Psychotherapeutenjournal 3/2005 (.pdf)
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Mitteilungen der Psychotherapeutenkammer<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Weiterbildungsordnung: Chancen und Risiken<br />
Nordrhein-<br />
Westfalen<br />
Zur Vorbereitung der Entscheidungsfindung<br />
über eine Weiterbildungsordnung trafen<br />
sich die Mitglieder der Kammerversammlung<br />
mit den Mitgliedern des Ausschusses<br />
Fort- und Weiterbildung der PTK NRW sowie<br />
auswärtigen Experten am 20.05.<strong>2005</strong><br />
zu einer vertieften Diskussion. Die Debatte<br />
über das Für und Wider einer Weiterbildungsordnung<br />
wurde anschließend auf der<br />
14. Kammerversammlung durch eine weitere<br />
Aussprache nach dem Bericht des Ausschusses<br />
„Fort- u. Weiterbildung“ fortgesetzt.<br />
Deutlich wurde, dass bei der Bestimmung<br />
von Weiterbildungsreglungen der<br />
Gesamtprozess der psychotherapeutischen<br />
Ausbildung im Auge behalten werden muss<br />
und die Frage der Abgrenzung und Überschneidung<br />
von Fort- und Weiterbildung<br />
noch nicht zufriedenstellend beantwortet<br />
ist. Einigkeit bestand darin, dass die Definition<br />
von Anforderungskriterien für Zusatzqualifikationen<br />
in den Aufgabenbereich<br />
der Kammern fallen und die Definitionshoheit<br />
nicht Fachgesellschaften, Berufsverbänden,<br />
Arbeitskreisen oder gar allein der<br />
Kontrolle der Kostenträger überlassen werden<br />
darf. Konsens bestand unter den Kammerversammlungsmitgliedern,<br />
dass in Weiterbildungsordnungen<br />
festgelegte Zusatzqualifikationen<br />
darüber hinaus einer bundeseinheitlichen<br />
Regelung bedürfen. Im<br />
Heilberufsgesetz NRW sind in Abschnitt III<br />
die Rahmenbedingungen für die Weiterbildung<br />
aller Heilberufe – so auch für die<br />
Psychotherapeuten – geregelt. Die Kammer<br />
ist verpflichtet, eine Weiterbildungsordnung<br />
zu erlassen, die von der Aufsichtsbehörde<br />
genehmigt werden muss. In § 42<br />
HBG sind die Eckpunkte der einer<br />
Weiterbildungsordnung zu fassenden Regeln<br />
festgelegt.<br />
Wegen der unterschiedlichen Blickwinkel<br />
auf die Materie aus Sicht des Versorgungsbedarfs,<br />
der zunehmenden Differenzierung<br />
wissenschaftlicher Erkenntnisse und der<br />
berufs- und sozialrechtlichen Bedingungen<br />
gestaltet sich die Diskussion um die Konsequenzen<br />
einer Weiterbildungsregelung<br />
für die Entwicklung des Berufsstandes und<br />
die Berufsausübung außerordentlich komplex.<br />
Psychologische Psychotherapeuten<br />
und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten<br />
leisten den Großteil der psychotherapeutischen<br />
Versorgung. Sie sind in<br />
vielen speziellen Bereichen des Gesundheitswesens<br />
tätig wie Sozialmedizin, dem<br />
Rehabilitationswesen und der Prävention,<br />
der Neuropsychologie, der psychotherapeutischen<br />
Versorgung körperlich Erkrankter,<br />
der Psychotherapie bei umschriebenen<br />
Diagnosegruppen (Psychotraumatisierungen,<br />
Suchterkrankungen etc.) und der psychotherapeutischen<br />
Versorgung alterspezifischer<br />
seelischer Erkrankungen. In psychosozialen<br />
Beratungsstellen und Institutionen<br />
aller SGB-Bereiche leisten Psychotherapeuten<br />
auf Grund ihrer Berufsausbildung einen<br />
qualifizierten Beitrag zur Gesundheitsversorgung.<br />
Aus dieser Bandbreite der Tätigkeitsfelder<br />
lässt sich ein Bedarf zunehmender Spezialisierung<br />
der psychotherapeutischen Tätigkeit<br />
im Hinblick auf Störungsbilder, Verfahren<br />
und krankheitsspezifische Wirkfaktoren<br />
ableiten. Die Flut theoretisch und empirisch<br />
fundierter wissenschaftlicher Spezialkenntnisse<br />
über Entstehungsbedingungen, biologische,<br />
psychologische und psychosoziale<br />
Krankheitsursachen und die spezifischen<br />
Wirkfaktoren psychotherapeutischer<br />
Behandlungen bei verschiedenen Syndromen<br />
fordert einen Wissenstransfer in die<br />
Praxis. Umgekehrt entstehen aus einer spezialisierten<br />
Behandlungstätigkeit neue Forschungsfragen.<br />
Diese Entwicklung hat unter<br />
anderem zur Konsequenz, dass sich der<br />
Universalitätsanspruch traditioneller Behandlungsverfahren<br />
in vielen klinischen<br />
Indikationsbereichen nicht mehr aufrechterhalten<br />
lässt. Wenn die Behandlung dem<br />
aktuellen Wissensstand entsprechen soll,<br />
ist ein Spezialisierungsprozess der Therapiemethoden<br />
für bestimmte Erkrankungsformen<br />
unter Berücksichtigung der Begleitsymptomatiken<br />
und individueller Ressourcen<br />
des Patienten für eine qualitative,<br />
hochstehende Versorgung zukünftig unvermeidbar.<br />
Curricular erworbene kriteriengebundene<br />
Zusatzqualifikationen orientieren<br />
sich am Behandlungsbedarf der Patienten<br />
mit komplexen Krankheitsbildern. Sie<br />
machen die psychotherapeutischen Kompetenzen<br />
für die interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
transparent, für Kostenträger,<br />
andere Berufsgruppen und die Patienten<br />
selbst. Der weiterbildungsgeregelte Erwerb<br />
von Zusatzqualifikationen setzt die Psychotherapieausbildung<br />
voraus und baut darauf<br />
auf. Erweiterte Kompetenzen eröffnen<br />
neue, zusätzliche psychotherapeutische<br />
Tätigkeitsfelder, z. B. in der Behandlung der<br />
infolge körperlicher Erkrankungen entstandenen<br />
psychischen Störungen.<br />
Befürchtet wird von einigen Kollegen, dass<br />
durch Zusatzqualifikationen das Tätigkeitsspektrum<br />
in Zukunft beschränkt statt erweitert<br />
werden könnte. Nachteilig könne sich<br />
auch das Angebot zusätzlicher Leistungen<br />
im Bereich der sozialrechtlichen psychotherapeutischen<br />
Versorgung auf die Vergütung<br />
der Niedergelassenen auswirken,<br />
wenn ein unverändertes Budget auf ein<br />
erweitertes Leistungsspektrum aufgeteilt<br />
wird. Bei abhängig beschäftigten PsychotherapeutInnen<br />
könnten Zusatzqualifikationen<br />
die Voraussetzung für die Übernahme<br />
eigenverantwortlicher Zuständigkeiten<br />
sein und die Übertragung von Leitungsfunktionen<br />
begünstigen, beschwören aber<br />
das Risiko herauf, dass sich berufliches<br />
Fortkommen auf diese Weise um den Preis<br />
verstärkter Konkurrenz unter KollegInnen<br />
290<br />
<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2005</strong>