Psychotherapeutenjournal 3/2005 (.pdf)
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Mitteilungen der Psychotherapeutenkammer<br />
Rheinland-<br />
Pfalz<br />
bildungen Sie bereits durchlaufen haben.<br />
Diese Informationen wurden als Liste an<br />
die Koordinierungsstelle des Bundesamtes<br />
für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />
(BBK) weitergeleitet. Diese ist für<br />
Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe<br />
zuständig und kürzt sich NOAH ab. Die in<br />
dieser Liste aufgenommenen Therapeuten<br />
fallen in den Bereich der Sekundärprävention,<br />
d. h. sie bieten Beratung und<br />
therapeutische Behandlung zur Linderung<br />
psychischer Beeinträchtigungen oder Erkrankungen<br />
und helfen dadurch auch, einer<br />
Verschlimmerung vorzubeugen. Therapeuten<br />
der Sekundärprävention arbeiten<br />
klassischerweise in einer „Kommstruktur“.<br />
Sie sitzen in den Beratungsstellen oder<br />
Praxen und warten auf ihr Klientel oder die<br />
Patienten, die entweder an sie verwiesen<br />
werden oder aus eigenen Stücken zu ihnen<br />
kommen.<br />
Aus der Psychotherapieforschung wissen<br />
wir, dass viele Patienten eine jahrelange<br />
Odyssee hinter sich haben, bis sie eine für<br />
ihr Störungsbild adäquate, psychotherapeutische<br />
Behandlung erfahren. Hierunter befinden<br />
sich auch Patienten mit einer (relativ<br />
kurzfristigen) Typ-I-Traumatisierung, wie<br />
sie durch Unfälle, Großschadensereignisse<br />
(GSE) oder Katastrophen hervorgerufen<br />
werden.<br />
Aus einer akuten Belastungsstörung hat sich<br />
über die Zeit evtl. eine posttraumatische<br />
Belastungsstörung, Anpassungsstörung oder<br />
anders klassifizierbare Störung mit Krankheitswert<br />
entwickelt. Eine rechtzeitige Intervention,<br />
Behandlung oder einfache Psychoedukation,<br />
um über mögliche Belastungssymptome<br />
aufzuklären, hat in der Regel<br />
nicht stattgefunden. Die Betroffenen wurden<br />
als nicht somatisch Verletzte einer weiteren<br />
Betreuung oder Beobachtung nach<br />
dem traumatischen Ereignis nicht zugeführt.<br />
Pathologische Verarbeitungsmuster können<br />
in solchen Fällen nicht rechtzeitig erkannt<br />
werden. Die Patienten kommen dann, wenn<br />
die Symptomatik der Störung meist voll ausgeprägt<br />
ist. Eine Zuordnung zum verursachenden<br />
Ereignis ist nach der langen Zeit<br />
der Vollausbildung der Störungssymptomatik<br />
und der Odyssee bis zum Finden eines geeigneten<br />
Therapeuten oftmals nur noch<br />
schwer möglich. Einen Zusammenhang<br />
zwischen traumatischem Ereignis und Störung<br />
aufzeigen zu können, hat jedoch auch<br />
versicherungsrechtliche Aspekte! Des weiteren<br />
ist davon auszugehen, dass innerhalb<br />
der Bevölkerung ein bestimmter Prozentsatz<br />
von Menschen hinsichtlich eines psychischen<br />
Störungsbildes eine Vorerkrankung<br />
aufweist oder dass eine erhöhte Vulnerabilität<br />
diesbezüglich vorliegt, so dass das traumatische<br />
Ereignis den Ausbruch einer Störung<br />
triggert.<br />
Das Bild der akuten Belastungsreaktion ist<br />
zudem nicht einheitlich. Im Extremfall treten<br />
Handlungs- oder emotionale Blockaden<br />
auf (Stupor, dissoziative Zustände, Derealisationsphänomene)<br />
oder physiologische<br />
Überreaktionen (Angst- und Panikreaktionen).<br />
Somit ist die Notwendigkeit<br />
gegeben, dass Psychologische Psychotherapeuten<br />
und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten<br />
auch primär, d. h. während<br />
des akuten Notfallereignisses, tätig<br />
werden („Gehstruktur“). Ihr Aufgabenbereich<br />
