Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 01/2013

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Themen der Zeit R. Wilms E.Roser J.C. v. Langenbeck (Himly) Schönborn B. von Langenbeck Busch Israel Lücke Kocher F. Trendelenburg Witzel Madelung v. Rüdiger Simon Franz König Guleke Fr. Lange Bardenheuer L. Strohmeyer H. Braun v. Esmarch A. Fischer Pirogoff gen und lehrer-abhängigen Kriterien (¹soft skillsª) unterscheidet (Abb.4). Die praktische chirurgische Ausbildung wird heute z.T. virtuell und in auûerklinischen Kursen vermittelt. Chirurgische Bildung lebt aber nach wie vor vom persönlichen Vorbild und dem direkten Austausch zwischen Lehrer und Schülern. Nun zur Evidenzbasierten Medizin und Chirurgie. A. Wagner (Roser) Hueter Heidenhain Bose Poppert Krönlein Bernhard P.F. Vogt (Helferich) L. Rehn Vorschütz O. Hildebrandt A. Bier C. Brunner Looser zur Verth E. Gohrbandt V. Schmieden (Voelker) Klapp Boeming- Mounier (Sauerbruch) (Schlatter) (p. v. Bruns) Junghanns Klose haus Henschen Goetze H. Peiper (Läwen) (Lichtenberg) (Zukschwerdt) A.W. Fischer Wiedhopf Th. Billroth Heusser Stelzner Holfelder Czerny R. Werner Farthmann F. Voelker Budde Schober J. Volkmann Serfling Abb.2 Genealogie der chirurgischen Schule von Langenbeck (12). Auch die EbM kann sich bereits auf die hippokratische Medizin berufen: ¹Die Erfahrung allein ist eine gefährliche Lehrmeisterin. Die durch sie nur allein geleitet Arzneykunst treiben, stürzen die Kranken leicht ins Grab ¼, was aber diejenigen nicht einsehen, denen unter ihrer Leitung die meisten Fälle davon vorkommen.ª (Hippokrates Aphorismen [460±370 AD]). 22 Deutsche Gesellschaft für Chirurgie ± Mitteilungen 1/13 Th. Billroth Winiwarter Wölffler v. Hacker A. Narath Czerny Gersuny Schloffer G. Schöne H. Braun R. Wagner Gussenbauer Salzer Lotheissen Dittel Mörl Fr. Voelker v. Eiselberg Demel Ranzi A. Borchard Orth Walzel v. Mikulicz-Radecki Lamaris Susani (Tietze) Fuchsig v. Radnitz Breitner Kümmell P. Huber (Lexer) Denk Gschnetzer Winkelbauer Tiegel Gottstein Clairmont Derra Schönbauer Anschütz Henle Ludloff Schörch Wanke (Fischer) Puhl Brandes Kappis (Friedrich) Birks V. Haberer Spath (Küntscher) Konjetzny Sauerbruch Krauss (Hellner) Kraft-Kinz Lebsche Tscherne Nissen Frey Felix Koslowsky Kümmerle Lüdeke A. Brunner Vossschulte Jehn Schmitt Heymann (Zenker) Lezius Berchtold P. Heinrich Buff (Clairmont) Abb.3 Genealogie der chirurgischen Schule von Billroth (12). Unabhängige Faktoren Diagnostik und Therapie (LL, FG, Konsensuskonf., EbM) Operationstechnik (Kurse Industrie und FG, Kongresse) M. Rothmund 2011 Abhängige Faktoren Indikationsstellung („Temperament“ – aggressiv oder defensiv) Operationstechnik (Assistenzen) Wissenschaftliches Denken (Studienergebnisse, Senior- Autorenschaft) Ethische Auffassung (Grenzsituationen – Pat., Angehörige,Team) (Aufklärung, Sterbende) (Fehlerbewältigung) Abb.4 Prägung durch Schule und Lehrer (M. Rothmund). Gegründet 1872 Sitz Berlin 1231 verordnete Kaiser Friedrich II von Hohenstaufen, seinerzeit König von Sizilien und Kaiser von Italien (1212±1250) in seinem Medizinalgesetz: ¹Da die medizinischen Wissenschaften niemals gelernt werden können, wenn nicht vorher Kenntnisse in der Logik erworben sind, bestimmen wir, dass keiner Medizin studieren
Themen der Zeit soll, wenn er nicht vorher mindestens drei Jahre Logik studiert hat. Nach diesen drei Jahren steht es ihm frei, dass er fünf Jahre Medizin studiere und die Chirurgie innerhalb einer angegebenen Zeit miterlerneª (21). Der Begriff ¹Evidenzbasierte Medizin (EbM)ª findet sich erstmals in einem 1793 von George Fordyce publizierten Artikel ¹Attempts to improve the evidence of medicineª (5). Konzept und Methoden der heutigen EbM wurden in den 1970er- Jahren in Kanada und den USA entwickelt, fanden aber erst in den 1990'er Jahren breiten Eingang in die klinische Medizin. Um 1990 führten Epidemiologen den englischen Begriff Evidence-based