gesetzgeberisch gelöst. Nach § 44a UrhG<br />

s<strong>in</strong>d solche Vervielfältigungen nicht zustimmungspflichtig, die dem technischen Prozess<br />

immanent s<strong>in</strong>d, für ke<strong>in</strong>en anderen Zweck getätigt werden, als den rechtmäßigen Gebrauch zu<br />

ermöglichen, <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e eigene wirtschaftliche Bedeutung haben. „Transient and <strong>in</strong>cidental acts of<br />

reproduction” s<strong>in</strong>d weitgehend vom Vervielfältigungsbegriff ausgenommen. Dies hat<br />

unmittelbare Auswirkungen für die Provider <strong>und</strong> deren User. Proxy-Server s<strong>in</strong>d damit ebenso von<br />

der Zustimmungspflicht ausgenommen wie Speicherungen im RAM oder die Bildschirmanzeige.<br />

53<br />

Flechsig, ZUM 1996, 833, 836; so auch Hoeren, LAN-Software, Urheber- <strong>und</strong> AGB-rechtliche Probleme des<br />

E<strong>in</strong>satzes von Software <strong>in</strong> lokalen Netzen, UFITA Bd. 111 (1989), S. 5.<br />

54 th<br />

Ebenso <strong>in</strong> den U.S.A; MAI Systems Corp. v. Peak Computer, Inc., 991 F.2d 511, 518 f. (9 Cir.1993).<br />

55<br />

Siehe die Nachweise bei Schricker/Loewenheim, <strong>Urheberrecht</strong>, 2. Aufl. München 1999, § 16 Rdnr. 19.<br />

56<br />

Nordemann <strong>in</strong> Fromm/Nordemann § 16 Rdnr. 2.<br />

57<br />

Siehe dazu auch die technischen H<strong>in</strong>weise <strong>in</strong> Bechtold, ZUM 1997, 427, 436 f.; Ernst, K & R 1998, 536, 537;<br />

Sieber, CR 1997, 581, 588.<br />

58<br />

Siehe etwa OLG Düsseldorf, CR 1996, 728, 729.<br />

59<br />

So auch Art. 5 Abs. 1 des Richtl<strong>in</strong>ienvorschlags der Europäischen Kommission zum <strong>Urheberrecht</strong> <strong>und</strong> zu den<br />

verwandten Schutzrechten vom 10. Dezember 1997, KOM (97) 628 endg., ebenso der geänderte Vorschlag vom 21.<br />

Mai 1999, Kom (99) 250 endg.<br />

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