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Demografischer Wandel und Frauen - Denkanstöße - frauennrw.de

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Zahl 67 Millionen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zahl 81 Millionen ausgeht, also von einer erheblichen<br />

Abnahme <strong>de</strong>r Bevölkerung o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Hoffnung auf eine doch noch stabile<br />

Entwicklung auf heutigem Niveau (Wachstumsoptionen wer<strong>de</strong>n nicht in Betracht<br />

gezogen). Das Steuerungsinstrumentarium ist beschränkt: Formen positiver<br />

Diskriminierung wie Geldleistungen, Rentenvorteile <strong>und</strong> Betreuungsgarantien<br />

haben bislang nicht zum Erfolg geführt, die Summe von vielen Milliar<strong>de</strong>n Euro<br />

familienbezogener Leistungen jährlich hat die seit Jahrzehnten niedrige<br />

Geburtenrate nicht in die Höhe schnellen lassen. Offensichtlich sollen die<br />

Geburtenraten nun an<strong>de</strong>rs gesteigert wer<strong>de</strong>n – durch die alarmistische Struktur<br />

<strong>de</strong>r öffentlichen Debatte über <strong>de</strong>n <strong>de</strong>mografischen <strong>Wan<strong>de</strong>l</strong> in Deutschland <strong>und</strong><br />

durch eine alarmistisch inspirierte aktionistische Familienpolitik, in <strong>de</strong>ren<br />

Mittelpunkt nicht die Wünsche von <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Männern stehen, son<strong>de</strong>rn ökonomische<br />

<strong>und</strong> bevölkerungspolitische Zielsetzungen. Die konkret ergriffenen<br />

Maßnahmen gehen aber entwe<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n für Kin<strong>de</strong>rlosigkeit vorbei<br />

o<strong>de</strong>r sie stehen isoliert in einem sozio-ökonomischen <strong>und</strong> politischen Klima, das<br />

von prekärer Beschäftigung, ökonomischer Planungsunsicherheit, veralteten<br />

Mütterleitbil<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> weiblichen Karrierehemmnissen geprägt ist. Familienpolitische<br />

Maßnahmen wer<strong>de</strong>n ohne ausreichen<strong>de</strong> Ursachenforschung ergriffen –<br />

es han<strong>de</strong>lt sich um pronatalistischen Aktionismus in einem alarmistisch geprägten<br />

Diskurs.<br />

Unter <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>r Bevölkerungspolitik wird Familien- <strong>und</strong> Gleichstellungspolitik<br />

betrieben, aber zwischen <strong>de</strong>n drei Politikfel<strong>de</strong>rn „knirscht“ es. Sie<br />

verfolgen jeweils eigene Zielsetzungen, die sich überschnei<strong>de</strong>n können, oft aber<br />

im Konflikt miteinan<strong>de</strong>r stehen. Sie betreffen immer <strong>Frauen</strong>, aber in unterschiedlicher<br />

Weise: In <strong>de</strong>r Bevölkerungspolitik wer<strong>de</strong>n <strong>Frauen</strong> als Gebären<strong>de</strong> instrumentalisiert,<br />

in <strong>de</strong>r Familienpolitik wer<strong>de</strong>n sie auf ihr Muttersein reduziert. Auch<br />

wenn die familienpolitischen Ansätze unter <strong>de</strong>n Ministerinnen Schmidt <strong>und</strong> von<br />

<strong>de</strong>r Leyen, vor allem <strong>de</strong>r Ausbau von Kin<strong>de</strong>rbetreuungsplätzen für unter Dreijährige<br />

<strong>und</strong> das Elterngeld, gleichstellungspolitisch zu befürworten sind, bleiben<br />

sie <strong>de</strong>nnoch Nebenprodukt einer pronatalistischen Familienpolitik. Die bevölkerungspolitische<br />

Instrumentalisierung <strong>und</strong> Ökonomisierung <strong>de</strong>r Familienpolitik<br />

(bei gleichzeitiger Marginalisierung <strong>de</strong>r <strong>Frauen</strong>- <strong>und</strong> Gleichstellungspolitik) wird<br />

aber erstens nicht funktionieren, weil „Menschen noch nie einem Staat zuliebe<br />

Kin<strong>de</strong>r gehabt haben“ (Roloff 2003: 87); zweitens ist sie gesellschaftlich äußerst<br />

be<strong>de</strong>nklich: Wo ist eigentlich die Grenze zwischen <strong>de</strong>r Erfüllung existieren<strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>rwünsche <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Druck auf <strong>Frauen</strong>, Kin<strong>de</strong>r zu gebären? In <strong>de</strong>r aktuellen<br />

Mischung aus aktionistischer Politik <strong>und</strong> alarmistischem Diskurs verschwimmen<br />

tatsächlich die Grenzen zwischen positiven (materiellen) Anreizen <strong>und</strong> sanktionieren<strong>de</strong>r<br />

öffentlicher Debatte. Was <strong>de</strong>m politischen Aktionismus an Druckpotenzial<br />

fehlt, wird durch <strong>de</strong>n diskursiven Alarmismus generiert.<br />

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