Demografischer Wandel und Frauen - Denkanstöße - frauennrw.de
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Die Folgen sind, laut Kaufmann (2005: 92, 101, 107, 109, 113), gravierend:<br />
„Beschäftigungs- <strong>und</strong> Wohlstandsverluste(n)“, „erbitterte(n) Verteilungskämpfe(n)“,<br />
„Deindustrialisierung“, „soziale Desorganisation“, „Verfall <strong>de</strong>r<br />
Bauten“, „Verelendung“, „wachsen<strong>de</strong>(r) Kriminalität“, „soziale(r) Erstarrung“,<br />
„strukturelle Sklerose“ – <strong>und</strong> all diese Effekte verstärken sich wechselseitig.<br />
Kaufmann schreckt schließlich nicht davor zurück, ein Huntington´sches<br />
Szenario (allerdings ohne einschlägigen Verweis (vgl. Huntington 1997)) vom<br />
Kampf <strong>de</strong>r Kulturen zu skizzieren: junge Staaten mit hohen Geburtenraten <strong>und</strong><br />
nicht-westlichen kulturellen Orientierungen gegen die altern<strong>de</strong>n europäischen<br />
Gesellschaften – Migrationsdruck <strong>und</strong> Kriegsdrohungen inklusive (vgl.<br />
Kaufmann 2005: 58 f.). Gegen diese Gefahren <strong>und</strong> gegen die (Teil-)Kompensation<br />
<strong>de</strong>s Geburtenrückgangs durch Einwan<strong>de</strong>rung hält Kaufmann, in seiner<br />
Argumentation logisch, die formal nationalstaatlich <strong>und</strong> politisch-kulturell<br />
geprägte kollektive I<strong>de</strong>ntität hoch (vgl. Kaufmann 2005: 25 f.); die Perspektive<br />
von Bevölkerungsberechnungen darf also nicht europäisch o<strong>de</strong>r gar global sein,<br />
sie hat nationalstaatlich zu sein. Während in <strong>de</strong>r avancierten Demokratietheorie<br />
zur Transnationalisierung das Konstrukt „kollektive I<strong>de</strong>ntität“ unter heftigen<br />
argumentativen Druck geraten ist (vgl. exemplarisch Habermas 1998), versteigt<br />
sich Kaufmann (2005: 25, 27) gar zum Begriff <strong>de</strong>s „Schicksalraum(s)“, <strong>de</strong>r für<br />
seine Fragen relevant sei (wenn auch zunächst in Anführungszeichen <strong>und</strong> mit<br />
erklären<strong>de</strong>r Anmerkung, zwei Seiten weiter aber bereits ohne einschränken<strong>de</strong><br />
Zusätze, son<strong>de</strong>rn im Gegenteil mit <strong>de</strong>r üblichen Hervorhebung durch<br />
Kursivierung). Die „kollektive I<strong>de</strong>ntität“ eines Lan<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r „Schicksalsraum“<br />
seiner Bevölkerung, wer<strong>de</strong>n bei Kaufmann zum Bezugsrahmen für bevölkerungspolitische<br />
Überlegungen. Kaufmanns (2005: 196) politisches Gebot muss folglich<br />
lauten: „Je<strong>de</strong>r <strong>und</strong> je<strong>de</strong>“ haben entwe<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r zu erziehen o<strong>de</strong>r Ersparnisse zu<br />
bil<strong>de</strong>n – dafür muss <strong>de</strong>r jeweilige Nationalstaat heute vorrangig sorgen. In Bezug<br />
auf das Geschlechterverhältnis kann jedoch ausdrücklich vermerkt wer<strong>de</strong>n, dass<br />
Kaufmann (2005: 146 ff.) wi<strong>de</strong>r Erwarten eine engagierte Kritik <strong>de</strong>s<br />
Paternalismus in Deutschland vorträgt <strong>und</strong> damit nicht <strong>de</strong>m allgegenwärtigen<br />
Trend folgt, das heutige Verhalten von <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Feminismus zum<br />
eigentlichen Problem zu erklären.<br />
Ein an<strong>de</strong>rer Wissenschaftler ist ebenfalls in <strong>de</strong>r aktuellen Debatte stets präsent:<br />
Bevölkerungsforscher Herwig Birg, <strong>de</strong>n Dieter Oberndörfer (2005: 1482) „<strong>de</strong>n<br />
gegenwärtigen ‚medialen Superstar’ <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Demografie“ nennt <strong>und</strong> entsprechend<br />
scharf kritisiert. Birgs alarmistische Argumente basieren auf krassen<br />
Rechnungen, die möglichst drastische Zahlen erzeugen. So gelingt es Birg<br />
(2003: 8, 12) in einem kurzen Aufsatz, die Spannbreite <strong>de</strong>r Hochrechnungen<br />
gleichzeitig weit unter <strong>und</strong> weit über die seriösen Mo<strong>de</strong>lle zu treiben, beispielsweise<br />
die Zahl 22,4 Millionen Deutsche für das Jahr 2100 zu errechnen (ohne<br />
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