Psychotherapeutenjournal 3/2005 (.pdf)
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Aktuelles aus der Forschung<br />
kriterien, berücksichtigt Gruppen-<br />
und Einzelsetting und versucht,<br />
eine möglichst große Anzahl<br />
von Studien mit einzubeziehen.<br />
Darüber hinaus werden<br />
Effekte von möglichen konfundierenden<br />
Moderator-Variablen<br />
untersucht und die Stabilität der<br />
Ergebnisse anhand von Sensitivitätsanalysen<br />
überprüft.<br />
Die Ergebnisse der Meta-Analyse<br />
entsprechen aktuellen nationalen<br />
und internationalen<br />
Forschungsergebnissen: Debriefing<br />
wird zwar von den Teilnehmern<br />
oft als hilfreich empfunden<br />
und ermöglicht den<br />
Betroffenen, über das Erlebte<br />
zu sprechen. Dennoch erfüllt es<br />
nicht den Zweck, Symptombildungen<br />
zu verhindern und ist<br />
somit keine geeignete Methode<br />
der „sekundären Prävention“.<br />
Für die psychologische<br />
Akuthilfe ist es daher wichtig,<br />
Alternativen zu entwickeln, die<br />
im Fall der Fälle zuverlässig angewendet<br />
werden können und<br />
den Helfern das Gefühl vermittelt,<br />
nicht selbst „ohnmächtig“<br />
zu sein.<br />
Die aktuelle Stimmung von Patienten<br />
beeinflusst das Therapiegeschehen<br />
Koban, C., Willutzki, U. & Schulte,<br />
D. (<strong>2005</strong>) Zur aktuellen<br />
Stimmung von Patienten: Wie<br />
relevant ist sie im Therapiegeschehen?<br />
Zeitschrift für Klinische<br />
Psychologie und Psychotherapie,<br />
34, 1, 39 – 46.<br />
Stimmungen beeinflussen<br />
nach dem Stimmungsmediationsmodell<br />
von Robinson<br />
(2000) nicht nur retrospektiv<br />
die Verarbeitung vergangener<br />
Ereignisse, sondern auch prospektiv<br />
das Erleben aktueller Lebensereignisse.<br />
Positive Stimmung<br />
kann dabei die Aktivierung<br />
positiver Denkinhalte aus<br />
Vergangenheit und Gegenwart<br />
verbessern. Die aktuelle Stimmung<br />
mediiert dabei zwischen<br />
aktuellen Lebensereignissen<br />
und dem „kognitiven Wohlbefinden“,<br />
das die Grundeinstellung<br />
zum Leben widerspiegelt,<br />
dazu gehören beispielsweise<br />
Selbstwahrnehmung, Kontrollüberzeugungen,<br />
Lebenssinn<br />
und Selbstakzeptierung.<br />
Die vorliegende Studie untersucht<br />
die Implikationen des<br />
Modells für Psychotherapie an<br />
74 Patienten, deren Stimmung<br />
zum Therapieprozess und zum<br />
Sitzungsergebnis in Bezug gesetzt<br />
wurde. Es wurde dabei<br />
untersucht, ob Zusammenhänge<br />
zwischen aktueller Stimmung<br />
des Patienten und der<br />
Bewertung der Therapiebeziehung,<br />
Aufnahmebereitschaft<br />
und des Sitzungsergebnisses<br />
bestehen. Diese Zusammenhänge<br />
sollen laut Theorie auch<br />
dann bestehen, wenn der Einfluss<br />
von der Grundeinstellung<br />
zum Leben und die Symptombelastung<br />
vor Therapieaufnahme<br />
berücksichtigt werden.<br />
Die aktuelle Stimmung wurde<br />
mit der Befindlichkeitsskala<br />
(BFS) von Abele-Brehm &<br />
Brehm (1986) erfasst. Für die<br />
vorliegende Untersuchung wurden<br />
vier Subskalen (Aktiviertheit,<br />
gehobene Stimmung, Deprimiertheit<br />
und Energielosigkeit)<br />
verwendet und zu zwei<br />
Skalen „positive“ und „negative<br />
Stimmung“ zusammengefasst.<br />
Sitzungsergebnis und Therapiebeziehung<br />
wurden aus Patienten-<br />
und Therapeutensicht dokumentiert<br />
und die einzelnen<br />
Sitzungen zu vier Behandlungs-<br />
phasen zusammengelegt. Es<br />
zeigen sich Korrelationen zwischen<br />
aktueller Stimmung des<br />
Patienten und Sitzungsergebnis<br />
