Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 01/2013
Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 01/2013
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Chirurg/-in und <strong>Chirurgie</strong><br />
beenden. Und genau diese Situation begründet die Notwendigkeit,<br />
sich mit <strong>der</strong> Hochschulentwicklung in Deutschland über<br />
2<strong>01</strong>7 hinaus zu beschäftigen.<br />
Perspektivische Überlegungen<br />
Nicht nur Max Einhäupl hat keinen Zweifel gelassen, dass eine<br />
Verstetigung <strong>der</strong> Exzellenzinitiative, die ja die Schaffung neuer<br />
Strukturen zum Ziel hatte, über das Jahr 2<strong>01</strong>7 hinaus alternativlos<br />
ist. Neben dem Konzept <strong>der</strong> Bundesuniversität ist eine Ausweitung<br />
des För<strong>der</strong>volumens eine (aus aktueller Sicht ggf. nicht sicher<br />
finanzierbare) Option. Unter ökonomischen Gesichtspunkten<br />
wahrscheinlicher erscheint daher heute eine Neustrukturierung<br />
des Verhältnisses von universitärer und auûeruniversitärer<br />
Forschung, eine Neudefinition und Klärung <strong>der</strong> Zuständigkeiten<br />
des Bundes (im Rahmen einer erneuten Fö<strong>der</strong>alismusreform) <strong>für</strong><br />
die Hochschulen, eine Abspaltung <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Lehre und Krankenversorgung,<br />
die in <strong>der</strong> Zuständigkeit <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> bleiben könne,<br />
während die Forschung in groûen Segmenten als Aufgabe<br />
des Bundes und <strong>der</strong> selektiven Drittmittelunterstützung ¹abgekoppeltª<br />
werde. So könnte es durchaus zu einer Dichotomisierung<br />
von Forschungsuniversitäten vs. Lehr- und Versorgungsuniversitäten<br />
kommen, die in <strong>der</strong> Nettobilanz zu einer Reduktion <strong>der</strong> Anzahl<br />
klassischer Hochschulen nach dem aktuellen Verständnis<br />
auf 15±20 deutsche Hochschulen führen könnte.<br />
Die Auswirkungen einer <strong>der</strong>artigen Reduktion <strong>der</strong> Anzahl vollwertiger<br />
Hochschulen kann auf die Lebenswege wissenschaftlich,<br />
akademischer Mitarbeiter nicht ohne Folgen bleiben, die Gefahr<br />
laufen, um ihre akademische Zukunft betrogen zu werden, insoweit<br />
sie nicht selbst zu den verbleibenden 15±20 Universitäten<br />
gehören.<br />
Umgekehrt kann mit Recht erwartet werden, dass die Verstetigung<br />
<strong>der</strong> Exzellenzinitiative <strong>der</strong>en Rolle als Attraktor erst sichtbar<br />
macht. So lässt sich vorhersagen, dass die Exzellenzinitiative im<br />
Wettbewerb um gute Wissenschaftler eine selektionierende Rolle<br />
haben wird, da das Angebot qualifizierter Wissenschaftler beschränkt<br />
ist und bleiben wird, da die Nachfrage stetig steigt.<br />
Auch im Wettbewerb um öffentliche und private Mittel wird die Exzellenzinitiative<br />
¹punktenª. Und bei weichen Faktoren wie dem<br />
Wettbewerb um Reputation zeigt das Medienecho schon heute<br />
Wirkung: die in den ersten Tagen noch belächelten und sehr angreifbaren<br />
(Spiegel-)Hochschul-Rankings werden transparenter<br />
und finden Beachtung. Die Reputation <strong>der</strong> Universität wird als willkommene<br />
Werbestrategie um gute Studenten eingesetzt werden.<br />
Alle diese Vorgänge werden ihrerseits zu einer Verstetigung des<br />
Konzepts <strong>der</strong> Exzellenzinitiative beitragen.<br />
36 Deutsche <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Chirurgie</strong> ± <strong>Mitteilungen</strong> 1/13<br />
