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Psychotherapeutenjournal 3/2005 (.pdf)

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Schriftliche Prüfungen: Ein Angriff auf die KJP-Ausbildung?<br />

verbindlichen Themenkataloge der beiden<br />

Kategorien „Grundkenntnisse“ und „Vertiefte<br />

Ausbildung“. Gegenstand der Schriftlichen<br />

Prüfung sind ausschließlich die<br />

Grundkenntnisse, und das IMPP hat für<br />

seinen Gegenstandskatalog 2 pflichtgemäß<br />

die entsprechende Themenliste der Anlage<br />

1 zur verbindlichen Grundlage genommen.<br />

Wenn man nun diesen Gegenstandskatalog<br />

für die schriftlichen KJP-Prüfungen<br />

in die Hand nimmt, so stellt man fest, dass<br />

aus der noch einigermaßen überschaubaren<br />

Themenliste von Grundkenntnissen<br />

ein geradezu schwindelerregend umfangreiches<br />

Stichwortverzeichnis geworden ist,<br />

zu dem offenbar eine stattliche Gruppe<br />

verschiedener Fachleute – möglicherweise<br />

im Wetteifer, wem zu seinem Gebiet am<br />

meisten Wichtiges einfalle – all das zusammengetragen<br />

haben, was aus der Sicht<br />

ihres Faches Grundlegendes zu den einzelnen<br />

Themen gehöre. Dabei wurde<br />

durchaus freizügig mit den Vorgaben der<br />

Anlage umgegangen. Wer diesen Gegenstandskatalog<br />

wirklich ernst nimmt, wird<br />

sich nicht nur als erfahrene Kinder- und<br />

Jugendlichenpsychotherapeutin, langjährige<br />

Dozentin und Supervisorin in der KJP-<br />

Ausbildung kläglich scheitern sehen, er<br />

muss sich auch außerstande sehen, die<br />

geforderten differenzierten und breit gestreuten<br />

Kenntnisse aus verschiedensten<br />

Fachgebieten in 200 Std. zu unterrichten.<br />

Im Grunde erfordert der Gegenstandskatalog<br />

ein eigenes mehrsemestriges Studium.<br />

Für die Ausbildungsstätten auf der anderen<br />

Seite waren bei der Ausgestaltung ihres<br />

Curriculums, das sie nach Inkrafttreten<br />

des PsychThG den Behörden vorlegen<br />

mussten, lediglich die Themenkataloge der<br />

Anlage zur KJPsychTh-APrV verbindlich, vor<br />

allem aber orientierten sie sich an der Formulierung<br />

des § 3 Abs. 1 der KJPsychTh-<br />

APrV, der bisher auch unverändert geblieben<br />

ist: „Die theoretische Ausbildung …<br />

erstreckt sich auf die zu vermittelnden<br />

Grundkenntnisse für die psychotherapeutische<br />

Tätigkeit und im Rahmen der vertieften<br />

Ausbildung auf Spezialkenntnisse in<br />

einem wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen<br />

Verfahren (Anlage 1).<br />

Sie findet in Form von Vorlesungen, Seminaren<br />

und praktischen Übungen statt. Die<br />

Vorlesungen dürfen ein Drittel der Stundenzahl<br />

der theoretischen Ausbildung nicht<br />

überschreiten.“<br />

Dem „Geist“ dieser Verordnung zufolge, die<br />

im übrigen die tradierten Ausbildungsbedingungen<br />

spiegelt, scheint klar: Es soll<br />

bei den zu vermittelnden Grundkenntnissen<br />

nicht um die Grundlagen aller einzelnen<br />

aufgeführten Themenbereiche gehen,<br />

wie sie das IMPP im Gegenstandskatalog<br />

zusammengestellt hat, sondern es<br />

sollen diejenigen Grundkenntnisse aus den<br />

verschiedenen Bereichen gelehrt werden,<br />

die für die psychotherapeutische Tätigkeit<br />

von Belang sind.<br />

Der letzte Satz des zitierten § 3 Abs. 1 stellt,<br />

indem er den Anteil von Vorlesungen ausdrücklich<br />

begrenzt, weiterhin klar, dass es<br />

bei der theoretischen Ausbildung nicht vorrangig<br />

um Frontalunterricht oder gar „Einpauken“<br />

gehen soll – etwas, das der Vorbereitung<br />

auf psychotherapeutische Tätigkeit<br />

weder gerecht würde noch berufswürdig<br />

sein kann. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten<br />

müssen sich gegebenenfalls<br />

kundig machen können, wenn z. B. das<br />