sowie der Therapiebeziehung<br />
und Aufnahmebereitschaft des<br />
Patienten, wenn diese aus Sicht<br />
des Patienten eingeschätzt werden.<br />
Aktuelle Stimmung des Patienten<br />
und Einschätzung aus<br />
Therapeutensicht korrelieren<br />
nur in der Endphase der Therapie<br />
miteinander. Dieses Ergebnis<br />
bleibt auch bestehen, wenn<br />
die „Grundeinstellung“ und die<br />
Ausgangssymptomatik in die<br />
Analysen einbezogen werden.<br />
Die Ergebnisse werden im Rahmen<br />
des Modells interpretiert:<br />
aktuelle Stimmung habe eine<br />
Mediatorfunktion, die dazu führe,<br />
dass Anregungen des Therapeuten<br />
besser aufgenommen<br />
werden, Wahrnehmung<br />
und Bewertung der Fortschritte<br />
in der Sitzung positiver eingeschätzt<br />
würden und insgesamt<br />
das Therapiegeschehen<br />
besser bewertet und gestaltet<br />
würde. Einschränkend gilt dies<br />
jedoch nur für die Patientensicht.<br />
Ein Zusammenhang zwischen<br />
Selbstbeurteilung der<br />
Stimmung und Fremdbeurteilung<br />
des Erfolgs (durch den<br />
Therapeuten) zeigt sich nicht.<br />
Kommentar: Die Studie fasst<br />
sowohl die Subskalen des verwendeten<br />
Fragebogens zusammen,<br />
als auch einzelne Therapiesitzungen<br />
zu Therapiephasen<br />
– es werden also agglomerierte<br />
Daten miteinander korreliert<br />
bzw. später in die Regressionsanalysen<br />
mit einbezogen.<br />
Darüber hinaus ist die Stichprobe<br />
doch relativ klein im Verhältnis<br />
zur Anzahl der durchgeführten<br />
Berechnungen – eine Korrektur<br />
des statistischen Signifikanzniveaus<br />
wäre eigentlich<br />
notwendig. Das statistische Verfahren<br />
ist in der vorliegenden<br />
Arbeit nur bedingt dazu geeignet,<br />
Kausalität und damit eine<br />
zeitliche Reihenfolge zu belegen<br />
– günstiger für einen Nachweis<br />
des Einflusses wäre die Trennung<br />
der Stichprobe in zwei<br />
parallelisierte Untersuchungsgruppen<br />
und der Fokus auf jeweils<br />
ein Konstrukt, das in den<br />
Untersuchungsgruppen in unterschiedlicher<br />
Ausprägung vorhanden<br />
ist. Als hypothesengenerierende<br />
Untersuchung, die<br />
sich einem sehr komplexen<br />
Gebiet nähert, ist die Studie aber<br />
sinnvoll und erwähnenswert<br />
und liefert Hinweise auf die<br />
Gestaltung des psychotherapeutischen<br />
Umgangs.<br />
Patienten profitieren von ihrer<br />
positiven Stimmung während<br />
der Therapiesitzungen zumindest<br />
subjektiv, das wirkt sich auf<br />
den Sitzungserfolg und damit<br />
wohl auch – so kann spekuliert<br />
werden – auf die Motivation<br />
aus. Im weitesten Sinne kann<br />
das im Sinne einer ressourcenorientierten<br />
Haltung des Psychotherapeuten<br />
interpretiert<br />
werden, die einen Ausgleich<br />
zwischen notwendiger Arbeit an<br />
den Defiziten und Stützung und<br />
Herausarbeiten der Ressourcen<br />
und der Bereiche, „die noch<br />
funktionieren“, schafft. Diese<br />
Haltung kann möglicherweise<br />
den Patienten zumindest dabei<br />
unterstützen, eine bessere Einschätzung<br />
der Ergebnisse und<br />
der Fortschritte zu haben, mehr<br />
Motivation zur Therapie zu haben<br />
und damit insgesamt einen<br />
positiveren Verlauf zu gestalten.<br />
Dipl.-Psych. Petra Kümmler<br />
Wissenschaftliche Referentin<br />
der Bayerischen Landeskammer<br />
der Psychologischen<br />
Psychotherapeuten und der<br />
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten<br />
St.-Paul-Str. 9<br />
80336 München<br />
kuemmler@ptk-bayern.de<br />
246 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2005</strong>