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Seelenpflege 2016-3-4 Spezial

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Favelaarbeit<br />

Von Ute Craemer<br />

Sieh was es gibt: Gefängnis und Folterung,<br />

Blindheit und Lähmung, Tod in vieler Gestalt, den körperlosen<br />

Schmerz und die<br />

Angst, die das Leben meint.<br />

Die Seufzer aus vielen Mündern sammelt die Erde<br />

Und in den Augen der Menschen, die du liebst, wohnt die<br />

Bestürzung.<br />

Alles, was geschieht, geht dich an.<br />

Guenter Gleich<br />

Einleitung<br />

Monte Azul ist ein Sozialwerk, das seit etwa vierzig Jahren<br />

in verschiedenen brasilianischen Slums arbeitet und<br />

Programme für Erziehung, Gesundheit, Ausbildung, Kultur,<br />

Umweltschutz, Heilpädagogik und Sozialtherapie,<br />

biologisch-dynamischen Anbau sowie Geburtsvorsorge<br />

und -hilfe entwickelt hat. Mit den Angeboten der Waldorfschule,<br />

den Kindertagesstätten, der Musikschule,<br />

dem Geburtshaus, den Werkstätten und den heilpädagogischen<br />

und sozialtherapeutischen Tageszentren erreicht<br />

Monte Azul inzwischen zirka 15.000 Menschen,<br />

daneben umfasst es ein Gesundheitsfamilienprogramm<br />

für annähernd 300.000 Menschen. Die Grundlage dieser<br />

Arbeit sind die Quellen der Anthroposophie und das<br />

Zusammenleben und -arbeiten der Menschen aus den<br />

Randgebieten São Paulos.<br />

Ich – Wir – Favelas: Brasilien<br />

Wie gestalten sich diese Beziehungen untereinander –<br />

das möchte ich anhand meiner Erfahrungen in diesem<br />

Geflecht der Favelaarbeit in der zwanzig Millionen umfassenden<br />

Megalopolis São Paulo schildern, in einem noch<br />

nicht lange von europäischem Kolonialismus und Sklaverei<br />

befreiten Land.<br />

Hierzu ein Bild: São Paulo, das ist ein Moloch von Zement,<br />

Glas und Plastik, hypermodernen Bürogebäuden<br />

und nie endendem Verkehr. Motorräder rasen im Slalomlauf<br />

auf den Strassen, Ströme von Arbeitern sitzen<br />

in überfüllten Bussen, Villen reihen sich an Favelas, daneben<br />

stehen Wolkenkratzer mit Swimmingpools und<br />

Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach, Wohnungslose<br />

campieren in Unterführungen; und über all dem die<br />

Dunstglocke aus Staub, Russ und Abgasen …<br />

Nur das? Nein, da leben Menschen, deren Hauptziel es<br />

ist zu leben, zu singen, zu sein. Nur das? Nein, Jugendliche,<br />

die angesichts ihrer Drogenschulden aus Angst rauben,<br />

es gibt viel Angst auf allen Seiten, Paniksyndrom,<br />

Depressionen … Kein Ausweg? DOCH: die «cultural creatives»,<br />

die Sozialinitiativen, die Musik-, Theater- und<br />

Graffitigruppen und vieles mehr.<br />

Anthroposophische Initiativen und Lebensfelder breiten<br />

sich aus<br />

Inmitten dieser cultural creatives, des sogenannten<br />

Dritten Sektors, wachsen die Lebensfelder der Anthroposophie<br />

und werden getragen und gestaltet von<br />

Heilpädagogen, Waldorflehrern, Ärzten, Therapeuten,<br />

Beratern, biologisch-dynamischen Landwirten, Studiengruppen<br />

und der anthroposophische Gesellschaft.<br />

Bereits zu Lebzeiten Rudolf Steiners gab es eine Studiengruppe<br />

in Brasilien, doch ausschlaggebend für die<br />

erstaunliche Verbreitung der anthroposophischen Initiativen<br />

war wohl die Gründung der ersten Waldorfschule<br />

in São Paulo im Jahr 1956. Damit wurde ein Tor geöffnet,<br />

durch das die Waldorfpädagogik in Brasilien seinen<br />

Eingang fand. Ein Jahrzehnt später wurden die ersten<br />

Samen der Heilpädagogik gesät.<br />

Ein zweites Tor konnte sich angesichts der Verbreitung<br />

der Waldorfpädagogik und anthroposophisch erweiterten<br />

Medizin für am Rande der Gesellschaft stehende<br />

Menschen öffnen (1979).<br />

Schon seit Anfang dieser Arbeit konnten in den Kinderkrippen<br />

auch schwer behinderte Kinder aufgenommen<br />

werden, die rührend von den «Krippenmüttern»<br />

gepflegt und versorgt wurden. Mit zunehmenden Alter<br />

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