Europäische Weihnacht – in Vielfalt geeint - Sutter GmbH & Co. KG
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Litauen/Lithuania<br />
<strong>Weihnacht</strong>s- und Neujahrsgruß:<br />
„L<strong>in</strong>ksmu Kaledu ir laim<strong>in</strong>gu<br />
Nauju metu!“<br />
Die <strong>Weihnacht</strong>sbräuche <strong>in</strong> Litauen haben e<strong>in</strong>e<br />
jahrhundertealte Tradition, deren Ursprünge sich<br />
im Dunkel der Frühgeschichte verlieren. Angeblich<br />
soll es schon im Jahre 1510 <strong>in</strong> Riga e<strong>in</strong>en<br />
geschmückten Christbaum gegeben haben. Das<br />
wäre nur e<strong>in</strong> Jahr nach dem ältesten dokumentierten<br />
Christbaum überhaupt, der auf e<strong>in</strong>em<br />
Kupferstich von Lukas Cranach d. Ä. (*1472<br />
†1553) zu sehen ist.<br />
Besonders <strong>in</strong> ländlichen Gegenden s<strong>in</strong>d die alten<br />
Bräuche noch heute weit verbreitet. Dass die<br />
Sitten der Urväter nicht <strong>in</strong> Vergessenheit geraten,<br />
dafür sorgen die K<strong>in</strong>der, denn sie werden<br />
von vielen Eltern aus der Stadt über die <strong>Weihnacht</strong>sfeiertage<br />
zu den Großeltern aufs Land geschickt,<br />
wo sie den Reiz des heimischen Brauchtums<br />
kennenlernen <strong>–</strong> um künftig daheim e<strong>in</strong><br />
ähnlich zünftiges Fest e<strong>in</strong>zufordern.<br />
Besonders <strong>in</strong>teressant s<strong>in</strong>d die eigentümlichen<br />
Gepflogenheiten, die rund um das Festmahl an<br />
Heiligabend <strong>in</strong> Litauen üblich s<strong>in</strong>d. Das Essen<br />
darf erst beg<strong>in</strong>nen, wenn der erste Stern am<br />
Himmel zu sehen ist, denn er steht stellvertretend<br />
für den Stern von Bethlehem und verkündet<br />
die Ankunft des Heilands. Nun darf zwar<br />
kräftig zugelangt werden, zumal ähnlich wie <strong>in</strong><br />
jLettland zwölferlei Speisen auf den Tisch<br />
kommen. Allerd<strong>in</strong>gs ist das Mahl bis Mitternacht<br />
fleischlos <strong>–</strong> wohl e<strong>in</strong>e Rem<strong>in</strong>iszenz der<br />
früher üblichen, vierzigtägigen Fastenzeit vor<br />
<strong>Weihnacht</strong>en.<br />
Unter der Tischdecke verbirgt sich e<strong>in</strong> Büschel<br />
Stroh, das an das Stroh <strong>in</strong> der Krippe er<strong>in</strong>nern<br />
soll. Dieses Büschel wurde aus dem dunklen<br />
Stall ganz willkürlich herbeigeschafft, nach<br />
Möglichkeit von e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>d, das nicht<br />
weiß, welches Bewenden es damit hat. Denn<br />
nach dem Essen beg<strong>in</strong>nt e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Befragung<br />
des Schicksals, und dabei spielt das Strohbündel<br />
e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle. Die heiratsfähi-<br />
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gen Mädchen im Haus ziehen mit geschlossenen<br />
Augen e<strong>in</strong>en Halm aus dem Bündel und untersuchen<br />
ihn dann genau, gibt er doch Auskunft<br />
über die Qualitäten des zukünftigen Gatten. Ist<br />
er lang und dünn? Krumm und kräftig? Eher<br />
frisch und saftig? Oder schon leicht angefault?<br />
Jede soll sich ihren eigenen Reim auf dieses<br />
Strohhalm-Orakel machen, denn wenn man<br />
zuviel darüber spekuliert, verdirbt man die beste<br />
Prophezeiung. E<strong>in</strong>s ist aber gewiss: Wenn im<br />
verbleibenden Strohbüschel e<strong>in</strong> Halm verborgen<br />
ist, der <strong>in</strong> der Mitte e<strong>in</strong>e deutlich erkennbare<br />
Verdickung aufweist, dann ist für das nächste<br />
Jahr e<strong>in</strong> Baby zu erwarten.<br />
Doch die Nacht vor dem 1. <strong>Weihnacht</strong>stag verheißt<br />
noch weitere Gelegenheiten, dem Schicksal<br />
<strong>in</strong> die Karten zu schauen. Bellte da nicht<br />
gerade e<strong>in</strong> Hund? Aus welcher Richtung kam<br />
das Gebell? Von dort her wird nämlich der<br />
Bräutigam kommen, der die älteste Tochter des<br />
Hausherrn freien wird. Die jüngste Tochter will<br />
wissen, ob sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Jahr noch daheim bei den<br />
Eltern wohnen wird? Dann setzt sie sich mit<br />
dem Rücken zur Haustür auf e<strong>in</strong>en Stuhl und<br />
wirft ihren rechten Schuh über ihre l<strong>in</strong>ke Schulter<br />
h<strong>in</strong>ter sich. Wenn der Schuh mit der Spitze<br />
zur Tür zu liegen kommt, dann ist sie bald über<br />
alle Berge.<br />
Nach so viel aufregender Wahrsagerei ist es sehr<br />
bequem, dass die große Essenstafel vor dem<br />
Schlafengehen nicht abgeräumt werden muss <strong>–</strong><br />
und sogar nicht abgeräumt werden darf. Denn <strong>in</strong><br />
Litauen rechnet man <strong>in</strong> der Heiligen Nacht ganz<br />
fest mit dem Besuch der Geister von verstorbenen<br />
Verwandten. Die kommen von sehr weit<br />
her, s<strong>in</strong>d entsprechend hungrig und freuen sich<br />
gewiss über die Reste vom Festmahl der Leben-