11.09.2019 Views

Seelenpflege 2016-3-4 Spezial

Seelenpflege 2016-3-4 Spezial

Seelenpflege 2016-3-4 Spezial

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

Beiträge | Contributions<br />

Über die Grundlagen der Heilpädagogik<br />

Von Ita Wegman<br />

Wiederholt hat Rudolf Steiner darauf hingewiesen, dass<br />

für denjenigen, der von einer umfassenden Welt- und<br />

Menschenerkenntnis ausgeht, der Pädagoge bis zu<br />

einem gewissen Grade ebenso ein Heiler ist wie der Arzt.<br />

Und daneben steht der Ausspruch Rudolf Steiners, der<br />

besagt, dass der Arzt, der im wahren Sinne ein Heiler<br />

sein will, die Erziehungskunst, im weitesten Sinne aufgefasst,<br />

in sich lebendig haben muss, mit dem Bewusstsein,<br />

dass die Heilkunst in engster Verbindung mit der<br />

Initiationswissenschaft steht. Beide Hinweise wird auch<br />

derjenige voll und ganz verstehen, der sich ernstlich mit<br />

demjenigen befasst hat, was die Geisteswissenschaft<br />

an Erkenntnisgut für das Verständnis der menschlichen<br />

Entwickelung und im Besonderen der Entwickelung im<br />

kindlichen Alter gegeben hat. Und so musste natürlicherweise<br />

das Heilen und Erziehen miteinander verbunden<br />

werden, um zu einer speziellen Heilpädagogik zu kommen;<br />

zu einer solchen Heilpädagogik, die ihr Entstehen<br />

dem anthroposophischen Wissen verdankt, und zu der<br />

uns Rudolf Steiner hingeführt hat.<br />

Es soll nun im Folgenden vom ärztlichen Standpunkte<br />

aus dargestellt werden, wie die Krankheitszustände mit<br />

körperlichen und seelischen Entwickelungsstörungen im<br />

Kindesalter zu betrachten sind, und in welcher Weise<br />

Heilpädagogik in Anwendung kommen kann.<br />

So wissen wir, dass das Kind in seiner Entwickelung<br />

nach Leib, Seele und Geist durch ganz verschiedene Lebensepochen<br />

hindurchgehen muss, dass es in den verschiedenen<br />

Lebensaltern in ganz verschiedener Weise<br />

der Aussenwelt gegenübersteht, und dass auch seine<br />

physiologischen Vorgänge in den einzelnen Lebensphasen<br />

sich wesentlich voneinander unterscheiden. Wir<br />

müssen uns vorstellen, dass das Kind durch die Geburt<br />

den physischen Leib erhält, der ihm durch die Eltern<br />

zukommt. Es ist eine Art Modell eines physischen Leibes,<br />

behaftet mit den Merkmalen der Vererbung, in das<br />

hinein das Kind geboren wird, und in das es nach und<br />

nach mit seinen höheren Wesensgliedern untertauchen<br />

muss. Diesen physischen Leib, dieses durch die Eltern<br />

vererbungsmässig erhaltene Modell muss das geistigseelische<br />

Wesen, das sich in diesem Leib verkörpert hat,<br />

allmählich umgestalten, um sich darin seinem eigenen<br />

Wesen entsprechend entfalten zu können. Dies vollzieht<br />

Zeitschrift <strong>Seelenpflege</strong> <strong>Spezial</strong> / <strong>2016</strong><br />

sich in den ersten sieben Lebensjahren, und diese Umgestaltung<br />

ist umso intensiver, je stärker das individuelle,<br />

geistig-seelische Wesen des Kindes ist.<br />

Aufgabe der Erziehung ist es nun, in dieser Lebensepoche<br />

dem Kinde zu helfen, in gesunder Weise sich seinen<br />

neuen physischen Leib zu gestalten, und alle diejenigen<br />

Einflüsse von ihm fernzuhalten, die es bei dieser Arbeit<br />

stören können. Denn das Kind ist in den ersten sieben<br />

Lebensjahren wie ein einziges grosses Sinnesorgan zu<br />

betrachten das auf alle Vorgänge seiner Umgebung mit<br />

seiner ganzen Organisation nachahmend reagiert. Und<br />

alles, was von aussen her an Unharmonischem an das<br />

Kind herandringt, macht es krank, weil es die höheren<br />

Wesensglieder in ihrer Arbeit an einem gesunden Aufbau<br />

der leiblichen Organisation hemmt.<br />

Diese Arbeit an seiner physischen Leiblichkeit nimmt<br />

das Geistig-Seelische des Kindes in der Zeit von der Geburt<br />

bis zum Zahnwechsel voll und ganz in Anspruch.<br />

Und zeigt sich das geistig-seelische Wesen stark, dann<br />

werden die Vererbungskräfte im physischen Leib überwunden,<br />

was jedoch meist nicht ohne Kampf vor sich<br />

gehen kann. Und dieser Kampf führt dann zu den sogenannten<br />

Kinderkrankheiten, die ja in dieser Zeit des Kindesalters<br />

besonders häufig auftreten. Auch alle anderen<br />

akuten Krankheiten in diesem Alter können gewissermassen<br />

betrachtet werden als ein Kämpfen der geistigseelischen<br />

Individualität gegen den vererbten Leib, das<br />

sogenannte Modell.<br />

Die Krankheit ist also hier schon als ein natürlicher Heilvorgang<br />

zu betrachten, und ein Arzt, der diese Vorgänge<br />

in rechter Weise versteht, wird sogleich zum Erzieher, der<br />

das Kind in solche Verhältnisse bringt, wo die Krankheit<br />

und dasjenige, was aus ihr entstehen kann, dahin gelenkt<br />

wird, dass es für die Entwickelung des Kindes förderlich<br />

ist.<br />

Hier kann man also schon sehen, wie eng das Heilen mit<br />

dem Erziehen verbunden ist. Und noch intensiver wird<br />

der Arzt eingreifen müssen, wenn es sich um konstitutionelle<br />

Krankheiten mit körperlichen und seelischen<br />

Entwickelungsstörungen handelt. Da wird der Arzt noch<br />

mehr zum Heilpädagogen werden müssen, indem er vor<br />

der Notwendigkeit steht, neben seinen medikamentösen<br />

Verordnungen noch individuelle, dem Wesen und<br />

205

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!