Geschwister eines Patienten Trisomie 21 hat;<br />

sie müssen aber nicht abfragbar die einzelnen<br />

medizinischen Merkmale des Krankheitsbilds<br />

kennen, die für ihren psychotherapeutischen<br />

Zusammenhang zudem noch<br />

die geringste Bedeutung unter den verschiedenen<br />

Aspekten dieser Behinderung haben.<br />

Deswegen wird an den Ausbildungsstätten,<br />

jedenfalls an den psychoanalytischen, vermutlich<br />

aber auch an den anderen, eher<br />

Wert auf exemplarisches Lernen gelegt. Im<br />

komplexen und breit gefächerten Bereich<br />

der Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen<br />

zwischen 0 und 21 Jahren und<br />

der begleitenden Arbeit mit den Bezugspersonen<br />

erweist sich Detailwissen dann als<br />

wichtig und grundlegend, wenn es zum professionellen<br />

Umgang mit und zum Verständnis<br />

– und den Grenzen des Verständnisses!<br />

– von Patienten, ihrer Entwicklung, ihrer Erkrankung<br />

und psychischen Konflikte, ihres<br />

Umfelds sowie zur Frage der Indikation und<br />

der therapeutischen Verantwortung grundlegend<br />

benötigt oder immer wieder einmal<br />

herangezogen werden muss. Diesen qualitativen<br />

Erfordernissen entsprechend wären<br />

die Grundkenntnisse nach der Themenliste<br />

der KJPsych-APrV durchaus zu definieren<br />

und sinnvoll zu begrenzen.<br />

So übermäßig differenziert und anspruchsvoll<br />

der Gegenstandskatalog des IMPP erscheint,<br />

so in Teilen banal und kleinteilig –<br />

dabei durchaus schwer beantwortbar – in<br />

anderen Teilen wiederum hoch anspruchsvoll,<br />

erscheinen dann viele Prüfungsfragen<br />

des Beispiel-Aufgabenheftes 3 (natürlich<br />

gibt es darin auch ganz angemessene!).<br />

Mag man sich an manchen Stellen fragen,<br />

ob es sich wirklich um erforderliche KJP-<br />

Grundkenntnisse handelt (abgesehen<br />

davon, dass einige Fragen sich auf Erwachsene<br />

beziehen), so haben andere Fragen<br />

den Charakter von Vokabelabfragen („Wie<br />

bezeichnet man bei den und den Merkmalen<br />

eine bestimmte Form der Enuresis<br />

diurna?“) Dann wiederum geht es um detaillierte<br />

pharmakologische Kenntnisse oder<br />

auch um komplizierte entwicklungspsychologische<br />

Konzepte oder Behandlungstechniken<br />

eines Verfahrens, die eher in die<br />

vertiefte Ausbildung gehören und die Kandidaten<br />

eines anderen Verfahrens wirklich<br />

nicht kennen müssen (und ohnehin nicht<br />

verstehen, wenn ihnen die Praxis nicht zur<br />

Anschauung dient).<br />

Auch die Form der Prüfung ist ein Problem.<br />

Die „Kurzantwortaufgaben“ fragen einen<br />

terminus technicus ab, und die Multiple-<br />

Choice-Aufgaben reduzieren naturgemäß<br />

jegliche Komplexität und bieten zuweilen<br />

fachlich nur schwer akzeptierbare Alternativen<br />

zur Auswahl an.<br />

Unter diesen Bedingungen ist etwas entstanden,<br />

das dem Geist der Ausbildungsund<br />

Prüfungsverordnung keineswegs entspricht.<br />

Die Folgen liegen auf der Hand:<br />

Wenn die Ausbildungsstätten strukturell<br />

keinen Einfluss auf die gesetzlich vorgeschriebenen<br />

schriftlichen Prüfungen haben<br />

und ihr Verständnis dessen, was an Grundkenntnissen<br />

in der Ausbildung zu vermitteln<br />

ist, nicht mit dem des IMPP übereinstimmt,<br />

so droht die Vorbereitung auf die<br />

Schriftliche Prüfung zu einer Parallelaus-<br />

2 IMPP, Gegenstandskatalog für die schriftlichen<br />

Prüfungen nach dem Psychotherapeutengesetz,<br />

Ausbildungsgang für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten,<br />

Mai 2004<br />

3 IMPP, Aufgabenheft Kinder- und<br />

Jugendlichenpsychotherapie, Dezember<br />

2004<br />

224 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2005</strong>

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