Medicine ein. Hätten sie die sprachliche Verwirrung in Deutschland (evidence [Nachweis, Beleg] vs evident [=offensichtlich, d. h. bedarf keines weiteren Beweises]) vorausgesehen, hätten sie nach eigenen Angaben den Begriff Scientifically based Medicine ± wissenschaftlich begründete Medizin ± gewählt. Dann allerdings wäre dieser Begriff in Deutschland möglicherweise so interpretiert worden: ¹Haben wir doch schon immer gemachtª. Die inzwischen weltweit akzeptierte Definition der EbM verdanken wir D. L. Sackett und seiner Arbeitsgruppe (1996) in Canada, später Oxford: Evidenzbasierte Medizin ist der ¹gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patientenª (20). In praxi bedeutet dies die Integration der besten verfügbaren wissenschaftlichen Information aus der theoretischen Forschung (Literatur) und klinischen Studien (externe Evidenz, Evidenzbasierung) mit der Erfahrung (Expertise) des Arztes und den Präferenzen des Patienten in der individuellen Situation. Während die EbM-Working Group 1992 zunächst klinischer Erfahrung, Patientenpräferenzen und wissenschaftlichem Nachweis gleiche Bedeutung beimaû, nahm sie später den aktuellen klinischen Status des Patienten (Alter, Begleiterkrankungen etc.) und die verfügbaren therapeutischen Optionen hinzu und wies der ¹Clinical Expertiseª eine zentrale Rolle zu (8,20) (Abb. 5). Anders ausgedrückt: ¾rztliche Kompetenz ist gefragt, um die wissenschaftlich begründete Krankheitsbehandlung und die patientenorientierte Krankenbehandlung zusammenzuführen. Für die externe Evidenz wurden unterschiedliche Qualitäts- und Empfehlungsgrade definiert (z. B. Oxford Classification). Von groûer praktischer Bedeutung ist, dass für eine Vielzahl, v. a. chirurgisch-operativer Maûnahmen keine höhergradigen Evidenzen, Patient Preferences Clinical Expertise Clinical State and Circumstances Research Evidence Patient Preferences and Actions Research Evidence D. L. Sackett et al. BMJ 1996 R. B. Haynes et al. BMJ 2002 Abb.5 Evidenzbasierte Medizin (8,20). Clinical Expertise Gegründet 1872 Sitz Berlin z.B. aus RCTs, zur Verfügung stehen. Zugrunde gelegt wird deshalb ganz bewusst die jeweils bestverfügbare Evidenz. Was bedeutet EbM für die Entscheidungsfindung in der Medizin und Chirurgie: Auf der festen Basis wissenschaftlich belegten externen Wissens bringen sich Arzt und Patient in die individuelle Entscheidungsfindung ein, der Arzt mit seinen objektiven Erfahrungen, seiner Kompetenz, Intuition, ethischen und rechtlichen Vorstellungen und auch seiner Kostenverantwortung, der Patient mit seinen subjektiven Erfahrungen, seinen Erwartungen, Wertvorstellungen, Bewältigungsstrategien und seinem kulturellen Hintergrund (Abb. 6). Beide berücksichtigen in ihrer Nutzenbewertung unterschiedliche Endpunkte: Der Arzt Morbidität und Mortalität, Überlebensrate, rezidivfreie Zeit, Nebenwirkungen etc., der Patient Lebensqualität, völlige Wiederherstellung, Erwartungen, soziales Stigma und Krankheitsbewältigung, besonders ausgeprägt in der Onkologie. Die Entscheidung muss dabei natürlich auch die vorgegebenen ethischen, sozialen und finanziellen Rahmenbedingungen berücksichtigen (Abb. 6). Die externe Evidenzbasierung ist also die wissenschaftliche Basis für die individuelle Entscheidung des Chirurgen und seines Patienten. Sie ist aber eben auch nur einer der 3 Pfeiler der evidenzbasierten Medizin. Ich erinnere an die wissenschaftlich begründete Krankheitsbehandlung und die patientenorientierte Krankenbehandlung. Verständlicherweise sind klinische Arzneimittelstudien zum wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis oder -vergleich einfacher durchzuführen als Studien zu chirurgischen Fragestellungen. Die moderne Chirurgie verdankt aber ihre eindrucksvollen Behandlungsergebnisse auch wesentlich den Fortschritten der periopera- Deutsche Gesellschaft für Chirurgie ± Mitteilungen 1/13 23
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