Gegründet 1872<br />
Sitz Berlin<br />
Niemand kann auf den ersten Blick gegen den Finanzumfang des<br />
Investments in die Exzellenzinitiative sein. In <strong>der</strong> Debatte, ob sich<br />
die Investition in die Exzellenzinitiative lohnt und ob sie berechtigt<br />
ist, werden folgende Sachargumente vorgetragen: 1.) <strong>der</strong> Bedarf<br />
an hochqualifizierten Hochschulabsolventen in Deutschland<br />
steigt. 2.) geburtenstarke, gut qualifizierte Jahrgänge scheiden<br />
aus und müssen ersetzt werden. 3.) die Zahl <strong>der</strong> Studienberechtigten<br />
in Deutschland steigt bis 2<strong>01</strong>3 an, geht dann aber kontinuierlich<br />
zurück, sodass man nur durch verbesserte Qualifikation<br />
beim Studienabschluss diese Lücken kompensieren kann. 4.)<br />
ein alterndes Land mit steigendem Bedarf an hochqualifizierten<br />
Arbeitskräften muss die vorhandenen Talente optimal nutzen. 5.)<br />
die Ausschöpfung des Talentreservoirs ist bei fehlenden wettbewerbsfähigen<br />
Studienplätzen in Deutschland nicht möglich, da<br />
gerade die hochqualifizierten Studenten nach alternativen Studienplätzen<br />
im Ausland suchen können.<br />
Paradigmenwechsel in <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
För<strong>der</strong>ungskultur<br />
Die Exzellenzinitiative ist von einem Paradigmenwechsel begleitet,<br />
auf den die Hochschulen und insbeson<strong>der</strong>e die Hochschulmedizin<br />
nicht vorbereitet war. Das akademische Selbstverständnis<br />
<strong>der</strong> wissenschaftlichen Mitarbeiter wird gravierend verän<strong>der</strong>t und<br />
führt zu einer Entmündigung als Person und zu einer Verstärkung<br />
<strong>der</strong> Rolle als Angehöriger einer Institution. Dieses wird an verschiedenen<br />
Aspekten deutlich: 1.) Antragsteller im Kontext <strong>der</strong><br />
Exzellenzinitiative waren Universitäten, während traditionell in<br />
Deutschland Hochschullehrer und Wissenschaftler um Forschungsmittel<br />
konkurrierten. 2.) Bereits bei <strong>der</strong> Antragstellung<br />
wurde hochschulintern eine Selektion nach den erfolgversprechendsten<br />
Disziplinen und Projekten durchgeführt, sodass die<br />
Zugangschancen zu den Exzellenzinitiativ-Projekten <strong>für</strong> die unterschiedlichen<br />
Fächer bereits hochschulintern unterschiedlich<br />
waren und Chancengleichheit <strong>der</strong> unterschiedlichen Hochschullehrer<br />
nicht gegeben war. 3.) Es kommt zur Wettbewerbsverzerrung<br />
durch die Selektion nach Impact-Punkten, Drittmitteln, Publikationen,<br />
Forschungskooperationen, indem Fächer, die unter diesen<br />
Gesichtspunkten eine positive Forschungsbewertung demonstrieren<br />
können, durch das Selektionssystem bevorzugt werden<br />
und 4.) es wird ein ¹schweigen<strong>der</strong> Ausschlussª aller Disziplinen<br />
hingenommen, die im aktuellen För<strong>der</strong>system nicht in herausragendem<br />
Umfang materiell geför<strong>der</strong>t sind (Geisteswissenschaften,<br />
Sozialwissenschaften, Theologie, weite Bereiche <strong>der</strong><br />
<strong>Chirurgie</strong>).<br />
Die durch die Exzellenzinitiative eingeleiteten, hier in knapper<br />
Form skizzierten substanziellen Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> deutschen<br />
Wissenschafts- und Hochschulpolitik <strong>der</strong> letzten Jahre müssen<br />
auch von <strong>der</strong> akademischen <strong>Chirurgie</strong> als ernste aktuelle Heraus-