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Wenn man mit Gunther Jancke <strong>und</strong> Ursula Glatzel in Oberschöneweide unterwegs ist, wird<br />
hier gewunken <strong>und</strong> dort gegrüßt: „Hallo, wie geht's?“, „Guten Morgen, schön euch zu<br />
sehen!“, „Alles klar?“. Ihren Bekanntheitsgrad haben sich die beiden in den vergangenen<br />
Jahren durch ihr offenes Zugehen auf andere Menschen „erarbeitet“. Ursula Glatzel ist durch<br />
etliche Geschäfte des Bezirks gegangen, hat mit den Inhabern gesprochen, hat andere zu<br />
sich nach Hause eingeladen: „Ich wollte sie aufrütteln, sie bewegen, sich auch zu<br />
engagieren.“<br />
Als Frau Glatzel das erste Mal bei einer Versammlung war <strong>und</strong> von „Community Organizing"<br />
hörte, hat sie frech über den Tisch gerufen: „Na prima, jetzt haben wir ja endlich auch was<br />
Amerikanisches hier.“ Der Name, den man dann fand, ist lang, aber sagt inhaltlich genau das<br />
aus, was gemeint ist: „Menschen verändern ihren Kiez“. „Wir sind keine Bürgerinitiative im<br />
üblichen Sinne, sind parteipolitisch <strong>und</strong> konfessionell unabhängig“, erklärt Gunter Jancke.<br />
Seit zwei Jahren ist er Ansprechpartner <strong>und</strong> Koordinator aller Gruppen, die hier gemeinsam<br />
etwas bewegen wollen.<br />
Fast 25 Gruppen von der Kita über den Sportverein bis zur Kirchengemeinde haben sich in<br />
der Bürgerplattform inzwischen zusammengef<strong>und</strong>en ebenso wie r<strong>und</strong> 15 Firmen als<br />
Verbündete <strong>und</strong> Sponsoren. Eines hat „Organizing" bereits durch hartnäckiges Nachhaken<br />
beim Senat erreicht: 2006 sollen mit dem Umzug von 6500 Student/innen der<br />
Fachhochschule <strong>für</strong> Technik <strong>und</strong> Wirtschaft (FHTW), die hier einen zweiten Campus<br />
aufmacht, junge Leute herkommen. Über zehn Jahre lang war die Verlegung des Campus'<br />
im Abgeordnetenhaus immer wieder positiv entschieden worden <strong>und</strong> doch passierte nichts.<br />
„Da sind wir den Politikern aber auf die Füße getreten“, erzählt Ursula Glatzel stolz. Für sie<br />
ist es immer wieder ein Erlebnis „zu sehen, was man gemeinsam erreichen kann“ 9 .<br />
Lernerfahrungen aus der Praxis von Community Organizing<br />
In folgenden Thesen stelle ich die Lernerfahrungen aus der beispielhaften Praxis von<br />
Community Organizing in Berlin <strong>für</strong> das Thema „Mitmischen – Einmischen“ dar.<br />
Der Aufbau einer starken Bürgergesellschaft in Deutschland wird einer der wichtigsten<br />
Zukunftsfaktoren sein. Dies erstreckt sich nicht nur auf verschiedene Formen der<br />
gesellschaftlichen Dienstleistung, sondern <strong>und</strong> vor allem auch auf neue Partizipations- <strong>und</strong><br />
Gestaltungsansätze, die nicht <strong>für</strong>, sondern von <strong>und</strong> mit Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern in ihrem<br />
Sozialraum verwirklicht werden. Eine derart breit verankerte <strong>und</strong> selbstständig aktive<br />
Bürgergesellschaft ist die beste Garantie <strong>für</strong> eine starke Demokratie <strong>und</strong> das wirksamste<br />
Mittel zur Verhinderung von Rechtsradikalismus <strong>und</strong> F<strong>und</strong>amentalismus.<br />
9 Berliner Morgenpost, 18.12.2004, Magazin, S.6