wird eine erste Sichtung und Erfassung<br />
der dem traumatischen Ereignis ausgesetzten<br />
Betroffenen beinhalten. Hinzu<br />
kommen in offensichtlich schwereren Fällen<br />
die psychotherapeutische Krisenintervention,<br />
die Dokumentation und Zuweisung<br />
zu nachfolgenden Beratern und Therapeuten<br />
aus dem Bereich der Sekundärprävention.<br />
Auch eine Intervention bei belasteten<br />
oder auffälligen Angehörigen und<br />
Einsatzkräften mag ggf. notwendig sein. Vor<br />
Ort wird eine Kooperation mit der Einsatzleitung,<br />
den Helfern aus dem Bereich der<br />
psychosozialen Unterstützung (PSU) und<br />
den Notärzten erforderlich sein. Sich in diese<br />
Strukturen einbinden zu können, erfordert<br />
zusätzliche Kenntnisse und eine zusätzliche<br />
Qualifikation.<br />
Wie sehen die Strukturen aus,<br />
in die der Notfallpsychologe/<br />
Notfallpsychotherapeut eingebunden<br />
wird?<br />
Der Katastrophenschutz ist in erster Linie<br />
Aufgabe der Kreise und kreisfreien Städte.<br />
Im Katastrophenfall können jedoch Einheiten<br />
auch kreisübergreifend (regional) oder<br />
gar länderübergreifend (überregional) tätig<br />
werden. Das LBKG bietet den notwendigen,<br />
rechtlich vorgegebenen Rahmen, den Kreisen<br />
obliegt die Ausgestaltung des Katastrophenschutzes,<br />
d. h. der Aufbau von Strukturen,<br />
die ein effektives Arbeiten im Katastrophenfall<br />
ermöglichen. Hier gilt es, sich<br />
als Notfallpsychologe/Notfallpsychotherapeut<br />
zu integrieren. Das Notfallpsychotherapeutische<br />
Konzept in die bestehenden<br />
Strukturen einzugliedern, wird Aufgabe der<br />
Unteren Gesundheitsbehörden sein.<br />
Der Aufbau von Katastrophenschutzstrukturen,<br />
die die Vernetzung und Einbindung<br />
der psychosozialen Notfallversorgung<br />
(PSNV) vorsehen, findet derzeit meist in<br />
Anlehnung an das sogenannte „Beerlage-<br />
Konzept“ statt. Frau Prof. Dr. Irmtraud Beerlage<br />
hat im Rahmen eines Forschungsprojekts<br />
an der Hochschule Magdeburg-<br />
Stendal im Auftrag des Bundesinnenministeriums<br />
modellhaft Strukturen für die psychosoziale<br />
Notfallversorgung erstellt.<br />
Grob vereinfacht können Notfallpsychologen/Notfallpsychotherapeuten<br />
auf verschiedenen<br />
Ebenen der Akutversorgung<br />
mit Führungsfunktionen oder Aufgaben<br />
betraut sein:<br />
■ als Fachberater PSNV (Beratung der Einsatzleitung<br />
auf Stabsebene)<br />
■ als Leiter der psychosozialen Unterstützung<br />
(LPSU) – Einsatzleitung mit Gesamtverantwortung<br />
ähnlich einem leitenden<br />
Notarzt<br />
■ als Führungsassistent PSU (FüAss PSU)<br />
– Koordinationsaufgaben ähnlich einem<br />
organisatorischen Leiter Rettungsdienst<br />
■ als Notfallpsychologe/ Notfallpsychotherapeut<br />
in der Akutintervention ähnlich<br />
dem Notarzt.<br />
Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit anderen<br />
eingebundenen Hilfskräften der psychosozialen<br />
Notfallhilfe (Krisen- und Notfallnachsorgehelfern,<br />
Notfallseelsorgern) wird hierbei<br />
eine notwendige Voraussetzung sein. Ohne<br />
diese Helfer anderer Professionen werden<br />
Notfallpsychologen/ Notfallpsychotherapeuten<br />
genauso wenig auskommen wie der Notarzt<br />
ohne die Sanitätseinheiten oder Schnelleinsatzgruppen<br />
(SEG).<br />
Exemplarische Aufgaben der<br />
Notfallpsychologen/ Notfallpsychotherapeuten<br />
in der<br />
Akutversorgung<br />
Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen<br />
sein, dass bislang meist beide Begriffe<br />
298<br />
<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2005</strong>