Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 01/2013

Nicht ganz ernst gemeint
Das Streiflicht
Manchmal ist es gar nicht so einfach, ein glücklicher Deutscher zu
sein.Zum Beispiel dann, wenn man rein zufällig in Berlin wohnt.
Oder noch schlimmer: Wenn man rein zufällig nicht in Berlin
wohnt.Der kleine Glücksvorteil des Berliners besteht darin, dass
er schon da ist, wenn er nach Berlin will.Für alle anderen ist und
bleibt der Weg in die Hauptstadt mit allerlei mittelalterlichen Strapazen
verbunden.Von Flugreisen ist grundsätzlich abzuraten,
der nächstliegende funktionierende Airport befindet sich in Frankfurt
am Main.Zwar gibt es im Groûraum Berlin zum Teil mehrspurige
Autobahnabschnitte, die manchmal zwei Tage am Stück befahrbar
sind.Sie haben nur leider keine Autobahnanschlussstellen,
die zwei Tage am Stück befahrbar wären.Verhältnismäûig
unkompliziert ist die Einreise auf jenen Wanderwegen, welche
der Dichter Theodor Fontane erkundet hat.Ansonsten bleibt nur
die gute alte Eisenbahn.Mitten in Berlin steht eine vierstöckige
Shopping-Mall, die einen hübschen Ausblick auf das Regierungsviertel
bietet.Dort halten dem Vernehmen nach auch Züge.
Die Deutschen haben ein gestörtes Verhältnis zu ihrer Bahn.Das
ist, wie so viele deutsche Verhältnisse, schwer zu verstehen.Sicher,
das Boulevard-Frühstück im Bordbistro macht so wenig
Fortschritte wie der Englischkurs der Zugbegleiter.Und gerade
jetzt, da der Winter naht, muss man auf den Hauptstrecken (also
fernab der Hauptstadt) wieder etwas zusammenrücken.Wahr ist
aber auch, dass sich in den Gepäckablagen nicht selten noch ein
freier Liegeplatz findet.Vor allem in jenen Abteilen, in denen entweder
die Heizung oder die Klimaanlage streikt.Im Übrigen reist
man auch auf dem Gang recht bequem.Das haben gerade zwei
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Gegründet 1872
Sitz Berlin
Fahrgäste namens Marco Reus und Mario Götze demonstriert.
Die beiden Fuûballer hatten die Heimreise von ihrem Spiel in
Hannover ohne Reservierung angetreten.Sie mussten sich mit
einem Stammplatz gegenüber der Klotür begnügen.Wer aber
ihre glücklichen BVB-Gesichter auf Fotos sah, der ahnt: Man
kann das Leben durchaus in vollen Zügen genieûen.Jedenfalls
dann, wenn diese Züge nach Dortmund rollen.
Nun aber zu einer aktuellen Verkehrsmeldung: ¹Im Winter wieder
Direktzüge zwischen Berlin und Potsdam.ª Das klingt nach einem
Jahrhundertprojekt, denn zwischen diesen Städten liegen gut und
gerne 31 Kilometer.Offenbar, so muss man das ja lesen, sollen
Bahnreisende die Strecke künftig ganz ohne Umsteigen bewältigen
können.Ob das klappen kann, wenn demnächst die ersten
Schneeflocken leise auf die Gleise rieseln und der Fahrplan einfriert,
darf sich jeder selbst ausmalen.Andererseits, wie sagte
noch gleich der Alte Fritz, der berühmteste Berlin-Potsdam-Pendler
neben Günther Jauch und Fontane? Man solle die menschlichen
Pläne nie nach ihrem Ausgang beurteilen.
Süddeutsche Zeitung POLITIK Freitag, 30.November 2012
Streiflicht, Bayern, Deutschland, München, Seite 1
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