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Urheberrecht in digitalisierter Wissenschaft und Lehre - TIB

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Prof. Dr. Thomas Hoeren<br />

Streitig ist, <strong>in</strong>wieweit das Kopieren von Werken nur dann zulässig ist, wenn e<strong>in</strong>e erlaubterweise<br />

hergestellte Vervielfältigung als Vorlage benutzt worden ist. Gerade im Zusammenhang mit<br />

„Napster“ 80 wurde zum Beispiel die Auffassung vertreten, dass dieses Kriterium nach dem<br />

Wortlaut des § 53 UrhG nicht vorausgesetzt sei. 81 § 53 Abs. 1 UrhG sah <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er alten Fassung<br />

ke<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis darauf vor, dass die Vorlage für die Kopie ihrerseits rechtmäßig erstellt se<strong>in</strong><br />

müsste. Dieses Schweigen des Gesetzes wurde dah<strong>in</strong>gehend <strong>in</strong>terpretiert, dass die Nutzung von<br />

P2P-Diensten wie Kazaa zu privaten Kopierzwecken urheberrechtlich zulässig ist. Dies störte<br />

wiederum bei der letzten Novellierung des Gesetzes den B<strong>und</strong>esrat, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Entschließung 82<br />

die Reichweite der Privatkopierfreiheit auf Kopien von legal hergestellten Vorlagen beschränken<br />

will. Dieser Vorschlag wurde aber im Vermittlungsausschuss abgelehnt werden.<br />

Erstaunlicherweise kam es dann <strong>in</strong> letzter M<strong>in</strong>ute doch noch zu e<strong>in</strong>er Änderung des § 53 Abs. 1<br />

UrhG. So wurde kurzerhand <strong>in</strong> der Vorschrift verankert, dass die Privatkopierfreiheit<br />

ausnahmsweise nicht zum Tragen kommt, wenn zur Vervielfältigung „e<strong>in</strong>e offensichtlich<br />

rechtswidrig hergestellte Vorlage“ verwendet wird. Der Begriff ist neu <strong>und</strong> unkonturiert. Es bleibt<br />

unklar, auf welche Rechtsordnung überhaupt h<strong>in</strong>sichtlich der Feststellung der offensichtlichen<br />

Rechtswidrigkeit abzustellen ist. Im Übrigen ist dies e<strong>in</strong> Phyrrhussieg der Musik<strong>in</strong>dustrie. Denn<br />

vor der Novellierung konnte diese behaupten, dass die Privatkopierfreiheit e<strong>in</strong>e rechtmäßige<br />

Vorlage voraussetze; jetzt ist dieser E<strong>in</strong>wand auf offensichtlich rechtswidrige Vorlagen<br />

beschränkt. Nur am Rande sei darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass Peer-to-Peer-Dienste nicht offensichtlich<br />

rechtswidrige Kanäle s<strong>in</strong>d, sondern <strong>in</strong> vielfältiger Weise zu legalen Zwecken, etwa im Bereich der<br />

<strong>Wissenschaft</strong>, genutzt werden können.<br />

Weiter wird die Möglichkeit der Herstellung von Vervielfältigungen durch Dritte beibehalten,<br />

sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um reprografische oder ähnliche<br />

Vervielfältigungen handelt. Die vorgeschlagene Regelung gewährleistet damit auch weiterh<strong>in</strong>,<br />

dass e<strong>in</strong> Versand von Kopien möglich bleibt. Als unentgeltlich im S<strong>in</strong>ne dieser Vorschrift sollen<br />

Vervielfältigungen auch dann anzusehen se<strong>in</strong>, wenn sie z. B. durch Bibliotheken gefertigt werden,<br />

die Gebühren oder Entgelte für die Ausleihe erheben, soweit die Kostendeckung nicht<br />

überschritten wird.<br />

Die Reichweite von § 53 Abs. 1 UrhG wird aber durch die Neue<strong>in</strong>fügung des § 95b konterkariert.<br />

Sofern der Rechte<strong>in</strong>haber technische Schutzmaßnahmen verwendet, s<strong>in</strong>d öffentliche<br />

Multiplikatoren (wie z. B. Schulen oder Universitäten) geschützt, private Nutzer aber nicht. Aus<br />

dem Fehlen von § 53 Abs. 1 <strong>in</strong> § 95b Abs. 1 lässt sich also schließen, dass der Rechte<strong>in</strong>haber nur<br />

technische Sperrmechanismen e<strong>in</strong>setzen muss, um § 53 Abs. 1 UrhG zu umgehen. Dieser „Trick“<br />

ist unerträglich. Dass das BMJ e<strong>in</strong>er solchen Strategie rechtlichen Schutz gewähren will, ist e<strong>in</strong><br />

Hofknicks vor der Musik<strong>in</strong>dustrie, der e<strong>in</strong> gesetzgebungstechnisches Feigenblatt mit<br />

Halbherzigkeit komb<strong>in</strong>iert.<br />

80 Siehe dazu A&M Records Inc v. Napster Inc, 114 F. Supp. 2d 896 = GRUR Int. 200, 1066 sowie die Entscheidung<br />

des US Court of Appeals for the N<strong>in</strong>th Circuit vom 12. Februar 2001, GRUR Int. 2001, 355.<br />

81 So etwa Schack, Urheber- <strong>und</strong> Urhebervertragsrecht, 2. Aufl. 2001, Rdnr. 496; Mönkemöller, GRUR 2000, 663,<br />

667 f.; anderer Ansicht Leupold/Demisch, ZUM 2000, 379, 383 ff; Loewenheim, Festschrift Dietz 2001, 415 ff.<br />

82 BT-DrS 15/1066 vom 27. Mai 2003, S. 2.<br />

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